536. Das bescherte Glück

[369] Dicht bei Saalfeld liegt das Stift Graba, dort träumte einem jungen Menschen, es sei ihm ein großer Schatz beschieden, er solle nur zur gehörigen Zeit nachgraben an einer Stelle, die der Traum ihm ganz genau bezeichnete, dort werde er einen Topf gefüllt mit Golde finden. Am Morgen darauf begegnete er einem seiner Bekannten und erzählte ihm den wunderlichen Traum. Dieser lachte darüber und redete ihm die Sache aus, ging aber in der folgenden Nacht in aller Stille hin, grub und fand wirklich den bezeichneten Topf. Leider aber war der Topf statt mit dem erwarteten Golde mit gelben Ameisen angefüllt bis zum Rande. Ärgerlich über die Täuschung, und um sich für die gehabte Anstrengung und Nachtwache zu rächen, nahm dieser gute Freund den Fund und schüttete seinem Freunde, der den Anlaß zu sotaner herber Täuschung mit seiner Traumerzählung gegeben, die kleinen gelben Ameisen in das Bette. Vergebens aber lauschte er auf den Schrei, wenn dieser von den Bissen der Ameisen erwachen werde; der Freund schlief wie ein Toter. Als dem Träumer der anbrechende Morgen die Augen aufschloß, sah er sich in lauter Golde liegen – denn ihm war einmal das Glück beschert und nicht dem andern.

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Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 369.
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