Vierzehnte Scene.

[46] Vorige. Röschen in Männerkleidung und Franz. Hugo übergiebt Kuni gunden an Faust, die sich mit ihm in den Vordergrund niedersetzt. Hugo und Mephistopheles setzen sich ihnen gegenüber. Die vier Gefährten Faust's nehmen ebenfalls Platz.


RÖSCHEN hinter der Stuhlreihe, Faust gegenüber.

Entfernt von ihm muß ich einsam steh'n,

Verstohlen nur darf ich nach ihm seh'n.

Die Glückliche muß ich beneiden dort,

Die mit ihm theilen kann Blick und Wort.

Pagen und Diener reichen den Gästen brennende Wachsfackeln.

Fackeltanz der Hochzeitsgäste. Polonaise, C dur.

Während des Tanzes hat Faust Kunigunden heimlich seine Liebe erklärt. Der Tanz zieht sich in den Hintergrund.


FAUST zu Kunigunden.

So hoher Schönheit Fülle,

Wer könnte widersteh'n?

KUNIGUNDE leise.

O schweiget! schweiget stille!

Nicht mag ich Euch versteh'n!

MEPHISTOPHELES heimlich zu Hugo.

Traut nicht der Freundschaft Hülle,

Sein Herz versucht zu seh'n!

HUGO offen und treuherzig.

Zu edel ist sein Wille,

Er kann nicht hintergeh'n!

RÖSCHEN.

Mein Herz, o schweige stille,

Er kann dich nicht verschmäh'n!

FAUST.

Hinweg, verhaßte Hülle,

Ich muß mich frei hier seh'n!

KUNIGUNDE.

Gelähmet ist mein Wille,

Wie mußte mir gescheh'n?

FRANZ.

So reichen Glanzes Fülle

Hab' ich noch nie geseh'n.

Der Tanz kommt wieder in den Vordergrund, während Faust immer heftiger in Kunigunden dringt und Mephistopheles Hugo zur Eifersucht reizt.


CHOR. Während des Chors bleiben die Tänzer ruhig im Vordergrunde stehen.

Auf, theures Paar! Ins Brautgemach

Winkt fröhlich Hymen's Fackel schon![46]

Folg' froh dem frohen Gotte nach,

Empfang der treuen Liebe Lohn!


Nach einigen Takten des Tanzes geht der Chor wieder in den Hintergrund.


FAUST.

Einen Kuß von Eurem Munde,

Meine Seele gäb' ich hin!

KUNIGUNDE.

O laßt ab, laßt ab zur Stunde,

Nimmer bringt es Euch Gewinn!

MEPHISTOPHELES wie vorher.

Bald gereut's Euch dieser Stunde,

Hegt noch Zweifel Euer Sinn!

HUGO.

(Schnell erlang' ich sich're Kunde,

Tret' ich leise näher hin!)

RÖSCHEN.

Geb' ich ihr auch von mir Kunde,

Nimmer bringt es mir Gewinn!

FAUST.

Tief im Herzen brennt die Wunde,

Nimmer zähm' ich meinen Sinn!

KUNIGUNDE.

Tief im Herzen brennt die Wunde,

Meine Stärke ist dahin!

FRANZ.

Wie sie zieh'n in schöner Runde!

Wie sie leicht vorüberflieh'n!

Der Tanz ist wieder im Vordergrunde. Faust wird immer dringender. Hugo nähert sich, um ihn zu belauschen.


CHOR. Abermaliger Stillstand des Chors.

Auf, theures Paar! ins Brautgemach! u. s. w.

Nach dem Schlusse des Chors verliert sich der Tanz im Hintergrunde.


KUNIGUNDE steht auf und tritt in den Vordergrund.

Wie in einem Zauberkreis

Hält es mich in seiner Nähe,

Daß ich nicht zu wählen weiß:

Ob ich bleibe, ob ich gehe!

FAUST faßt sie mit Heftigkeit.

Nein, nicht kannst du mich hassen,

Liebend pocht dir die Brust,

Nimmer kann ich dich lassen,

Dein Besitz nur ist Lust!

MEPHISTOPHELES zu Hugo.

Frech und blind ist die Begier!

RÖSCHEN.

Weh' mir! Was erblick' ich hier?

[47] HUGO zwischen Faust und Kunigunde tretend; der Chor nähert sich.

O unerhörter Frevel!

Das Weib mir zu verführen,

Vor meinen Augen hier!

CHOR.

O unerhörter Frevel!

HUGO.

Du kamst mit lüsternem Muth,

Des Freundes Ehre zu kränken!

Den Schimpf sollst, Frecher, du büßen!


Zieht den Degen.


Ihn tilget einzig dein Blut!

FAUST zieht.

Zurück! Eh' ich dich verderbe!

KUNIGUNDE.

Zurück! O Himmel, haltet ein!


Fällt Faust in die Arme.


RÖSCHEN wirft sich zwischen Faust und Hugo.

Zurück! O Himmel, haltet ein!

CHOR DER MÄNNER.

Der Frevel muß gerochen sein!


Sie ziehen.


FAUST'S FREUNDE ziehen.

Versucht's, wollt ihr verloren sein!

HUGO zu Kunigunden.

Du selbst! Ha, Falsche! Wohlan!

Du kannst mich verrathen? So sterbe!

KUNIGUNDE.

Weh' mir! Was hab' ich gethan?

FAUST.

Hinweg! Nicht sollst du es wagen!

CHOR DER MÄNNER.

Heran, Verräther, heran!

FAUST'S FREUNDE.

Treibt euch's zu sterben, wohlan!

HUGO.

Nein, länger will ich's nicht tragen!

KUNIGUNDE.

Wie rett' ich Arme mich hier?

RÖSCHEN zu Hugo.

O schont den Theuren mir!

HUGO.

Fort, Knabe!

FAUST.

Röschen, du hier?

RÖSCHEN zu Faust.

Geliebter! Fliehe mit mir!

FAUST.

Weg, Thörin! Weiche von mir!

FRANZ.

Fort, Röschen! Fliehe von hier!


Franz und Röschen ab.


HUGO Röschen erkennend.

Ein Weib? Verführer!

Von mir empfange die Strafe dafür!


Dringt auf Faust ein.
[48]

FAUST sieht Kunigunden sich entfernen.

Sie flieht von hinnen?

Vor Allem muß mein die Holde ich seh'n!


Stößt Hugo nieder und eilt Kunigunden nach.


Im Hintergrunde Gefecht zwischen den Gästen und Faust's Freunden. Während der Verwirrung bei Hugo's Fall entfernen sich letztere. Mephistopheles, der den ganzen Auftritt ruhig und schadenfroh mit angesehen hat, entfernt sich ebenfalls.


GANZER CHOR.

O seht, o seht den Theuren fallen!

HUGO.

Weh' mir, schon ist's gescheh'n!


Einige der Gäste nehmen den fallenden Hugo in die Arme.


CHOR.

Ha schrecklich! Die Wangen erbleichen!

Es flieht die belebende Gluth!

Auf, nicht laßt den Frechen entweichen,

Den Frevel entgelte sein Blut!


Tumult.


Quelle:
Louis Spohr: Faust. Leipzig [o. J.], S. 46-49.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon