741. Der vergrabene Kobold

[487] Zu Frauenbreitungen am steinernen Haus sollte eine Ausbesserung vorgenommen werden, und da geschah es, daß ein Steinhauergeselle in der Mittagsstunde müßig aus einer Luke des Hauses in einen Garten hinabsah. Da sah er eine Frau gegangen kommen, die ging unter einen alten Birnbaum, grub dort ein Loch und setzte eine Schachtel hinein, die sie unterm Mantel verborgen gehalten hatte, und deckte das Loch mit Rasen sorglich wieder zu. Nach dem Feierabend trieb den Gesellen zu sehen, was wohl die Frau dort möge vergraben haben, einen Schatz oder die Frucht eines Verbrechens. Er ging zum Baume, grub nach und erhob die Schachtel; als er sie öffnete, lag ein scheußlicher Kobold darin, eine halbe Elle lang, kohlschwarz wie der Teufel, Bockshörner am Kopf, Pferdehufe an den Füßen, jeder Zoll ein Teufel, und mit Telleraugen, welche glühten wie Feuer. Der Gesell ließ vor Schreck und Entsetzen die Schachtel fallen, und wie sie hinplauzte, hüpfte der Kobold heraus, schlug eine helle, widerliche Lache auf, sprang um seinen Befreier mit höhnischen Grimassen herum und verschwand dann mit gellendem Gelächter, indem er dem großen Breitunger See zueilte, in den er sich stürzte. Den Gesellen packte ein Fieber, und er starb an dem Schreck. Nie hat man den Kobold wiedergesehen, auch nie die Frau erforscht, die solchen greulichen Schatz vergraben.

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Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 487.
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