156. Der Feuerpütz

[125] Es war zu Kaiser Titus' Zeit, vier Jahre nach der Geburt unsers Herrn, als im heutigen Westfriesland an einem Berge, der rote Kliff genannt, ein Feuerpütz aus der Erde schoß, der drei Tage lang loderte und weberte. Am vierten Tage kam ein Drache aus der Öffnung geflogen, aus der das Feuer schoß, hob sich hoch, schwebte eine halbe Stunde lang in Lüften und tat sich dann wieder nieder und hinein, woraus er gekommen war, ward nicht wieder gesehen, und das Feuer erlosch.

Hundertundfünfzig Jahre später brach der Feuerpütz wieder auf und brannte ganz schrecklich, acht Tage lang, und flammte sehr hoch, daß allen, die daherum wohnten, bange ward; dann erlosch die Flamme. Die Einwohner fragten das Orakel ihres Abgottes Staffo, weil sie ein großes Sterben fürchteten, und der Gott sprach, von diesem Erdfeuer werde das Land nicht untergehen,[125] eher von dem kalten Stoff, der nach Länge der Zeit ihm folgen werde.

Und aber nach etwa hundertundvierundzwanzig Jahren borst der Feuerpütz beim roten Kliff zum dritten Male auf, doch achtzehn Tritte weiter von der ersten Stelle, und flammte eilf Tage lang sehr schrecklich hoch. Da brachten die Einwohner dem Abgott Staffo Brandopfer und fragten aufs neue das Orakel. Da gebot ihnen der Gott, aus der Nordsee drei Krüge Salzwasser zu holen und diese durch einen gegen die Glut gewappneten Ritter in den Flammenschlund werfen zu lassen, da werde der inwendige Brand ausgelöscht werden. Das wurde vollbracht, und der Brand löschte aus.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 125-126.
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