[438] An der äußersten Westgrenze Schlesiens, am Bober, wohnte ein Mann, der beherrschte die Gegend und bewachte den Übergang über den Bober und nahm Zoll von den Reisenden, fast so schlimm wie jener Riese an der Schelde. Wenn nun einer kam, so rief er jedesmal: Sag an, woher? Sag an, wohin? Sag an, was führst du? – und nannten ihn die Leute rings im Gau den Herrn Sag an. Da nun die Stätte schön und fruchtbar gelegen war, so bauten sich andere auch an und wurden Herrn Sagans gute Nachbarn und desgleichen, und ward allmählich ein Ort, und aus dem Ort ward eine Stadt, die denselben Namen behielt bis auf diesen Tag. Als Sagan eigne Herzoge gewonnen hatte, taten einst einen derselben die Domherren zu Glogau in den Bann, weil sie ihm nicht gehorsam sein wollten. Da bot er ihnen friedlichen Vergleich, und da sie zu ihm in sein Schloß, als zu einem Gebannten, nicht kommen durften und würden, lud er sie zum Zwiegespräch und zur Unterhandlung auf die Boberbrücke. Kaum waren die Domherren auf der Brücke, so fielen hinter ihnen die Dielen in das Wasser, denn es waren unter der Brücke auf des Herzogs Geheiß Fischer versteckt, welche schon alles so vorgerichtet hatten. Darauf redete der Herzog die Canonici sehr ernst an und fragte: Jetzt, ihr Herren, saget kurz und rund, wollt ihr euch fügen oder nicht? Wollt ihr singen oder wollt ihr springen? – Singen, Herr, singen! antworteten die bestürzten Chorherren und fügten sich gütlichem Vergleiche und lösten den Herzog vom Banne, um sich selbst zu lösen, und sangen wieder im Chor Horas und Vigilien, Vespern und Metten.
Ausgewählte Ausgaben von
Deutsches Sagenbuch
|