971. Die rechte Hand

[626] Es war ein junger Graf von Dachau, der liebte ein Ritterfräulein von Wolfratshausen, nahe dem Wurm- oder Würmsee gelegen, hatte aber einen Feind am Grafen von Starnberg, der ließ ihn auflauern durch seine Knechte, und da er von oder nach Wolfratshausen ritt, so erschlugen sie ihn nahe bei Berg am See und beraubten ihn und hieben ihm die rechte Hand ab, an deren Finger einem er einen Ring von seiner Braut trug, den wollten sie auch sich aneignen, aber da schnappte des Ermordeten Hund zu und faßte die Hand und trug sie fort, immer fort bis nach Dachau, zwischen Augsburg und München, und legte sie zu den Füßen der Mutter des Erschlagenen nieder. Da schrie die Mutter Ach und Weh zusamt der Braut, und ließen an der Stätte, wo die Tat geschehen, die bald kundbar ward, eine Kapelle bauen, die ist hernachmals aber, weil sie zu fern vom Wege stand, bei die Rotschweig hingebaut worden, und an der Empore der Kapelle ward die Geschichte bildlich dargestellt.

Bei Wolfratshausen hat vordessen auch ein Schloß gestanden, aber es ist versunken; darinnen ruht noch ein großer Schatz, den drei Fräulein und ein Hund hüten. Als diese drei noch beim Leben waren und geerbt hatten, waren zwei blind, die eine aber war halb schwarz, halb weiß und machte es bei der Teilung mit ihren Schwestern gerade so wie die Brüder auf der Burg am Rhein mit[626] ihrer blinden Schwester: sie maß sich den vollen Scheffel Geldes zu und drehte dann den Scheffel um, deckte den Boden und ließ die Blinden fühlen, daß das Gefäß voll sei. Dafür fitzt sie der Teufel mit Ruten, bis die Haut in Fetzen von ihrem Leibe hängt, welche dann in der zwölften Stunde wieder zusammenwächst. Das soll so lange dauern, bis der Schatz gehoben ist.

Quelle:
Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 626-627.
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