Zwölfter Auftritt.

[58] Vorige. Figaro.


FIGARO athemlos von links eintretend. Die gnädige Gräfin wurde unwohl gesagt. Deswegen eil' ich herbei, finde aber zu meiner Beruhigung hier Alles im besten Stande.

GRAF trocken. Du bist sehr diensteifrig.

FIGARO. Meine Pflicht, Excellenz. Da meine Dienste glücklicher Weise unnöthig sind, so könnten wir ja nun wohl zu der feierlichen Handlung schreiten. Das ganze Dorf ist versammelt, der Brautzug und die Musik in Ordnung. Wenn es also Excellenz und Susannchen beliebte..?..

GRAF. Wer bleibt aber bei der Gräfin?

FIGARO. Gnädige Gräfin sind vollkommen wohl.

GRAF. Ja doch; aber sie bedarf des Schutzes gegen den fremden Besuch.

FIGARO. Ein fremder Besuch?

GRAF. Ein Anbeter, den ich abgereist glaubte.

FIGARO. Ein abgereister Anbeter?

GRAF. Stand nicht so in dem Briefe, den du Basilio gegeben?

FIGARO. Ich? Ihm? Wer sagt das?[58]

GRAF. Schelm, wenn ich es nicht bereits wüßte, würde dein Gesicht mir sagen, daß du lügst.

FIGARO. Ist dem so, dann lügt mein Gesicht, nicht ich.

SUSANNE. Laß gut sein, Figaro, und ergieb dich: wir haben Alles eingestanden.

FIGARO. Was eingestanden? Man behandelt mich hier wie einen Basilio.

SUSANNE. Daß du den Brief geschrieben, um den gnädigen Herrn Grafen weiß zu machen, der Page stecke in dem Kabinet, worein ich mich eingeschlossen hatte.

GRAF. Was sagst du nun?

GRÄFIN. Dein Läugnen hilft nichts mehr; der Scherz ist vorüber.

FIGARO der errathen möchte, was vorgegangen. Wirklich? Der Scherz ist vorüber?

GRAF. Wirst du den Brief endlich eingestehen?

FIGARO. Excellenz, wenn die gnädige Gräfin befiehlt, daß ich ihn geschrieben haben soll, wenn Susanne es befiehlt, wenn endlich Excellenz höchstselbst es befiehlt, was bleibt mir übrig, als zu gehorchen, mich zu dem namenlosen Brief als Verfasser zu bekennen? Fein und zweideutig. Wäre ich aber an Euer Excellenz Stelle, ich glaubte kein Wort von Allem, was wir Ihnen sagen.

GRAF. Mir reißt die Geduld: Lügen ohne Ende!

GRÄFIN vermittelnd. Warum sollte er auch so spät anfangen, die Wahrheit zu reden? Spricht besänftigend mit dem Grafen weiter.

SUSANNE leise zu Figaro. Sahst du Cherubin?

FIGARO wie oben. Noch ganz auseinander.

SUSANNE wie oben. Fatal!

GRÄFIN auf Susanne und Figaro deutend. Sehen Sie, mein Gemahl! Unser Brautpaar kann die Hochzeit nicht erwarten. Gehen wir zur feierlichen Handlung.

GRAF für sich. Wo bleibt Marzelline? Laut. Ich sollte mich doch wenigstens umkleiden.

GRÄFIN. Unserer Leute wegen? Bin doch ich im Negligé.[59]


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 58-60.
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
Die Figaro-Trilogie: Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter