[4] Vorige. Suse.
SUSE mit zwei großen Körben an beiden Armen. Hinter ihr Hanns der Lehrjunge, mit zwei großen Krügen. Sie ist außer Athem und scheint schwer zu schleppen.
DIE SCHMIEDE rufen ihr entgegen. Vivat Jungfer Suse, vivat hoch!
SUSE indem sie die Körbe niedersetzt mit komischem Spott sich verneigend. Danke schönstens, verehrte Schmiedegesellen – Compagnie! Wahrlich, wenn ich nicht den unreinen Grund der hohen Ehre kennte, welche Ihr mir mit Eurem Vivat erweist, ich würde Freudenthränen vergießen; doch ich weiß Eure edlen Gesinnungen längst auswendig, Ihr Weinschläuche und Schelme. Eure Liebe für mich entspringt in Eurem hungrigen Magen, und die Hochachtung für Jungfer Suse sitzt lediglich in Euren durstigen Kehlen. – Na, ich will Euch Euren Eigennutz vergeben, es ist nun einmal nicht anders. Da, Käse und frisches Brod, und hier schickt Frau Else Wein vom großen Faß Numero Elfe, weil Ihr gestern und heute so schwere Arbeit gehabt. Wohl bekomm's!
Während des Sprechens treten die Gesellen heraus und lassen sich auf der Bank vor der Schmiede nieder, ein runder Tisch steht davor.
DIE GESELLEN. Vivat! Frau Else!
HERRMANN steht auf und scherzt mit Susen.[4]
HANNS für sich. Die Gaudiebe! Da können sie schon schreien, wenn's nur wacker zu zechen giebt! Laut. Mit Verlaub, Ihr Herren, ich bin auch dabei, rückt zusammen.
ALTGESELL. Warum nicht gar! Lehrbursche und Altgeselle auf einer Bank, das wär' was Neues! Steh Du ruhig zur Seite, Bürschchen, mußt noch wachsen, hast's nöthig.
HANNS. Ich habe den Wein hergeschleppt, so will ich auch mittrinken.
ALTGESELL. Trinken magst Du, kannst im Stehen auch schlucken.
HANNS zornig. Ei was, das ist –!
GESELLEN. Wird er schweigen, der kecke Bursche?!
SUSE zieht Hanns bei Seite. Hanns, wirst Du gleich ruhig sein?! Was hilft es Dir, wenn sie Dir was anthun? Was hast Du davon? Daß ich mich kränke, und –
HANNS. Aber –
SUSE leise. Höre, Hanns, willst Du mich im Ernst einmal heirathen?
HANNS. Ja freilich, aber –
SUSE. So lerne bei Zeiten gehorchen, sonst bist Du kein Mann für mich. Gleich gieb nach, ich will's, und damit Punktum.[5]
HANNS demüthig. Na, sei nur nicht böse! – Bitte schönstens, Ihr Herrn, mir auch einen Becher.
SUSE. So bist Du, wie ein rechter Ehemann werden soll.
ALTGESELL. Jetzt sing' uns ein Lied, Herrmann. Wird mir gleich anders zu Muthe, höre ich vom Reitersleben. Das war eine Zeit, als ich und der Herr unter den Pappenheim'schen dienten! Vivat die Soldaten!
HERRMANN. Da thu' ich Dir Bescheid, wackerer Bursche. Stößt an. Vivat die Soldaten!
ALLE. Vivat!
SUSE. Bewahre der Himmel! Was für ein Geist ist denn auf einmal in Euch gefahren? Ich stand schon eine Weile und horchte Euch zu, wie Ihr schwarzen Raben am Blasebalg von Krieg und Sieg krächztet. Hahaha! Stattliche Soldaten wärt Ihr ja mit den zierlichen Wämsern, woran man die Farbe eben so vergeblich sucht, als die rothen Wangen in Euren rußigen Gesichtern. Sonst, wenn ich das Vesperbrod brachte, hört' ich schon drüben am Steg:
Singt komisch.
»Der Hammerschmied muß scheiden,
Ade, fein Mägdelein!
Es thut ihn nicht mehr leiden,
Geschieden muß es sein.
Auf daß die Wand'rung er beginn',
Zu einer andern Meist'rin hin.«
Und jetzt träumt Ihr von nichts, als Soldaten und dergleichen. Ei, ei! Herrmann, bist Du es, der unsere friedlichen Gesellen so kriegerisch stimmt?[6]
HERRMANN. Sei mir darum nicht böse, Suschen, ich liebe nun einmal das Kriegshandwerk vor allen.
ALTGESELL. Mögt's auch leicht besser verstehen, als die Schmiedearbeit; denn damit geht's schlecht genug von Statten.
HERRMANN verlegen. Ich diente lange als Reitersmann, hab's freilich im Feld fast ganz vergessen.
SUSE nimmt eine seiner Hände und zieht ihn bei Seite. Nehmt mir's nicht übel, aber Eure Hände sehen nicht aus, als hätten sie je Eisen geschmiedet oder Blasbälge in Bewegung gesetzt. Seht, neugierig bin ich nicht, das war nie mein Fehler – aber wissen möchte ich doch –
HERRMANN. Was es für eine Bewandtniß mit mir hat? Ei Suschen, das weißt Du ja längst. Ich bin eines Sensenschmiedes Sohn, zog in den Krieg, hab's nun satt und suche, da es bald Friede wird, die alte Arbeit wieder auf. Da hast Du meine ganze Lebensgeschichte.
GESELLEN essen und trinken, ohne sich weiter um Herrmann und Suse zu bekümmern, und necken Hanns.
SUSE. So, so! Ei, ei! – Nun, da Ihr mir nicht vertrauen wollt, obgleich Ihr immer sagt, ich hätte so hübsche, ehrliche Augen, so will ich Euch etwas erzählen. Geheimnißvoll. Seht, wie vor drei Wochen der Herr wegreiste, um die Erbschaft in Linz zu erheben, gingen wir alle früher zu Bette als sonst, weil wir vor Tage schon aufgestanden waren. Es mochte lange Mitternacht vorüber sein, da hörte ich auf einmal im[7] Zimmer der Base laut sprechen. Neugierig bin ich nicht, aber wissen wollte ich doch, was das wäre, und da kroch ich leise zur Thür und sah durch eine Spalte, wie Ihr auf den Knien lagt, mit den Armen fochtet und dann also spracht: »Werthe Frau! erbarmt euch eines Verfolgten, den keine Schuld drückt, und den Ihr allein retten könnt.« – Frau Else schüttelte bedenklich den Kopf, darauf sagte sie: »Thue ich Recht, oder Unrecht, ich weiß es nicht, aber Euer Auge ist nicht das eines Schuldigen – ich will ihm vertrauen und Euch retten!« – Am andern Morgen kommt Ihr als Geselle in's Haus. Ich dachte immer, endlich würdet Ihr der kleinen Suse doch sagen, wie das zusammenhängt; da Ihr aber gar nicht sprecht und die Suse für so dumm haltet, wollte ich Euch nur zeigen, daß die dumme Suse auch zur rechten Zeit schweigen kann; denn ich habe meine Entdeckung keiner Seele mitgetheilt – Mit einem tiefen Athemzug. und das war keine Kleinigkeit, Ihr könnt mir's glauben.
HERRMANN bestürzt, sie in die Wange kneifend. Gutes, redliches Suschen, Du bist ja so hübsch, Suschen, so bildhübsch – Du gefällst mir zu sehr – sei auch klug und gedulde Dich nur noch zwei Tage, dann sollst Du wissen, was selbst Frau Elsen bis diese Stunde unbekannt blieb.
SUSE froh. Gewiß? Die Hand darauf.
HERRMANN giebt ihr die Hand.
SUSE. So, ich gefalle Euch also, und ich soll etwas erfahren, was die Frau Else nicht einmal weiß? Ach, lieber Herrmann, nun kann ich's ja gar nicht mehr aushalten, sagt mir's lieber gleich.
HANNS der zwischen Beide schlich, steckt den Kopf zwischen sie hinein. So! Jungfer Suse, nur hübsch gescharwenzelt mit dem[8] neuen Gesellen – das wäre ja Schade, wenn man sich Gewalt anthäte.
SUSE ärgerlich. Nun, das denke ich auch, Jammerschade wär's!
HANNS. Suse, mit uns wird's bald aus sein.
SUSE schnippisch. Ei? – Ich denke, da müßte es erst anfangen.
HANNS. Was? Hast Du mir nicht versprochen, daß Du mich heirathen willst?
SUSE. Ja, wenn Du erst einen Kopf höher wirst.
HANNS. Nun, und habe ich nicht alle Aussicht darauf?
SUSE immer eifriger. Aussicht genug; denn Du kannst ohne Schaden noch zwei Köpfe größer werden, ehe Du zur Einsicht kommst.
HANNS. O, da könnte sich die Jungfer irren. – Die Einsicht ist schon da, wir taugen nicht für einander.
SUSE die Thränen verbeißend. So? Merkst Du das jetzt erst? Mir ist's schon lange klar. Ein eifersüchtiger Lehrbursche und eine arme Waise sind freilich nicht für einander geschaffen.
GERTRUD kommt im Hintergrunde über einen Hügel.
ALTGESELL. Die Frau Bürgermeistern! – Kinder, haltet Ruhe.[9]
SUSE erschrocken, schnell demüthig. Guter Hans, verrathe mich nicht; sie sagt Alles der Base wieder.
HANNS. Ja, jetzt bin ich der gute Hanns. Zornig. Sapperment, in mir ist aber keine gute Ader mehr.
Buchempfehlung
Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro