Dritte Scene

[42] Vorige. Rose.


VEIT mit strahlendem Gesicht, plötzlich ganz Freundlichkeit. Na, kommst auch einmal wieder herunter aus deinem Bau, Du Eidechsle? Wo warst denn?

ROSE in einem einfachen, aber eleganten weißen Kleid, einen Strauß Kornblumen vor der Brust, einen Strohhut in der Hand, ihr ganzes Wesen ist ernst, aber ohne alle Sentimentalität, sie ist ruhig und ergeben; freundlich. Auf dem Kornfeld hinter dem Baumgut. Es wurde mir oben zu heiß, mußte einen frischen Athemzug thun. Zu Gertrude, ihr die Hand reichend. Die Mutter habe ich heute noch gar nicht gesehen. Guten Tag, Mutter!

GERTRUD. Schön Dank! Hab' viel Arbeit Kind, kann mit dem Frühbrod nicht warten bis Du aufstehst.

ROSE lächelnd. Ich schäme mich, aber ich kann mir das Schlafen in den Morgen hinein noch gar nicht abgewöhnen. –

VEIT. Sollst's auch nicht, Rose; der Schlaf ist Dir nöthig, sagt der Doctor – für Deine Nerven. Gelt?

GERTRUD. Ich mein', für die Nerven wär's Dir besser, Du thätst nicht nach dem Mond gucken bis nach Mitternacht, sondern gingst früher in's Bett.[42]

ROSE hat den Hut abgelegt. Ja seht, das gewöhnt sich so in Paris; dort kann man nicht so früh schlafen gehen. Habt Geduld, Mutter, ich lege gewiß noch Alles ab was Euch hier stört.

VEIT der immer ängstlich mit sich kämpfend, zuhörte. Das braucht's gar nicht! Wie lang wirst denn noch bei uns sitzen? Zu Baden drüben kannst ganz leben wie es Dir gefällt. Dem Theobald sein Haus ist ein vornehmes; Table d'hôte um Eins, und um Fünfe, und Kellner, ein Heer, und Kutsch und Pferd! und –

ROSE als hörte sie nicht, zu Gertrud. Mutter, ich habe eine Bitte. Der Vater erlaubt's schon wenn Ihr nichts dagegen habt.

GERTRUD. Na – wenn's was Mögliches ist, werd' ich Dir's doch nicht abschlagen?

ROSE. Uebermorgen ist der zwanzigste Mai, Mit leisem Beben. das ist mir ein heiliger Erinnerungstag – ich habe mich, als ich in Paris so krank lag, verlobt zu der Mutter Gottes in Einsiedel: wenn ich den Tag Legt die Hand auf das Herz. gesund und in der Heimath erlebe – ihr ein silbernes Herz zu opfern. Laßt mich dann übermorgen nach Einsiedel fahren.

GERTRUD. Weißt Du denn nicht, daß den Zwanzigsten eine große Hochzeit im Haus abgehalten wird? Dem Dorle wird das Herz so schwer sein wie Stein – und da willst Du sie allein lassen?


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Gesammelte dramatische Werke, Band 10, Leipzig 1863, S. 42-43.
Lizenz:
Kategorien: