Zwölfter Auftritt

[327] Baldinger. Hermine.


HERMINE eilt auf Baldinger zu. Vetter, Sie wollten meine Ehre retten –

BALDINGER. Sie ist gerettet.

HERMINE. Er hält mich für Ihre Braut!

BALDINGER. Das soll er.

HERMINE. Und bald die Welt mit ihm!

BALDINGER. Das soll sie.

HERMINE stutzend. Wie, Vetter? Haben Sie bedacht –?

BALDINGER. Alles. Ich bin bereit, Ihnen meine Hand anzutragen.

HERMINE. Ihre Hand?

BALDINGER. Haben Sie vergessen, was der Onkel schrieb? »Franz, sorge für Deine Cousine.« Man tastet Ihre Ehre an, Ihren Ruf; der Namen Baldinger hat Credit, auch in der moralischen Welt: ich gebe Ihnen diesen Namen, Hermine, das kostbarste, was ich besitze, weil ich an die Reinheit Ihres Herzens glaube, und weil ich will, daß auch diejenigen daran glauben sollen, an denen mir einzig liegt, daß sie an mich selbst glauben.

HERMINE. Franz! Mein Schützer! Mein Engel! Edelster der Menschen!

BALDINGER. Hermine! Bald meine Frau!

HERMINE. Ich Ihre Frau!

BALDINGER sich fassend. Nein, nein – nur meine Braut – nur für die Welt, nur für eine kurze Frist. Das heißt, ich bin bereit, meinem Antrag nachzukommen, aber es soll Ihnen frei[327] stehen, zurück zu treten. Ich will gerne vor der Welt als der Aufgegebene, der Verschmähte erscheinen. Einem Mann macht das keine Schande.

HERMINE. Vetter! Ich Ihre Frau! Sie mein Mann! Ihr Edelmuth reißt Sie hin! Aber – Sie lieben mich nicht.

BALDINGER. Ich Hebe Sie nicht? Und Sie, Hermine?

HERMINE. Ich?

BALDINGER. Ich baue auf Ihr Herz, auf Ihre Seele, Hermine: fehlt Ihnen der Muth, sich einem Mann anzuvertrauen, der nur Ihr Bestes will?

HERMINE. Ach, ich bin ein armes, ein hilfloses Weib, das sich voll Vertrauen in Ihre Arme wirft; Sie sind mein Beschützer, mein Retter. – Wir werden uns lieben lernen – gewiß, wir werden, nicht wahr?

BALDINGER. Die Liebe ist eine Gabe des Himmels, die Ehe ist ein menschliches Institut. Treue kann man sich versprechen, freie Neigung wird geschenkt. Der Keim der Liebe schlummert in jeder Menschenbrust; ob er in helle, freudige Blüten schlage – wir müssen's erwarten in Demuth und Geduld. – Leben Sie wohl, Hermine! Haben Sie Muth und Vertrauen. Rasch ab, während Hermine die Arme nach ihm ausbreitet.


Ende des dritten Aufzuges.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 327-328.
Lizenz:
Kategorien: