Sechster Auftritt.

[254] Gadhi tritt ein, Maja führend, die verschleiert ist und ein Gefäß und Linnen in der Hand trägt.

Benascar. Gadhi. Maja.


MAJA zu Gadhi.

Was thatest du! wenn's jener Fremdling –

GADHI.

Straft

Mit gleichem Blitz der Himmel Schuld und Wohlthat?

Ich will's nicht denken – nein – er wird's nicht sein.


[254] Zu Benascar.


Sieh, Herr, mein Weib, das mit dem kund'gen Blick

Das Kraut erspäht, das heilende, im Thale;

Sie wird den Balsam träufeln in die Wunde

Und dich mit sanfter Hand vom Schmerz befrei'n.

BENASCAR.

So komm!

MAJA für sich.

Er ist's! gerechter Brama! Fassung!


Sie ermannt sich und geht mit schnellen Schritten zu Benascar, der auf dem Sitze ruht, indeß sie vor ihm

hinknieet und die Wunde verbindet.


BENASCAR.

Wenn ihr Verrath und List, Verworf'ne, sinnt,

Und jetzt vielleicht mit heißem Gift mein Blut

Zu Leben fressender Empörung reizt,

So wisset: eine Schar umstellt die Hütte,

Mir unterthan, die das Verbrechen rächt

Und euren Mord mit tausendfachem Tod

Euch lohnen wird.

GADHI.

Sucht den Verrath bei euch!

Verworfen nennt ihr uns – erkennet jetzt,

Ob wir es sind.

BENASCAR zu Maja, die von sichtbarer Angst bewegt wird.

Was zitterst du? –[255]

MAJA hat den Verband vollendet und will sich entfernen.

BENASCAR ihre Hand ergreifend.

Dein Balsam

Kühlt lindernd mir den Schmerz; doch fühl' ich mich

Erschöpft, mich dürstet. – Ach! nur einen Trunk!

GADHI will gehen.

BENASCAR.

Weh' mir! Verworf'ner, bleib! der Trank,

Den du mir reichst, kann mir nicht Labsal sein.

Die Quelle ist verflucht, aus der du schöpfst,

Und die krystallene Erquickung trübt

Zu schnödem Gift sich in verworf'ner Hand.

Dank sei's dem Himmel! hier bewahr' ich mir

Noch eine Frucht, die ich im Walde pflückte;

Sie labe mich –

MAJA ihm die Frucht entreißend.

Unglücklicher, halt ein!

Du bist des Todes! giftig ist die Frucht.

BENASCAR.

Was hör' ich! welche Stimme! Ja, sie ist's!

Das ist die hohe, reizende Gestalt!

Den Schleier nieder, daß ich bebend schaue

Den Blick, der, wie der Sonn' umwölktes Licht,

Das Leben weckt im tiefen Schooß der Erde,[256]

Von Thränen schwer, dies Herz entflammend traf.

Herab den Schleier –.

GADHI.

Was ergreift dich, Herr?

Dies ist mein Weib!

BENASCAR.

Dein Weib, Verworf'ner? Fort!

Den Schleier nieder –

MAJA.

Gadhi, schütze mich!

Er ist's.

GADHI.

Der Fremdling?

MAJA.

Wehe! weh'! er ist's.

BENASCAR.

Du bist's, und wieder kennst du mich, und birgst

Voll Schauder dein Gesicht? Ich habe dein

In flammend heißer Sehnsucht stets gedacht,

Und will dich schauen, kostet es mein Leben.

GADHI.

Hinweg, sag' ich, Verwegener! dies Weib

Ist mein, und Keiner soll es wagen,[257]

Die freche Hand an dieses Haupt zu legen.

Es gab den Schwächsten Waffen die Natur,

Und diese schwache Hand hier wird zur Keule,

Die dich zerschmettern soll, wenn du dich nahst.

BENASCAR.

Mir trotzest du, Verworf'ner, feiger Sklave!

So nimm den Tod –


Er will den Dolch nach ihm schleudern.


MAJA sich zwischen Beide werfend.

Halt' ein! mich schauen willst du?


Sich entschleiernd.


So schaue, Wüth'rich, die unsel'gen Züge;

Und legte jetzt erbarmend die Natur

Des Basilisken Mordkraft mir ins Auge,

Erwiedern wollt' ich dir mit raschem Blick

Die freche Gluth, die dich durchflammt.

BENASCAR.

Sie ist's!

Und Liebe fordert mit gewalt'gem Schlag

Dies tief bewegte Herz.

MAJA.

Begehrst du Liebe,

Du – du von mir, Wahnwitz'ger, so vernimm,

Daß ich dich hasse wie die Nacht der Sünde.

Und wie ich hier mit bangen Armen fest

Den Heißgeliebten an den Busen drücke,[258]

So bin ich sein auf ewig. Meine Liebe

Folgt treu, nach Brama's heiligem Gebot,

Wie durch das Leben ihm, bis in den Tod.

BENASCAR.

Wie dieses Zornes Purpur, gleich dem Roth

Des Morgens, das der Sonne Glanz erhöht,

Mit unnennbarem Reize dich verklärt!

Wie schön bist du! wie fühl' ich ganz zu dir

Mit schwellendem Gefühl mich hingezogen!


Mit erwachendem Stolze.


Doch war's nicht Haß, was du mir zugeschworen?

Verschmähst du nicht des freien Mannes Triebe?

So siege denn Gewalt, wenn nicht die Liebe!

Zu meiner Sklavin hab ich dich erkoren!


In die Scene rufend.


Herbei, Gefährten!

MAJA.

Was beginnt er –

GADHI mit einem Blick gen Himmel.

Brama!

Jetzt wär's zu donnern Zeit – und du bist stumm!


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 254-259.
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