Zehnte Scene.

[41] Nr. 15. Recitativ.


FAUST.

Wie ist mir? – Welch ein Zwist erhebt

Sich mächtig mir im Innern

Und theilt mein Herz, daß beide Hälften

Sich feindlich befehden? –

Zweifache Liebe, gleich stark und gewaltig,

Bewegt und treibt mich hin und wieder! –


Dorthin zeigend, wo Röschen abging.


Hier die süße Neigung

Der kindlich reinen Seele,[41]

Die arglos mir vertraut; –

Der Liebe ruhig Weben auf stiller Flur,

Befreit von allen, mir verhaßten Banden –


Kunigunden nachzeigend.


Und dort – der hohen Schönheit Fülle,

Mit allen Reizen der Unschuld,

Ueppigen Lebens Vollgenuß! –

Und ha! (sich hoch hebend) daneben meiner Macht

Anlockender Schimmer zu wirken, zu schaffen

Großes, – Herrliches, – Gutes! –

Sie reißen mich hinüber, – herüber!

O! wessen Raub und Beute muß ich bleiben? –


Arie.


Blöder Thor! – Ich kann hier fragen? –

Wie die Eichen, himmelnah,

Nied're Halme überragen, –

Ueber alle Frau'n erhaben,

Ueberreich an Schönheitsgaben,

Wie sie je ein Auge sah –

Stehet Kunigunde da! –

Aber Röschen's sanft Gemüthe,

Ihrer Liebe reine Blüthe,

Kindlich winken sie mir zu

Stilles Glück und Lebensruh'!


Doch dort Kampf, sie zu bezwingen,

Die Bezwung'ne zu erringen,

Die Errung'ne zu besitzen,

Den Besitz dann zu beschützen!


Blöder Thor! kannst du noch wanken?

Soll ich Erd' um Himmel tauschen?

Soll statt Nektars Aethergluth

Kalte Quellfluth mich berauschen?
[42]

Auf, geöffnet sind die Schranken!

Sie bezwingen,

Sie erringen,

Sie besitzen,

Sie beschützen

Will ich stark mit Mannesmuth!


Ab.


Verwandlung. Glänzender Saal, reich beleuchtet. Zwei Pagen treten auf, setzen zu beiden Seiten der Bühne dicht an die Conlissen Stühle und gehen dann ab.


Quelle:
Louis Spohr: Faust. Leipzig [o. J.], S. 41-43.
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