Capitul X
Hans disputiert mit Lorenzen vom Adel und der Religion

[33] »Herr«, sagte ich, »Eure Meinung wegen Eures Adels habe ich verstanden. Ihr gefallet mir auch gut genug, aber, Herr Lorenz, Ihr habt keinen Glauben und keine Religion, ich bleibe auf solche Weise teufelsungern bei Euch. Sagt mir doch, was meinet Ihr, welches ist die beste Religion auf der ganzen Welt?« »Mein lieber Hans«, antwortete Herr Lorenz, »das weiß ich dir bei meiner Seel nicht zu sagen, denn ich weiß nicht, wievielerlei Religionen in der Welt sein. Wie kann ich dir also sagen, welches die beste ist? O du Bärenhäuter, gedenke nur selbst, daß ich's nicht wissen kann, ob ich's schon gern sagen wollte.« »Herr«, sagte ich weiter, »was glaubet Ihr denn vor Euch?« »Vor mir«, sagte er, »glaube ich, daß meine Nase stehet, und wenn ich einen Ranzen trage, so glaube ich ihn hinter mir, und neben mir glaube ich meinen Degen, und um mich ist mein Feldzeichen. Weißtu nun, Hans, was ich glaube?« »Herr«, antwortete ich, »Ihr foppet mich wie einen Narren.« »Ja, Hans«, sagte er, »das bist du auch und wirst es dein Leben lang bleiben. Was geht dich mein Glauben an?« »Herr«, sagte ich, »es geht mich Euer Glauben nichts an, aber wenn mich die Leute[33] einmal fragen, was für einer Religion Ihr seid, so weiß ich nichts zu sagen, als daß Ihr Eure Nase vor Euch, Euren Ranzen hinter Euch, Euren Degen neben Euch und Euer Feldzeichen um Euch glaubet. Herr, das ist ein närrischer Glauben.« »Ja, Hans, drum lern an ihm, er ist gut für dich und hält so warm wie ein Brustlatz. Hans«, sagte er weiter, »glaubstu, daß die Bauern in den Himmel kommen?« »Ja, Herr«, sagt ich, »ich glaub es.« »Ja nu«, sagt er, »glaubstu, daß die Bauern hineinkommen, so kannstu leicht glauben, daß die Edelleut nicht draußen bleiben werden. Hans, wer lesen und schreiben kann, der versteht das Ding besser als ich und du.« »Herr«, sagte ich, »Ihr betet aber nicht.« »Freilich«, antwortete er, »ich lasse mir aber den Buckel desto besser krauen. Und heute nacht mußtu gar den Roßstriegel mit dir ins Bett nehmen, damit mußtu mir die Füße wacker jucken.« »O Herr«, sagte ich, »ich sehe wohl, Ihr seid lutherisch.« »O du Narr«, antwortete er, »du bist lutherisch, du hast einen großen Kopf, und unser Windhund ist calvinisch.« »Herr«, sagte ich, »was haltet Ihr denn auf die katholischen Pfaffen?« »Du Bärenhäuter«, antwortete er wieder, »auf ihre Köchinnen halte ich zweimal soviel als auf sie.« »Ja«, sagte ich, »warum nehmt Ihr denn kein Weib?« »Hörst du«, sagt er, »warum bläsest du mir nicht in den Arsch?« »Ei«, sagte ich, »das ist meiner Natur zuwider.« »Ja nu«, sagte er, »so ist das Vorige auch meiner Natur zuwider.« »Ja Herr«, sagte ich, »Ihr scherzet gar zu grob. Was haltet Ihr denn von den lutherischen Pfaffen?« »Du Flegel«, sagte er, »ich halte auf ihre Weiber mehr als sie alle miteinander.« »Gelt, Herr«, sagte ich, »sie predigen schön?« »Das weiß ich dir nicht zu sagen«, antwortete er, »ich hab keinen nie gehört.« »Predigen denn«, fragte ich, »die katholischen Prädikanten hübsch?« »Ei«, sagte er, »ich weiß nicht, wie sie predigen, ich hab auch keinen gehöret.« »Herr«, sagte ich, »wie wisset Ihr denn, was Predigen ist, wenn Ihr nie keinen predigen gehöret habt?« »Hörstu«, sagte er, »wie weißtu, was Blitzen ist, wenn du nie blitzen gehört hast?« »Herr«, antwortete ich, »ich hab's gesehen.« »Ja nu«, sagte er, »so hab ich's auch gesehen, denn ich stand meistenteils außer der Kirche oder guckte von der Gasse hinein auf die Kanzel. Danach lief ich heim, wie ein fremder Hund durch die Fleischbänke.« »Wer hat Euch aber«, fragte ich weiter, »besser gefallen, der lutherische, katholische oder calvinische?« »Ha«, sagte er, »es war an allen dreien nicht viel Besonderes. Sie standen auf den Beinen und schlugen mit beiden Händen von sich, ich dachte, wo ich näherkäme, sie dürften mir gar eine Ohrfeige geben. Doch hatten die Lutherischen große Bücher neben sich liegen, da dachte ich: ex libro doctus quilibet esse potest, verstehstu das, Hans?« »Nein, Herr«, sagte ich, »ich versteh es nicht.« »Ja, Hans«, sagte er, »das war ihre Predigt. Was tustu, wenn dich schläfert?« »Herr«, sagte ich, »ich wünsche mir ins Bett.« »Nu«, sagte er, »mir ist auch so, Hans, lasse mir das Bett machen und höre auf zu fragen. Morgen will ich dir mehr von der Farbe schwätzen.«

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 33-34.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenspital
Sämtliche Werke - Band 5. Weiber-Hächel, Jungfern-Hobel, Bestia Civitatis, Narren-Spital. Herausgegeben von Ferdinand van Ingen und Hans-Gert Roloff
Das Narrenspital