Capitul VII
Macht Anstalt zu einer Musik

[27] So bald ich den Branntwein auf den Tisch gebracht, langte er eine gesalzene Zunge dazu, welche er mit gutem Senf trefflich geschmackhaft zu vermischen wußte. »Hans«, sagte er darauf, »es gilt eins aller ehrlichen Flederwisch gute Gesundheit. Narr, du darfst dich nicht wundern, warum ich dir keines großen Herren Gesundheit zutrinke, denn dieses halte ich für keine Rarität, aber ich will ein Hundsfutt sein, wenn eines Flederwisches beim Gesundheittrinken oft ist gedacht worden. Und damit wir vor andern Leuten etwas Rares und Absonderliches haben, wollen wir das Glas nicht vorn an die Lippen, sondern auf der rechten Seite wie der Stadtpfeifer den Zinken ansetzen, und so oft wir ausgetrunken haben, wollen wir einen großen Rülps dazu lassen, das ist gesünder, als wenn man uns mit fünfundzwanzig Musqueten Salve dazu losbrennte. Hans, glaube mir, ich bin kein Narr, ich weiß auch, wo man die Hunde schert. Darum mache dich gefaßt, kannst du keinen Rülps lassen, so mußt du das Glas so oft austrinken, bis einer angestochen kommet. Damit wir auch nicht dasitzen und einander ansehen wie die Katzen auf den Dächern, so bringe mir mein Vogelrohr aus dem Uhrkasten herunter, wir wollen für die Langeweile Tauben totschießen und uns ein paar davon braten lassen. Hans, sapperment, Hans, das schmeckt besser als drei Dutzend Ohrfeigen. Sage auch dem Torwächter, daß er mit seiner Fiedel hereinkomme und uns Lärm aufgeige. So wollen wir leben wie die Monarchen und uns wacker auf unsere eigene Hand lustig machen. Geh geschwind, sonst kommt mich der Schlaf wieder an und du kannst mich innerhalb sechzehn Stunden nicht wieder zu der Laun bringen.«

Nach solchen Worten rief ich dem Torwächter, daß er sich mit seiner Fiedel fertigmachte und mit mir zu dem Herrn in sein Zimmer käme, weil er daselbst zu unserem Branntwein lärmen und also den Saft in die Gurgel hinuntergeigen sollte. »Ha«, sagte der Torwärter, »der Teufel hat mich auf das Schloß geführet und kein ehrlicher Mensch. Wenn ich mir für meine Hand etwas verdienen und gewinnen könnte, so muß ich deinem Faulenzer aufwarten, der mich noch dazu mit dem Stecken über den Buckel schmeißet, wenn ich's nicht recht mache. Nein, bei meiner Seel, schlägt er mich noch einmal wie neulich, so laufe ich auf und davon, und sollte er alle Schergen im ganzen Land nach mir schicken, so komme ich ihm doch nicht wieder. Ich hätte anitzo eine gute Hochzeit über Feld, da ich mich schon vorgestern hinversprochen habe. Nun aber muß ich wider meinen[27] Willen mit dir gehen. Saprament, hoch Latein, du und dein Herr ist ein Bärenhäuter, der eine wie der andere, hei, daß ihn der Donner samt seinem Branntweinsaufen erschlüge! Heut ist's mir gar ungelegen, doch weil's nicht anders sein kann, so muß ich wohl hingehen. Aber gibt er mir nichts zum Lohn, so weiß ich schon, wie ich mich zahlhaft mache. Gehe nur voran, ich will bald bei euch sein.« Damit ließ der Torwärter einen in die Hose streichen und sagte: »Diesen schenke ich dir auf den Weg, stecke ihn hinter das linke Ohr, so fällstu nicht!«

Aus dieser Antwort des Torwärters ist zu merken, wie kahlsinnige Diener ein Herr zu haben pflegt, welcher vor großer Faulheit kaum aus dem Fenster, viel weniger zu ihren Verrichtungen siehet. Sie werden von den Dienstboten nicht allein nicht gefürchtet, sondern auch noch dazu geschimpfet. Die nötigen Arbeiten bleiben bei einer solchen Herrschaft entweder zurücke oder werden gar verabsäumet, wie auf dieses faulen Lorenzen Schloß ein augenscheinliches Exempel war. Demnach ist es auch geschehen, daß er von Tag und Tag, ja von Stund zur Stund in größeres Abnehmen und also in unverhoffte Armut geriet, weil er seinem eigenen Aufnehmen mit träumenden Augen und schlummerndem Gemüte stets entgegengegangen.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 27-28.
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