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[490] Droben überm Luthersbrunnen unter dem Gerberstein hat vorzeiten, wie die Sage geht, ein Nonnenkloster gestanden, und da sind immer viele Wallfahrer hingezogen, und es ziehen noch heutiges Tages welche dahin, obgleich das Kloster längst zerstört ist. Die Nonnen aber haben vor der Zerstörung noch einen großen Schatz allda vergraben, und eine von ihnen hat sich zu dem Schatz verwünscht, seiner zu hüten. Viele Leute haben sie wandeln sehen, denn der Weg nach Ruhl geht dort vorbei, schloßschleierweiß, doch hat sie keinem Menschen etwas getan. Die aber dort nach Schätzen gegraben haben, haben nichts gefunden. Vor hundert Jahren in einem Vorfrühling, da es noch keine Blätter und Blumen gab, sind Leute dorthinauf ins Reisig gegangen, die hatten ihr kleines Kind von fünf bis sechs Jahren bei sich und setzten das Kind zu ihren Körben und gingen in den Wald, ihrer Arbeit zu warten. Wie sie aber wieder hin nach den Körben kamen, da ging es wie bei der Frau auf Burg Epprechtstein, das Kind war fort, und vergebens riefen und suchten es die Leute im ganzen Walde. Doch wie sie es eine ziemliche Weile gesucht hatten, da kam das Kind gelaufen und war voller Freude, und hatte rote Beeren und Blumen und Kirschen, und sagte, wie sie fort gewesen wären und es so allein gewesen und sie so lange ausgeblieben, da hätte es sich gefürchtet und hätte geweint, und wäre auf einmal eine weiße Jungfer gekommen, die hätte ihm gesagt, es solle nicht weinen, sie kämen wieder, und es solle mit ihr gehen in ihren Garten, da gäbe es Beeren und reife Kirschen und Blumen. Und da hätte es davon nehmen dürfen, so viel es gewollt, und es sollte nur alle Tage zu ihr heraufkommen. Und nachher hätte die weiße Jungfer gesagt, nun solle es gehen, seine Mutter riefe ihm – und da sei es wiedergekommen, aber seine Leute sollten nur einmal mitkommen in den hellig schönen Garten. Und ob das alles den Leuten ganz unglaublich dünkte, so folgten sie doch dem Kinde und kamen auch wirklich an den Garten, sahen darin die Blumen und Blüten, die Beeren und Kirschen und auch die weiße Jungfer. Und die weiße Jungfer winkte ihnen, hereinzukommen in den Garten, aber sie fürchteten sich und enteilten samt dem Kinde. Aber alle Tage ankerte das Kind nach dem Garten und nach der weißen Jungfrau und wollte hin zu ihr, und weil es nicht fortgelassen ward, so weinte es beständig und härmte sich und wurde krank bis zum Sterben. Da saß seine Mutter an des Kindes Bettchen und weinte zu Gott im Himmel hinein, daß sie das Kindchen verlieren sollte, und betete. Da hob[490] sich mit einem Male das Kind im Bettchen in die Höhe und streckte die Händchen aus und lachte mit dem ganzen Gesichtchen und rief: Siehst du, Mutter – die weiße Jungfer – wie sie mir rote Beeren (Erdbeeren) bringt und Johanisbeeren? Und da starb’s. – Niemals hat jemand auf der Wallfahrt und dortherum den Garten der weißen Jungfrau wiedergefunden.
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Deutsches Sagenbuch
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