385. Von den Schweckhäuserbergen

[268] In der Göttinger Gegend zwischen den Dorfschaften Waake, Landolfshausen und Mackenrode, die recht in einem Dreieck zueinander liegen, liegen auch drei Berghöhen, welche man vereint die Schweckhäuserberge nennt. Eine dieser Höhen ist etwas länglich gedehnt, wie so manches in dieser Erdenwelt, die heißt der lange Schweckhäuserberg, und derselbe trug früherhin auf seinem Gipfel ein Ritterschloß. Obschon keine Trümmer davon mehr vorhanden sind, gehen doch die Einwohner der drei genannten Orte gern hinauf auf den Gipfel, der freien Natur und schönen Aussicht zu genießen, besonders am ersten Ostertag, und erzählen sich mancherlei Mär und Sage von diesen Bergen. Daß ein Heidentempel droben gestanden mit einem ehernen Riesenbilde, hohl, wie der Herkules auf der Wilhelmshöhe bei Kassel, das die Heidenpriester zu allerlei Trug und Blendwerk benutzt, und statt selbst zu predigen, hätten sie das metallene Bild predigen lassen. In den Bergen aber seien Zwerge seßhaft gewesen. Von sotanen Zwergen hat einer die Tochter eines Schafhirten gern gesehen, aber sie[268] liebte bereits einen treuen Schäfer und war für den Quarksen nicht zu Hause, zumal er neben der Kleinheit vorn und hinten mit einem merklichen Verdruß aufwartete, kleine Schweinsäugelein, beträchtliche Lippenwülste, Schlappohren, ein aschgraues Gesicht und die Annehmlichkeiten grüner Zähne und stets feuchter Nase, etwa wie der Spiegelschwab im Volksmärchen, besaß. Doch hatte der Zwerg eine große Tugend, er war über die Maßen reich und spendierlich und schenkte drauf und drein, und da die Mutter besagten Mägdeleins, das Lorchen hieß, die Gaben nicht zurückwies, so vermeinte der Zwergenmann, er habe nun ein Recht, und sagte endlich kurz und rund zur Alten: Daß du es weißt, deine Tochter wird mein, es wäre denn, du wüßtest meinen Namen zu nennen; kannst du das, wenn ich wiederkomme, so soll es auch gehen wie im Kindermärchen, dann will ich weichen, und das Lorchen soll freie Wahl haben, nach dem Orakel der Gänseblume, zwischen Edelmann, Bettelmann, Schulmeister, Pfarr. Damit ging er nicht in bester Laune hinweg. – Das war der Mutter des Mägdleins gar unlieb zu hören, klagte es dem Liebhaber ihrer Tochter und riet ihm um sein selbst und seiner Liebe willen, des Zwergen Namen auszukundschaften. Das däuchte nun freilich dem jungen Gesellen ein schweres Stück und war's auch in der Tat, denn es gibt der Wichtlein wohl ab und auf all um den Rhein, in Preußen und Reußen, dünken sich wunders viel zu sein und zu bedeuten, und so einer nach ihnen umfragt in allen Landen, so hat niemand die Tausendteufelskröpel jemals auch nur nennen hören. – Der Schäfer spähte nun gar fleißig umher, und als einmal der Zwerg sich zeigte, schlich er ihm nach, allein plötzlich verschwand der Zwerg an einem Steinfelsen. Als der Schäfer zum Fels trat, sah er eine schöne rote Blume darauf blühen, und innen hörte er hämmern und klingen. Der Zwerg schmiedete und sang dazu:


Hier sitz' ich, Gold schnitz' ich,

Ich heiße Holzrührlein, Bonneführlein.

Wenn das die Mutter wüßt',

Behielt' sie ihr Lürlein.


Das nahm sich der Schäfer zu Ohren und hinterbrachte es schnell seiner Liebsten und ihrer Mutter. Bald darauf kam der Zwerg wieder und fragte: Weißt du meinen Namen? – Ach! sagte die Alte, wie kann ich Euern Namen wissen? Ihr werdet wohl am Ende Vitzliputzli heißen! – Nein, so heiße ich nicht! grölzte der Zwerg. Oder Peter Neffert! riet die Alte neckend weiter. – Nein, so gar nicht! antwortete jener. Ich frage zum dritten und letzten Mal: wie heiße ich? – Da sang die Alte:


Im Felsen sitzt Ihr, Gold schnitzt Ihr!

Ihr heißet Holzrührlein, Bonneführlein.

Und weil das die Mutter weiß,

Kriegt Ihr nicht mein Lürlein!


Das hat dir der Teufel gesagt, Weib! schrie voll Ärger der Zwerg, fuhr ab und ließ sich nimmermehr wieder sehen. Der Schäfer aber hat das Lorchen geheiratet und ist mit ihr gar glücklich geworden.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 268-269.
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