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[48] Am Rheinufer im Ried ohnweit Oppenheim steht oder stand über Steinstufen eine hohe Säule auf vier Kugeln, die das Postament trägt, ruhend, in Form eines Obelisken. Auf der Spitze trug sie den sitzenden schwedischen Wappenlöwen mit behelmtem und gekröntem Haupt, in den Vordertatzen Schwert und Reichsapfel haltend. Es geschah, daß König Gustav Adolf von Frankfurt über Darmstadt längs der Bergstraße dem Rheine zufuhr und mit vier Getreuen in einem Nachen von Rockstadt aus den Rhein befuhr, die Gegend zu untersuchen, doch mußten diese Schweden sich bald vor den um Oppenheim verschanzten Spaniern zurückziehen. Dann aber ließ der kühne Schwedenkönig in den Dörfern am rechten Rheinufer die Scheunentore ausheben und sein Volk statt auf Flößen auf diesen Scheunentoren überschiffen, griff die Schanzen an und nahm Oppenheim mit Sturm. Zum Gedächtnis dieses Sieges ließ König Gustav Adolf diese Säule mit dem Löwenbilde aufrichten. Nun trug sich's zu, daß hernach, als der tapfere Schwedenheld bei Lützen gefallen war, wieder Kaiserliche diese Gegend besetzten. Da unternahm es ein kaiserlicher Offizier nicht ohne Gefahr, den hohen Obelisk zu erklettern, um das Schwert dem Löwen aus der Tatze zu nehmen, dann später dasselbe als ein Siegeszeichen dem Kaiser Ferdinand II. darzubringen, großer Belohnung, vielleicht einer güldnen Kette sich verheißend. Aber der Kaiser wurde überaus zornig über dieses Geschenk und sagte zu dem Offizier: Wie konnte Er sich unterfangen, eines so großen und tapfern Helden Denkmal zu berauben und zu verunehren? Ihm gebührt eigentlich ein Strick um den Hals, als einem Räuber. – Und hat der schwedische Löwe sein Schwert hernachmals wieder erhalten, auch ist die Schwedensäule späterhin, als sie den Wogen des Rheins und dem Eisgange allzu nahe und zu gefährlich stand, abgebrochen und besser landeinwärts gesetzt worden.
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Deutsches Sagenbuch
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