|
[337] In das Tal, darinne der Wittgenstein liegt, blickt ein niederer grauer Turm herab, der ist der Überrest des ehemaligen Schlosses Scharfenberg und heißt bei den Umwohnern wegen seiner Form das Löttöpfchen. Es spukt dort, manchmal walzt ein brennendes Faß vom Berge nieder, und am Bergesfuße, nahe beim Dorfe Thal, ist auch eine verrufene Stelle. Ein Stein steht dort, auf dem sind zwei Messer eingegraben. Dort haben zwei Brüder einander erstochen. Zur Zeit Landgraf Friedrich des Ernsten, welcher der Sohn Friedrich des Gebissenen war, ging es um den Scharfenberg bunt und noch mehr blutig her. Der Landgraf fehdete mit dem Grafen von Henneberg, die hatten Scharfenberg besetzt und plagten das Thüringer Land nach Eisenach und bis Gotha hinein: sein Gegner aber hatte Salzungen und die Herrschaften Frankenstein und Altenstein an sich gebracht und plagte das Henneberger Land im Werratal und nach Buchen zu; nun verband sich der Landgraf mit den Erfurtern, nahm viel Volk aus den thüringischen Städten und schloß den Scharfenberg ein. Der Graf von Henneberg aber fuhr mit einem großen Heer aus Franken über den Wald daher und schlug mit seinem Volk greulich auf die Thüringer los. Dem Landgrafen ging es hart an den Kragen, er wäre unfehlbar selbst erschlagen worden, denn es blieb viel Volks, wenn er nicht als ein gemeiner Wappner ohne Auszeichnung und Helmkleinod geritten wäre und nicht ein gewaltig tapferer Bürger, Hans von Frymar genannt (Friemar ist ein gothaisches Dorf), der hager und starkknochig war, auch ein[337] solches Pferd ritt, ihm stets zur Seite geblieben wäre und mit der Wucht seiner Streitaxt jeden niedergeschmettert hätte, der dem Landgrafen feindlich zu nahe kam. Der Landgraf aber mußte dennoch endlich mit großem Verlust das Feld räumen, und die Besatzung des Scharfenberges ließ freudig vom Löttöpfchen die Siegesfahne hoch über die grünen Wälder wehen.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsches Sagenbuch
|