Sechste Scene.

[350] Mathilde. Struensee. Hauptmann Löwenskiold. Gräfin Uhlfeld entfernt sich sogleich nach dem Eintritt des Hauptmanns.


HAUPTMANN.

Vergebung, Majestät.

STRUENSEE.

Die Königin

Ist sehr begierig, zu erfahren, Hauptmann,

Was eure tödtlich schnelle Eile bringt?

MATHILDE.

Aus euren Mienen les' ich Unglück. Redet!

STRUENSEE.

Ich bitt' um den Rapport

HAUPTMANN.

Ich habe keinen.

MATHILDE UND STRUENSEE zugleich.

Wie?

HAUPTMANN.

Nicht zum Schreiben ward uns Zeit gelassen.

Ich komm' aus einer Schlacht.[351]

MATHILDE in einen Sessel sinkend.

Allmächt'ger Gott!

STRUENSEE leise zum Hauptmann.

Erschreckt die Kön'gin nicht.

MATHILDE aufstehend.

Nichts Heimliches!

Was ist's? Ich bitt' euch, Graf, verbergt mir's nicht.

Ich will es hören, wär's das Schrecklichste.

HAUPTMANN.

Ich soll – –?

STRUENSEE.

Die Kön'gin will's. Wer sendet euch?

HAUPTMANN.

Der Commandant der Hauptstadt.

STRUENSEE.

Eure Botschaft?

HAUPTMANN.

Die Garden haben sich empört.

MATHILDE.

Weh' uns![352]

STRUENSEE der seine Bewegung zu verbergen sucht.

Die Kön'gin weiß das Schlimmste. Laßt uns, Hauptmann!

Umständlich hören, wie sich's zugetragen.

HAUPTMANN.

Als unser Obrist heut' zum zweiten Mal

Die fünf norwegschen Compagnien versammelt,

Da sahen wir in manchem rauhen Antlitz

Die Spuren selt'ner Wehmuth. Der Gemeine

Sah traurig nieder auf sein Schwert und blickte

Die edlen Waffen bald, bald die Kam'raden

Mit bangen Augen an; denn Jeder dachte,

Der Abschied rufe den Soldaten wieder

Zum väterlichen Herd, zum stillen Pflug.

Da wird ein unerwarteter Befehl,

Der Wille Seiner Majestät, verlesen,

Der den Gemeinen kund thut, wie sie nicht,

Wie sie's gehofft, entlassen sind vom Kriegsdienst;

Nicht mit einander, wie sie's tröstend dachten,

Zur Heimath wiederkehren dürften. Murrend

Vernehmen sie's, wie Seine Majestät

Ausdrücklich will, daß ihre ganze Schar

Vertheilt in and're Regimenter werde.

Der Obrist, der's verlesen, schweigt, und plötzlich,

Sie ein verräth'risch Meer den Sturm erwartet,

Schweigt auch die fürchterlich bewegte Menge.

Mit einem Mal durchfliegt ein Schrei die Glieder,

Und wie aus einer Kehle heult es: Vivat

Das Regiment! Wir wollen freien Abschied!

Wir wollen nicht getrennt sein! Niemals, niemals![353]

Wir sind Kam'raden auf Leben und Tod!

Und nun umarmen sich die Wüthenden,

Und raschen Handschlag wechseln sie als Eid,

Sich nimmer zu verlassen, und dem Willen

Des Königs den Gehorsam zu verweigern.

Die Officiere stellen sich vergeblich

Den Rasenden entgegen. – Weder Bitten

Noch Drohung wird gehört. – Der Commandant

Will die Empörer zücht'gen, die mit Jubel

Durch alle Straßen zieh'n und selbst die Bürger

Mit schnödem Wort zum frechen Aufruhr laden.

Man läutet Sturm, und die Besatzung rückt

Zu off'nem Kampfe gegen die Rebellen, – –

Sie aber setzen Alles d'ran und wagen

Das Aeußerste, – sie dringen fechtend vor, –

Und schaudernd sieht die Stadt in ihren Straßen

Das Blut der Bürger und Soldaten fließen.

STRUENSEE.

Entsetzlich!

MATHILDE.

Weh' uns! Mußt' es dahin kommen!

HAUPTMANN.

Noch unentschieden war der Kampf, als ich

Die Stadt verließ; doch immer näher drängten

Zum Norderthore die Rebellen. Glückt's

Dort den Verzweifelnden, sich Bahn zu brechen,

So sind sie hier, eh' wir's gedacht.[354]

STRUENSEE.

Unmöglich!

Sie wagten es, nach Friedrichsburg, – zum König –

HAUPTMANN.

Das war die Losung. Die Empörer wollen

Zum Ohr des Königs ihre Wünsche tragen,

Den Wunsch nach Löhnung und nach freiem Abschied.

Ertrotzen wollen sie's in diesen Mauern,

Und dann wie sieggekrönte Helden wieder

In prahlendem Triumph zur Hauptstadt kehren.

STRUENSEE.

Eh' das geschieht, – eh' soll –


Man hört fernes Schießen.


MATHILDE.

Wir sind verloren.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 350-355.
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