Zweiter Auftritt.

[194] Edmund. Dann Otto.


EDMUND durch die Mitte mit einer Kaffeekanne, einem kleinen Wasserkessel und einigen Tassen. Er stellt die Tassen auf den Tisch rechts, macht dann im Kamin Feuer mit Holz und setzt den Wasserkessel und die Wasserkanne darauf. Dabei sitzt er theils auf einer Fußbank, theils kauert er sich. Noch alles still. Sie schlafen noch. Vermuthlich sind sie müde von der Reise. Also heute beginnt ein neues Leben in unserm Hause. Etwas ängstlich bin ich doch. Aber auch neugierig wie die Frau Professorin aussieht. Gestern Abend in Hut und Schleier konnte ich ihr Gesicht nicht sehen, und nachher getraute ich mich nicht wieder in das Zimmer.[194]

OTTO von rechts, gekleidet, aber im Schlafrock, mit langer, brennender Pfeife. Eheu!

EDMUND. Guten Morgen Herr Professor!

OTTO. Sind Sie da? Setzt sich an seinen Schreibtisch links. Guten Morgen! Schreibend. Ist gestern in meiner Abwesenheit etwas vorgefallen?

EDMUND. Auf heute Nachmittag vier Uhr ist Conferenz angesagt.

OTTO. Gut. Wann habe ich heute Unterricht zu geben?

EDMUND. Um neun Uhr, es ist Samstag!

OTTO. Richtig! Tacitus in der Prima, und nachher Xenophon in der Secunda.


Es klingelt rechts.


OTTO horcht hoch auf. Was ist das?

EDMUND. Es kam aus dem Zimmer der Frau Professorin!

OTTO. Ach ja – ich hatte ganz vergessen! Wie kommt denn eine Klingel in das Zimmer? Ich habe doch nichts davon befohlen?

EDMUND. Vermuthlich hat sie dieselbe unter ihren Sachen mitgebracht.

OTTO. So wird es sein. Läßt sich in seinen Arbeiten so wenig als möglich stören.


Klingeln.


OTTO. Was soll denn das Klingeln bedeuten? Famule, gehen Sie einmal hinein und sehen Sie was es gibt!

EDMUND eilt rechts ab.

OTTO. Diese Unruhe kann ich nicht gestatten, sie muß sich an Stille gewöhnen. Ich werde es ihr gleich ernstlich verweisen. – Hm, wenn man hier an dieser Stelle statt magnis magis läse – so würde der Sinn weit klarer und verständlicher. Diese Conjectur ist nicht übel.

EDMUND kommt zurück. Die Frau Professorin verlangt ein Mädchen!

OTTO. Puellam quandam? Id est servam, ancillam? Wozu ein Mädchen?[195]

EDMUND. Vermuthlich zur Bedienung!

OTTO. Das kann nicht gehen. Mägde sind schwatzhaft, näschig, unzuverlässig, das kann ich nicht um mich dulden. Sagen Sie ihr das Famule!

EDMUND rechts ab.

OTTO. Das wäre nicht übel, ancillas, Mägde, in meinem Hause zu haben. Dieses leichtfertige Geschlecht, das keinen Ernst begreift! Dii avertant! Gott soll mich bewahren!

EDMUND kommt zurück. Die Frau Professorin will ein Mädchen, das ihr beim Anziehen hilft!

OTTO. Beim Anziehen? Mehercule, ich bedarf niemals Hülfe beim Anziehen! – Indessen die Weiber sind das schwache, hülfsbedürftige Geschlecht – so helfen Sie ihr denn, Famule!

EDMUND springt nach der Thüre.

OTTO. Doch halt! Für sich. Am Ende ist es nicht passend einen jungen Menschen, der meiner Obhut anvertraut ist, so nahe mit einem Frauenzimmer zusammenzubringen. Laut. Bleiben Sie! Ich werde selbst einmal nachsehen. Geht ein Paar Schritte und bleibt stehen. Doch nein! Darf der Mann der artige Dienste der Frau leisten? Es waren servae, Sclavinnen, welche den Römerinnen bei dem Anziehen behülflich waren. Vermuthlich auch bei den Griechen! Hm – ob nicht ein alter Autor darüber Nachweis gibt? Ich entsinne mich keiner Stelle. Ich muß mir das doch aufschreiben und einmal nachforschen. Geht nach seinem Schreibtische.


Klingeln rechts.


OTTO. Ja so, meine Frau! Soll ich? Nein, das wäre denn doch gegen die Würde des Mannes – derartige Dienstleistungen sind unpassend. Famule, sagen Sie meiner Frau: es sei niemand da sie zu bedienen.

EDMUND ab.

OTTO sinnend, setzt sich wieder. Wirklich ist mir dieser Umstand noch nicht aufgefallen. Ob wir bei den Griechen nicht irgend einen Nachweis –? Hm – die Mägde der Penelope[196] in der Odyssee spannen und bereiteten ein Bad – aber vom Anziehen ihrer Herrin entsinne ich mich nicht etwas gefunden zu haben.

EDMUND kommt zurück. Die Frau Professorin sagte: es wäre für heute gut, sie wollte sich selbst helfen. Geht an den Kamin.

OTTO. Klytämnestra bereitete dem Agamemnon ein Bad, demnach leisteten auch bei den Griechen die Frauen den Männern Dienste, aber nicht umgekehrt. Halt, die Charitinnen bedienten die Aphrodite beim Anziehen! Aber Aphrodite war eine Göttin und man kann die Charitinnen nicht in einen Rang mit Sclavinnen setzen. Das paßt nicht. Die Frage ist von höchster Wichtigkeit.


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 194-197.
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