Achte Scene

[26] Vorige. Charles. Dann Diener und Bastian.


CHARLES von links, zieht Adolph rasch zur Seite, leise. Es wird ernsthaft. Hoffentlich haben Sie Rose beredet zu bleiben und sie reist nicht?

ADOLPH bitter. Sie reist!

CHARLES wie oben. Dann verläßt sie Paris als meine Braut, denn nur unter dieser Bedingung läßt mein Vater sie fort, das hat er mir so eben erklärt.

ADOLPH. Sein Sie ohne Furcht, dieses Ziel erreicht er nicht.

BASTIAN von außen. Aber ich will nicht gemeldet sein, will mir die Rosel schon selber suchen!

ROSE die unbeweglich saß, vor sich hinstarrend, fährt auf. Diese Stimme?

DIENER tritt links ein. So wartet doch bis ich sie rufe.

BASTIAN im Reisekleid, langer dunkler Oberrock, breitkrämpigen Hut, alles mehr städtisch als früher. Aber ich will nicht warten, hab's eilig!

ROSE starrt athemlos nach ihm, laut aufschreiend. Er ist's! Bastian! Bastian! Mein lieber alter Freund! Streckt ihm beide Hände entgegen. Du bist's! Kommst von daheim! O Gott grüße Dich, alte treue Seele!

BASTIAN an allen Gliedern zitternd, staunt sie, wie träumend an. Das – das – die Rosel? Du? – Sie? – Ja – ja – das sind die frommen Augen –[26] das ist das liebe Gesicht! Aus alle dem Staat und Plunder kenn' ich's heraus! Es ist unser Kind Faßt ihre beiden Hände. das ich viel tausendmal grüßen soll, auf das sie daheim mit Schmerzen warten, und das ich zu holen komme!

ROSE. Du sollst mich holen? und morgen früh will ich ja heim!

BASTIAN. Was, Du gehst freiwillig? So hast Du den Brief doch kriegt?

ROSE. Ich weiß von keinem Brief, Bastian! Vor kaum einer Stunde erst erfuhr ich, daß die Dorothee Hochzeit hat – und daß der Vater mich verlangt.

BASTIAN. Ja, der Vater – aber erst das arme Dorle! Die hat's gewußt, daß Du den Brief nicht kriegt hast, daß Du sonst schon lange daheim wärst! Er zieht eine alte große Brieftasche hervor und nimmt ein versiegeltes Couvert heraus. Und das da hat sie mir für Dich geben, und hat gesagt: da steh' Alles drin was Dir nöthig, und wenn Dein Herz hier mit Ketten angehängt wär', wenn Du das gelesen habst, so kämst Du doch heim.

ROSE nimmt den Brief und steckt ihn zu sich.

ADOLPH in finsterer verhaltener Wuth. Es bedarf des Briefes nicht Alter, Fräulein Rose ist mit keiner Kette hier gefesselt, die sie nicht so leicht zerrisse wie Spinngewebe! was auch darüber bricht – sie wird bei dem Hochzeitstanz sicher nicht fehlen.

BASTIAN trotzig, Adolph finster messend. Das wird sie auch nicht, so Gott will! Die Rosel wird ihren Landsleuten keinen Tanz weigern, wenn sie schon nicht mit Glacé handschuhen umspringen, wie die Pariser Herrn – das weiß ich gewiß!

ROSE plötzlich wie umgewandelt, fast schaudernd. Nein Bastian, nein! Das soll Keiner von mir fodern! Ich werde bei der Hochzeit sein, werde die Dorothee mit der Brautkrone schmücken, aber im Tanz soll mich Keiner mehr schwenken, Mit einem schmerzlichen Blick auf Adolph. im Arm soll mich Keiner mehr halten Bastian, damit – ist's vorbei Bricht in Thränen aus. für immer!

BASTIAN faltet entsetzt die Hände. Dann sei uns Gott gnädig! Du weinst daß es heim geht? Rosel! Du bist nicht mehr unser!

ROSE mit Leidenschaft. Wär' ich's nicht mehr, so gingst Du ohne mich fort. Habe ich mich meiner Pflicht geweigert, bin ich nicht bereit Dir zu folgen? Und bist Du so alt geworden, hast Welt und Menschen gesehen, und weißt nicht: daß sich in drei langen Jahren voll Glück und Liebe – gar viele, viele unsichtbare Fäden an ein junges Herz knüpfen, die sich nicht in einer Minute los reißen lassen – ohne daß das Herz in Stücke geht?

LEBLANC wo er abging, tritt rasch bleich und aufgeregt, schon während Roses Rede ein und bleibt im Hintergrund stehen.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 26-27.
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