Erster Auftritt.

[121] Constanze mit einer Häkelarbeit beschäftigt, sitzt auf dem Sopha, Langenberg sitzt neben ihr.


LANGENBERG. Und Sie beharren auf Ihrem Nein?

CONSTANZE. Ich beharre darauf.

LANGENBERG. Was aber können Sie allen meinen vernünftigen Gründen entgegensetzen?

CONSTANZE. Einen einzigen, der sie alle zu Boden schlägt: ich liebe Sie nicht.

LANGENBERG empfindlich. Sie lieben mich nicht? Wo durch bin ich Ihnen denn so unangenehm geworden, womit habe ich Ihren Haß verdient?

CONSTANZE. Wie Sie übertreiben! Wer spricht denn von Haß? Sie sind mein Vormund, haben treulich mein Vermögen verwaltet, haben mich geleitet und geschützt – für alles das bin ich Ihnen sehr dankbar, ich schätze und ehre Sie. Allein diese Dankbarkeit ist noch keine Liebe – wenigstens nicht die Liebe, die mich wünschen ließe Ihre Gattin zu werden.

LANGENBERG gereizt. Sie sprechen so klug von Liebe, kennen Sie denn die Liebe schon?

CONSTANZE wendet sich ab.[121]

LANGENBERG. Sie leben eingezogen, kommen meines Wissens mit jungen Männern nicht zusammen, kennen Sie denn die Liebe schon? Antworten Sie mir.

CONSTANZE schelmisch. Herr Vormund, Sie sind nicht alt genug um diese Frage an mich stellen zu können. Wenn Sie einmal weißes Haar haben, mögen Sie darauf Anspruch machen Herzensgeständnisse eines jungen Mädchens zu erhalten.

LANGENBERG. Sie sind meine Mündel.

CONSTANZE lachend. Allein mein Herz steht nicht unter Ihrer Vormundschaft.

LANGENBERG. Sie wollen mir durch schlaue Wendungen entschlüpfen. Bedenken Sie, Constanze, daß Sie nach allen Vernunftgründen nichts Besseres thun könnten, als mir Ihre Hand zu reichen. Ich bin sechsunddreißig Jahre alt, habe eine ausgedehnte Praxis, bin seit Jahren mit der Verwaltung Ihres Vermögens vertraut –

CONSTANZE unterbrechend. Sie sind ein ganz an genehmer Mann, wohlgelitten in der Stadt, ein tüchtiger Advocat, tausend Mädchen würden sich glücklich schätzen Ihre Gattin zu werden – Sie sehen, ich kenne die triftigen Gründe alle, ich sehe alles ein, mein Verstand ist gänzlich auf Ihrer Seite –

LANGENBERG. Nun?

CONSTANZE. Aber mein Herz nicht. Und so oft sich auch noch in mir Verstand und Herz gezankt haben, stets behielt das letztere Recht. Man sagt es solle mehreren jungen Mädchen so gehen. –

LANGENBERG. Als Ihr Vater vor acht Jahren starb und mir die Vormundschaft über Sie und Ihren Bruder übertrug, sagte er mir: »Ich übergebe Ihnen das Schicksal meiner Kinder als einem erprobten Freunde – vielleicht gewinnen Sie einst das Herz meiner Constanze und ich werde dann euren Bund von oben herab segnen.«

CONSTANZE ernst. Erwähnen Sie jetzt meines guten Vaters nicht, sein Andenken ist mir zu schmerzlich.

LANGENBERG. Er hatte Sie für mich bestimmt, es ist sein Wille daß Sie meine Gattin werden.[122]

CONSTANZE. Da Sie denn doch fortfahren, so sage ich Ihnen daß mein Vater zu gut und vernünftig war, um das Schicksal seiner Kinder noch in die fernste Zukunft hinaus festsetzen zu wollen. Ich ehre den Willen des Verstorbenen am besten, wenn ich meiner Ueberzeugung folge.

LANGENBERG. Es sind seine eigenen Worte: »vielleicht gewinnen Sie das Herz meiner Constanze.«

CONSTANZE munter. Nun ja, dies »Vielleicht« ist aber nicht eingetroffen, Sie haben mein Herz nicht gewonnen.

LANGENBERG. Constanze, Sie berufen sich fortwährend auf Ihr Herz, sollte mein Argwohn gegründet sein?

CONSTANZE. Welcher Argwohn?

LANGENBERG. Seit acht Jahren bin ich gewohnt Sie als meine künftige Gattin zu betrachten, ich habe Sie gewissermaßen für mich erzogen. Sie wußten das, Sie haben mich niemals ahnen lassen daß Sie meinen Wünschen entgegen sein könnten – und jetzt wo ich diesem stillschweigenden Verhältnisse Wort gebe, wo ich mit dem bestimmten Antrag hervortrete, weisen Sie mich entschieden zurück?

CONSTANZE. Auf Ihre entschiedene Werbung muß ich Ihnen doch eine entschiedene Antwort geben.

LANGENBERG. Und diese hat einen Grund – Herr Moritz Hartmuth?

CONSTANZE wendet sich ab.

LANGENBERG. Sie schweigen? Jetzt wird mir klar was ich längst argwöhnte. Darum also waren Sie seit sechs Wochen, wo der junge Herr dort drüben wohnt, so gern in Ihres Bruders Zimmer Deutet nach links. Mir sagten Sie: das Geräusch, das Treiben auf der Straße ergötze und unterhalte Sie, die Aussicht von hier nach dem Garten, Auf das Fenster deutend. sei so ermüdend, so langweilig auf die Dauer – ich habe es längst gemerkt!

CONSTANZE schnippisch. Und wenn dem nun so wäre?

LANGENBERG. So? Also einen jungen Menschen ziehen Sie einem geprüften Freunde vor?

CONSTANZE. Das habe ich noch nicht gesagt.[123]

LANGENBERG. O wann sagt ein Mädchen wol was es denkt und fühlt!

CONSTANZE. Man muß nicht alles sagen – haben Sie mich selbst gelehrt.

LANGENBERG. Und so sollte Ihr schönes Vermögen in fremde Hände kommen? Und dieser Moritz Hartmuth, der seit kurzem das große Wort in den politischen Vereinen führt, diesem unruhigen Kopfe soll ich, der treue Freund, nachgesetzt werden?

CONSTANZE. Ich habe noch nichts gestanden.

LANGENBERG. Ich weiß genug ohne Ihr Geständniß. Aber ich habe noch ein Wort mitzureden, Sie dürfen sich ohne meine Bewilligung nicht verheirathen.

CONSTANZE munter. Herr Vormund, morgen ist mein Geburtstag, morgen werde ich mündig Zeigt ihm ihre Uhr. Noch fünf Stunden! Schlag Mitternacht hat Ihr Befehlen ein Ende!

LANGENBERG. Aber Constanze, sein Sie vernünftig, geben Sie nach!

CONSTANZE. Aber Herr Vormund, sein Sie vernünftig, geben Sie mich auf!


Quelle:
Roderich Benedix: Haustheater. Leipzig 21865, S. 121-124.
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