Vierzehnte Scene.

[369] Vorige. Struensee bleich und sichtbar bewegt.


MATHILDE.

Graf! ihr seht bleich!

STRUENSEE.

Erfüllt ist Eurer Majestät Befehl,

Nichts ist zu fürchten mehr. Die Truppen ziehen[369]

In bester Ordnung im Triumph nach Hause.


Ein freudiger Marsch, erst nahe, dann immer ferner.


Hört ihr den Jubelmarsch? Mit diesen Klängen

Geleiten sie des Feindes Ruhm zu Grabe.

Der Name Struensee ist ausgelöscht,

Ist nicht im Buche der Geschichte mehr

Zu finden, wo die ew'gen Thaten steh'n

Der muthig Wollenden! Der heut'ge Tag

Wirft ihn hinab zu den gemeinen Todten.

MATHILDE.

Nicht diesen Kleinmuth, werther Graf!

STRUENSEE.

Erstrebt' ich

Unzeit'ge Größe, ein unmöglich Ziel, –

Laßt mich vergessen sein. Doch soll die Welt

Nicht von mir sagen, daß ich stolz und schwindelnd

In blinder Ohnmacht von dem luft'gen Steg

Des Ruhms hinabgestürzt. Ich steige nieder

Mit eignem Willen; messe noch einmal

Die Höhe, stillen Blicks, am Fuß des Berges,

Und hab' entsagt für immer;

In Demuth fleh' ich Eure Majestät,

Wie ich's erflehen werde von dem König,

Gewährt mir gnäd'en Abschied.

MATHILDE.

Graf, ihr wollt –?[370]

STRUENSEE.

Nichts als das Unvermeidliche. Hab' ich

Nach einem Traume nicht gehascht, und war es

Das Opfer meines Lebens werth, so mußt' ich's

Heut' freudig geben, das Panier des Rechts

Aus diesem Kampfe retten, oder fallen.

Ich kämpfte nicht und unterlag, und besser,

Das fühl' ich, war's, denn schnell entscheidet sich's

Mit einem Male nun. Das Heil des Landes

Soll nicht durch mich aus blutgetränktem Boden

Zu später Ernte blüh'n. So scheid' ich willig,

Und mögen And're, glücklicher als ich,

Ein friedlich Glück begründen. Möge Keiner

Die zarten Perlen dieses holden Auges

Zu glüh'nden Thränen des Entsetzens wandeln.

KEITH.

Gott selber stärkte euch das edle Herz

Zu diesem kühnen, männlichen Entschluß.

MATHILDE ist, ihre Thränen verbergend, in den Sessel gesunken.

STRUENSEE.

Vergebt mir, Königin, und laßt mich scheiden!


Ihre Hand fassend.


Und nur noch einmal, brich, mein armes Herz! –

Zum letzten Male sei es mir gegönnt,

Die theure Hand der Königin zu fassen,

Die leuchtend über mir gewaltet. Weh' mir,[371]

Ihr wendet euch vor mir! O sprecht ein Wort,

Ihr fühlt, ich muß, – ich kann nicht anders, muß.

KEITH.

Wollt mir nicht zürnen, Majestät, wenn ich

Auch meine Bitten zu dem edlen Flehen

Des Grafen an das Herz der Kön'gin lege.

Es bleibt ihm keine Wahl! Ein gnädig Wort

Aus königlichem Mund wird ihn der Qual

Des schweren Amts entheben. Dänmarks Schicksal

Und seines, und ich sage selbst das eure,

Liegt in dem einen Wort; es wird dem Grafen

Die Größe seines Namens wiedergeben.

Die Welt wird den Entsagenden bewundern,

Und nicht beklagenswerth ist sein Geschick,

Will er des alten Lebens Glanz vergessen,

Und Englands freier Bürger werden.

MATHILDE aufstehend.

Ich will allein sein mit dem Grafen.


Keith und die Gräfin ab.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 369-372.
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