[219] HERZOG.
Das war ein langer Monolog.
Zu Werder'n.
Nicht wahr,
Herr Hofrath, Monolog nennt man so was?
HERZOGIN.
Der gute Hofrath schläft.
HOFMARSCHALL Werder'n zupfend.
Herr Rath! Herr Hofrath!
HERZOGIN.
O, lassen Sie ihn schlafen.
HERZOG zum Tollhausinspector.
Auf den Keller
Bin ich begierig; da wird's wohl recht drüber
Und drunter gehn, Herr Oberhofinspector?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Der Probe nach zu schließen, ziemlich bunt!
Nur bitt' ich im Voraus um gnäd'ge Nachsicht,
Wenn's hin und wieder etwas sehr naiv –
HERZOG.
Je besser, je naiver; wenn's Naive
Nur nicht zu fein und zu gelehrt. Nicht wahr?
Was sagen Sie dazu Herr Reichsbaron?
OPITZ.
Ich habe nichts dagegen.
Zur Herzogin.
Wie hat wohl
Gefallen Eurer Hoheit die Romanze?
HERZOGIN.
Ich habe wenig Acht gegeben drauf. Ich dachte[220]
Die ganze Zeit an des Feldmarschalls Worte,
Und Widerwillen gegen den Hans Wurst.
GENERALFELDMARSCHALL.
Nicht Animosität, Eur' Hoheit, straf mich Gott!
Ich habe Mitleid sehr mit jedem Tollen.
HERZOGIN lächelnd.
Ein schönes Mitleid das! »Man jag' die Tollen
Heraus mit dem Inspector!« –
JULCHEN.
»Schlag' sie todt,
Um Unglück zu verhüten!« War's nicht so?
HERZOGIN.
Hans Wurst ist ohnehin nicht toll. Man bilde
Mir nimmer ein, daß ein Wahnsinniger
Romanzen von der Länge lernen könne.
ST.-PREUX.
Und vollends wenn so schwer und hölzern sie,
So holpricht, steif und trocken, so ganz verslos.
OPITZ.
Wie die Romanzen heut'gen Tages sind.
GENERALFELDMARSCHALL.
Er hat vielleicht sie selber nur gemacht;
Und dann ist's keine Kunst –
ST.-PREUX.
So schwer,
So steif und trocken, flach und platt sie ist,
So ist zu toll sie nur für einen Tollen.
Das objective Streben drin verhunzt
Das Lyrische, naiv Sentimentale; –
Ein Toller hätte mehr romant'sche Fülle,
Und Colorit zumal, hineingebracht.
JULCHEN schmeichelnd.
O, wollten Sie wohl nicht die Güte haben,
Zu wiederholen, was Sie eben sagten?
ST.-PREUX leise.
Sie, Himmlische! verstünden es doch nicht;
Denn ird'sche Wahrheit hab' ich nur gesprochen.[221]
JULCHEN leise.
Auch solche hört' ich gern aus Ihrem Mund.
ST-PREUX leise.
Sie hörten sie ja, Engel!
JULCHEN leise.
Nur den Schall!
ST.-PREUX immer leise.
O lassen Sie uns garst'gen Männern gern
Das Andre; – wünschte, daß dergleichen Wahrheit
Ich selber nicht verstünde!
JULCHEN ebenso.
Warum aber
Denn sagen Sie sie doch?
ST.-PREUX.
Damit man mich
Nicht etwa für ein Frauenzimmer halte.
JULCHEN.
Und warum wollen Sie als Mann erscheinen,
Wenn es so garstig ist?
ST.-PREUX.
Nicht scheinen bloß –
Es seyn sogar!
JULCHEN.
Es seyn? Und warum das?
ST.-PREUX.
Um Sie nur anzubeten, Himmlische!
JULCHEN seufzt.
O Gott!
Es wird ein großer Lärm an der Thür des Balcons gehört.
KAMMERHERR zum Generalfeldmarschall in's Ohr.
Ein Feldcourrier ist von dem Lager draußen. –
GENERALFELDMARSCHALL für sich.
Der kommt mir wie gerufen!
Zum Herzog.
Gnäd'ger Herr!
Ich muß mich jetzt entfernen – die Geschäfte –
Sie rufen schleunigst mich in's Hauptquartier.
HERZOG.
Was giebt's? Warum so plötzlich? Weil Hans Wurst –?[222]
GENERALFELDMARSCHALL.
Es ist ein Feldcourrier da, straf mich Gott!
HERZOG.
Was bringt denn der?
GENERALFELDMARSCHALL.
Ich weiß nicht, Euer Hoheit!
Doch wichtig ist's gewiß! Sonst, straf mich Gott! –
HERZOG.
Laßt ihn herein! Ich will ihn selber hören,
Hofmarschall! Lass' Er den Courrier herein.
HOFMARSCHALL zum Kammerherrn.
Höchstselber wollen den Courrier vernehmen.
KAMMERHERR zum Hofmarschall.
Es geht nicht an. Der ungeheure Dickbauch
In zween Stiefeln eingepfählt, an denen
Die ganze Hälfte von der Jauer-Straße
Nach Dummliz hängt! Der Balcon trägt ihn nicht.
HOFMARSCHALL.
Der Herzog will's, und darum muß es gehen.
GENERALFELDMARSCHALL zum Tollhausinspector leise.
Hans Wurst ist toll, wie ich Ihm sage, oder –
TOLLHAUSINSPECTOR.
Gesetzt nun aber, Excellenz, er wär's nicht?
GENERALFELDMARSCHALL.
Dann muß er's werden! 'S ist ein Staatsgeheimniß!
Hör Er, Inspector, wenn Er nicht verhindert,
Daß ihn der Herzog spricht, sprech' ich mit Ihm!
TOLLHAUSINSPECTOR.
Doch was vermag ich gegen Seine Hoheit?
GENERALFELDMARSCHALL.
Er kann ja dafür sorgen, daß er wegläuft,
Unsichtbar wird, – verschwindet, – und was weiß ich –
Noch eh' das Stück vorbei. Ich fürchte
Für die Person der Majestät nur, straf mich! –
HERZOG.
Wo Teufel bleibt denn der Courrier? Feldmarschall!
HOFMARSCHALL.
Der Kammerherr befürchtet, daß der Balcon[223]
Die Last nicht tragen könne; zentnerschwer
Sind seine Stiefeln und –
ALLE HOFDAMEN fahren zusammen.
Um Alles –
HERZOG lacht.
Lass' ihn
Nur meinethalb die Stiefel vorher ausziehn!
Hofmarschall geht hinaus.
GENERALFELDMARSCHALL zum Tollhausinspector leise.
Schaff' Er mir den Hans Wurst nur fort, dann, hör' Er!
Darf Er auf reichliche Belohnung
Vom Herzog rechnen! Unter uns – der Herzog –
Der – thut nur so – und muß so thun – versteht Er?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Versteh' kein Wort, Eur Excellenz. – Das Stück
Geräth in's Stocken, wenn ich fort ihn schaffe.
GENERALFELDMARSCHALL.
Was liegt mir an dem Stück?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Mir aber viel!
Die Bühne darf prostituirt nicht werden,
Und ohnehin – gehorch' ich nur dem Herzog!
GENERALFELDMARSCHALL äußerst verlegen.
Hat doch den Cabinetsbefehl erhalten,
Um einzusperren den Hans Wurst?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Das that ich.
HERZOG.
Blitz, Donner! der Courrier? wo bleibt er?
KAMMERHERR wieder hereinkommend.
Hoheit!
Da draußen haben die Bedienten Mühe,
Mit Hülfe von der Wache, seine Stiefel
Ihm abzuziehn; – auch hat er keine Strümpfe.
HERZOG.
Was thut denn das? Herein mit ihm, sag' ich.
Kammerherr wieder hinaus.
[224]
EINE HOFDAME ihr Fläschchen hervorziehend.
Der Kammerherr schon roch nach dem Courrier.
Der Lärm wird immer größer am Eingange.
HERZOGIN zum Herzog, bittend.
O, könntest Du nicht, Lieber –
HOFMARSCHALL zurückkommend.
Gnäd'ger Fürst!
Sein Bauch kann durch die Thüre nicht herein.
HERZOG zum Generalfeldmarschall.
Schockdonnersapperment! ich sag' es nochmals,
Was hat er mir für Ochsen von Courrieren?
Zum Hofmarschall.
Man bringe den Rapport!
GENERALFELDMARSCHALL.
Die Uebereilung –
KAMMERHERR hereinstürzend.
Empörung, Aufstand ist im Lager, sagt er –
Der General von Wirbelzopf verhaftet –
Ein Anderer zum Chef ernannt, und alle
Die Officiere, die nicht da – cassirt.
HERZOG, GENERALFELDMARSCHALL UND PRINZ VON KOTBUS zugleich.
Blitz! – Teufel! – Mord und Tod! – Was sagt Er!
KAMMERHERR fortfahrend.
Der Feind rückt unterdessen an vor Dummliz.
Allgemeine Sensation auf dem Balcon.
HERZOGIN.
Da haben wir's!
ALLE HOFDAMEN.
Mein Gott! mein Gott!
JULCHEN sich an St.-Preux anschließend.
Ich sterbe!
HERZOG.
Ja, wenn ich jetzt den Kopf verlöre! – Ruhig!
Ich bin noch Herr!
GENERALFELDMARSCHALL.
Ich eile schleunigst –[225]
HERZOG nimmt sein Etui.
Nein!
Bis 's Stück aus ist! Wir haben was in's Reine
Zu bringen hier!
Schreibt.
GENERALFELDMARSCHALL.
Doch, gnäd'ger Herr, dort, straf mich!
Ist meine Gegenwart –
HERZOG immer schreibend.
Erst morgen nöthig!
Ein inneres Geschäft darf ohnehin
Nie wegen eines äußren leiden! Alles
Der Ordnung nach! – Der Prinz von Kotbus eile
Sogleich in's Hauptquartier zurück, und setze
Den Wirbelzopf in meinem Namen wieder
Auf freien Fuß!
Schreibt immer.
Warum auch kam er nicht
Hieher?
PRINZ VON KOTBUS.
Sein Pferd stürzt' unterweges, und
Er kehrte, nah beim Lager, um.
HERZOG schreibend.
Ist wahr!
In meinem Namen setzen Sie ihn wieder
Auf freien Fuß. Sie werden meine Ordre
Doch respectiren, hoff' ich!
Giebt dem Prinzen das Blatt.
Sie sind jetzt
Ad interim Feldmarschall – Eilen Sie;
Und wenn Sie mit der Vollmacht, die Sie haben,
Die Ungebühr gestillt, und Alles ruhig,
So kommen Sie zurück!
Prinz von Kotbus ab.
HERZOGIN.
Mein Gott! was wird
Das werden?
Alle bewegen sich unruhig.
GENERALFELDMARSCHALL.
Straf –[226]
HERZOG.
Sey ruhig! Laß mich sorgen –
Es brennt noch nicht!
Der Vorhang wird wieder aufgezogen, und man sieht den Keit unter der Platane.
Sieh da! da haben wir
Den Guten wieder, den, der beißt!
Zum Tollhausinspector.
Nicht wahr?
Er wird im Stück noch beißen, Hofinspector?
TOLLHAUSINSPECTOR.
Ich glaube nur sich selber, Eure Hoheit![227]
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