5. Dagoberts Zeichen

[17] Es war ein König im Frankenreiche, Dagobert, ein Sohn Chlotars und Herr über Austrasien. Von dessen Taten leben noch in Sagen viele Kunden. Er führte große Kriege gegen die Sachsen und war dabei fromm und kostfrei. Selbst gegen Tiere übte er Milde, und es ging von ihm das Sprüchwort im Volke um: Wann König Dagobert gegessen hat, so läßt er auch seine Hunde essen, und eine andere Rede ward ihm nachgesagt, daß er auf seinem Sterbelager zu seinen Hunden gesprochen habe: Ihr guten Hunde, es ist doch keine Gesellschaft im Leben also gut, daß man sie nicht verlassen und von ihr abscheiden müsse. – Auf seinen Zügen drang König Dagobert auch bis in das Schweizer Alpenland und bis dahin, wo man die Landschaft vorzugsweise das Rheintal nennt, und ließ dort in die Talfelsen einen großen halben Mond einhauen, als Grenzzeichen seines Reiches.

Da es mit dem guten Könige Dagobert zum Sterben gekommen war, erfaßten die Teufel seine Seele und brachten sie auf ein Schiff, mit ihr von dannen zu fahren. Solches ließ Gott der Herr geschehen, weil der König noch nicht gereinigt und gelöset war von aller Schuld. König Dagobert hatte aber einen Freund am heiligen Dionysius, dessen Gebeine er dereinst aufgefunden mit Hülfe seiner so sehr geliebten Hunde, und welchen Heiligen der König stets in stärksten Ehren hielt, dafür dieser ihn auch stetiglich schirmte und schützte. Da[17] nun, als Dagobert verstorben war, erbat der Heilige die Erlaubnis von Gott dem Herrn, des Königs Seele zu retten, und als er die erhalten, fuhr er im Geleite anderer Gottesheiligen und vieler Engel zur See und dem Schiffe nach, darauf die Teufel mit Dagoberts Seele waren. Darauf entspann sich ein harter Kampf zwischen Engeln, Heiligen und Teufeln um des Königs Seele, in welchem die ersteren Sieger blieben, und trugen alsbald die Engel die Seele Dagoberts in den Schoß der ewigen Gnade, die Heiligen aber kehrten in das himmlische Paradies zurück.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 17-18.
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