326. Zauberverblendung

[235] Ein Zauberer kam gen Magdeburg, schlug auf offnem Markt seine Bude auf und sammelte viel Volkes um sich her, sammelte auch ein ziemliches Geld ein, bevor er anfing mit seinem Hokuspokus und Abrakadabra. Da nun das Spiel im Gange war, zeigte sich unter andern ein allerliebstes wunderkleines Pferdchen, das tanzte im Ring und belustigte die Menge; gegen das Ende aber stellte der Zauberer seine Frau, seine Magd, den Hanswurst und das Pferdchen nebeneinander und hub einen Schwatz an, darin er klagte über das schlechte und schmachvolle Zeitalter, in welchem man jetzt lebe, wo die Leute davonliefen, wenn der Teller käme und sie bezahlen sollten, und wie ein ehrlicher Mann es doch zu gar nichts Rechtem bringen könne. Habe es nunmehr mit den lieben Seinigen satt auf dieser Welt und absonderlich in Magdeburg, wolle daher auswandern und davonziehen, zunächst gen Himmel, und wenn es ihm da nicht glücke, gen Bitterfeld (zwischen Dessau und Halle), allwo es auch gar schön, und darauf warf er ein Seil in die Luft, das erfaßte flugs das Rößlein und fuhr stracks daran in die Höhe, und der Zauberer erwischte das Pferdchen beim Schwanz, rief: hoppdiho! und fuhr auf, und seine Frau hing sich an ihres Mannes Beine und die Magd an der Frau ihre Beine und der Hanswurst an der Magd ihren Rock, und so fuhr die Gesellschaft aufhin, und der Zauberer rief aus der Luft herunter:


Sehen wir uns nicht mehr auf dieser Welt,

So sehen wir uns doch in Bitterfeld! –


und alles Volk lachte und staunte mit weit offnem Munde, bis ihm in der Richtung nach dem Himmel und gen Bitterfeld zu die Gesellschaft aus den Augen kam. Da kam ein Bürger aus der Stadt gegangen, dem sagten seine Bekannten von dem Wunder, es wäre[235] schade, daß er es nicht auch gesehen, so was sehe man nicht alle Tage. Aber der Bürger sprach: Das kann nicht wahr sein, denn alleweile habe ich den Zauberer, sein Rößlein und seine Leute in ihre Herberge eingehen sehen, sind also derohalben weder gen Himmel noch gen Bitterfeld durch die Luft gefahren. –

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 235-236.
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