792. Riesenpflugschar

[520] Im Schloßhofe zu Aschaffenburg hängt eine ungeheuer große Pflugschar offen da und auch eine großmächtige Rippe, welche für die Rippe eines Riesen gilt. Eine dunkle Sage, welche durch moderne Dichtungen nicht hell gemacht ist, läßt einen Riesen mit dieser Schar dem Main, der früher vom Nilkheimer Hof hinter dem schönen Busch vorbei gerade nach dem Dorfe Main-Aschaff floß, ein neues Bette in großer Krümmung pflügen, damit er an Aschaffenburg vorüberfließe, allwo Kaiser Karl der Große eine Burg gehabt haben soll. Aber dadurch, daß die Stadt die Zier eines vorüberfließenden mäßigen Stromes gewann, hatte ein Dorf in der Stadtnähe durch Überflutung gar oft zu leiden, und die Bewohner sprachen: Leider ist der Main zu uns geleitet – und davon hat es den Namen Leider überkommen, den es bis diese Stunde führt. Aschaffenburg hieß in alten Zeiten Asciburgum, und war daselbst, wie auch im nahen Stockstadt, eine Römerkolonie. Zahlreiche Reste römischen Altertums wurden dort, vornehmlich in Stockstadt, ausgegraben. Der Riese, der im nahen Walde hauste, soll nicht im Kampfe gefallen, sondern von wilden Tieren zerrissen worden sein, und ward nichts weiter von ihm aufgefunden als eine Rippe von ihm und seine Pflugschar.

Beim Nilkheimer Hofe soll Bonifazius dem Volke des Bachgaues, so war jene Gegend benannt, die Christuslehre gepredigt und dort ein Kirchlein begründet haben, das die Mutterkirche aller andern des Gaues ward. Nicht weit vom Nilkheimer Hof liegt das Pfarrkirchdorf Groß-Ostheim. Mitten im Großostheimer Walde zeigt man den Hexenkirchhof, den Ort, allwo die Hexen der ganzen Umgegend, deren es nicht wenige gab, verbrannt wurden; es herrscht in derselben auch noch der Glaube an nächtliche Bockreiter, nicht minder der an Butter und Fleisch zuführende Drachen, an Feuermänner, Heerwische, und am Gernspringbach, der durch Stockstadt fließend in den Main fällt, zeigen sich gespenstige Reiter und halten ein Schlagen[520] in den Lüften, während ein schwarzer Reiter ohne Kopf die Grenze umreitet. Zu Stockstadt hat man im Jahre 1842 gar ein wildes Getöse in den Lüften gehört, wie ein glaubhafter Mann versicherte, es war im Monat April, und kam vom Rodenstein herüber, der nur sechs Stunden von dort entfernt liegt. Das Sausen und Brausen des nächtlichen Heerzuges in den Lüften zog sich über den nahen Odenwald und verlor sich in den waldigen Höhen des Spessart.

In Stockstadt hat auch lange Zeit ein Mautner gespukt, genannt Starhart der böse Zöllner oder auch der schwarze Mann im Zollhaus. Als 1812 ein Brunnen aufgegraben ward, hörte er auf zu rumoren.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 520-521.
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