343. Die Rolandsäulen

[244] Fast im ganzen Harzgebiet, im Braunschweigischen und Hannoverischen und ebenso in der Altmark und in der Mark Brandenburg werden in vielen Orten und Flecken, selbst in Dörfern auf offenen Plätzen Rolandbilder, gleichwie zu Bremen, angetroffen, Rolandssäulen geheißen, deren Gestaltung sehr oft edel und schön, häufig aber auch grotesk, buntbemalt und höchst lächerlich erscheint. Sie sind uralten Ursprunges und stellen den Helden Roland, den Vetter und Paladin Karl des Großen, dar als einen Schirmherrn der Gerechtigkeit, daher fehlt dem Roland fast nie das Schwert. Karl der Große soll, wie die Sage geht, die Aufstellung dieser Bildsäulen von Stein oder Holz angeordnet haben, wenn sie nicht Nachklang aus urfrüher Zeit sind, in die keine geschriebene Kunde hinaufreicht. Die urältesten dieser Säulen werden nicht mehr gefunden, die vorhandenen tragen allzumal in ihrer mittelalterlich-ritterlichen oder antik-römischen Gestaltung, wo sie einem Kriegsgott ähnlich sehen, das Gepräge spätern Ursprunges. In vielen Orten der Marken sind die alten Rolandbilder verstümmelt, zertrümmert, ja sogar begraben worden.

Zu Stendal, wie auch zu Brandenburg, zu Prenzlau u.a. stehen berühmte Rolandsäulen. Der Roland zu Stendal ist absonderlich riesig und grotesk, wohl der größeste. Seine Waden sind mannsdick, sein Schwert ist zwölf Ellen lang. Am Hinterkastell hat des Künstlers Laune ein lachendes Schalksgesicht angebracht; die Leute nennen es den Eulenspiegel. Manchmal schon hat der Roland, wenn gesamte oder vereinzelte Narrheit es ihm allzubunt machte, sich herumgedreht oder doch wenigstens den Kopf gewendet. Anno achtundvierzig soll das am letzten geschehen sein.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 244.
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