Siebente Szene.

[333] Baron Ringelstern allein. Dann Unruh.


BARON allein. Einziges, herrliches, himmlisches Geschöpf – – nur gemach, Herr Baron! Sie haben noch Zeit genug übrig, wenn Sie sich verlieben wollen. – Verlieben? – Bin ich's denn noch imstande? Die Zeit des Lenzes, der Blüten ist vorüber – wir sind beinahe im Herbste unsres Lebens. Zwar – ich besitze einen Kirschbaum in meinem Garten, der erst im September blüht, und im Oktober Früchte trägt. Aber die Früchte schmecken auch nach Oktober. – Und doch behaupten die Leute, der September sei der schönste Monat im Jahr. – Was helfen alle Bilder und Gleichnisse! Was ist, das ist. Jenes junge lebensvolle Mädchen, und ich mit meinen Reflexionen, meinen Ansichten, meinen Erfahrungen! – Nein, nein, es wäre Torheit! Warum hab' ich sie nicht vor zehn Jahren kennen gelernt? Ja, auch vor fünf Jahren, vor drei, vor zwei Jahren – – ein paar Jahre machen's am Ende nicht[333] aus! Aber noch im vorigen Jahr war ich ein völliger romantischer Schwärmer, ja zeitweise ein Erzplatoniker, ein Erznarr – Mit Humor. und das kann ich im Notfalle jetzt auch noch werden.

UNRUH tritt ein. Gnädiger Herr, ein Brief an Sie –

BARON. Ich kenne die Hand. Nimm ihn nur zurück. Derlei Briefe werden nicht mehr angenommen. – Unter andern, Monsieur Unruh! Bin ich verheiratet?

UNRUH. Sie? Nicht im geringsten.

BARON. Der Herr aber hat mich dafür ausgegeben.

UNRUH. Ja, sehen Sie gnädiger Herr, damit hat es seine eigene Bewandtnis. Es gehört zu den Feinheiten unseres Standes, den Leuten immer dasjenige zu sagen, was sie gerne hören. Jene Dame fragte mich: »Nicht wahr, der Baron ist verheiratet?« – Auf ein solches »nicht wahr« gehört immer ein Ja.

BARON. Dabei erhält die Wahrheit häufig eine Ohrfeige.

UNRUH. Wahrheit? Was ist denn wahr? Man kann alles plausibel machen. Lesen Sie nur meine Theaterkritiken.

BARON. Daß ich ein Narr wäre! – Bessere dich, wenn du kannst; übrigens – du bist entlassen, Muley Hassan – Fiesko braucht deine Dienste nicht mehr. Das sei deine letzte Arbeit. Geht ab, indem er eine Börse fallen läßt.

UNRUH allein. Hebt die Börse auf. Geld, holdes Geld! Animae dimidium meae! Wie gerne bück' ich mich vor dir, du, vor dem sich die ganze Welt bückt! – Ich soll mich bessern? Wozu? – Tu, was du willst, und es wird dich gereuen – sagt jener persische Weltweise, und ich sage: Bereue, was du willst, du mußt doch das tun, was du nicht lassen kannst. Also meine Rolle ist hier ausgespielt? Der Mohr kann gehen? Gut, ich bin Kosmopolit. Ich will mir einen andern Schauplatz aufsuchen. Ein pfiffiger Kopf geht nicht zugrunde, solange die Narrheit in der Welt nicht ausstirbt, und es ist nicht zu befürchten, daß der jüngste Tag sobald anbricht.


»Töricht, auf Beßrung der Toren zu harren,

Kinder der Torheit, o habet die Narren

Eben zum Narren auch, wie sich's gebührt!«


Ab.


Quelle:
Eduard von Bauernfeld: Ausgewählte Werke in vier Bänden. Band 1, Leipzig [o.J.], S. 333-334.
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