Achte Scene

[15] Guttenberg, gleich darauf Bertha.


GUTTENBERG sieht ihm kummervoll nach. Auch er verloren! Er war ein guter Mensch – aber schwach! – Wie[15] konnte ich auch bei solchen Köpfen Ausdauer, Ernst und Mannesstärke suchen! – Bertha kommt. Ah, da ist meine Hausfrau! Mein herzliebes Weib, wie verlangt mich's, an Deiner Brust alle trüben Gedanken zu vergessen!


Bertha, bleich, und mit großer Ueberwindung, macht eine abwehrende Bewegung.


GUTTENBERG sieht sie staunend an. Bertha, wie bist Du? Bleich, verweint, stumm? – Ach, liebes Weib, Dich drücken schwere Sorgen!


Bertha verhüllt das Gesicht und bricht in Thränen aus.


GUTTENBERG trübe. Ja, ja – Du leidest viel durch mich! – Es fängt die Dürftigkeit an, Dich zu bedrängen, mit Mühe nur erhältst Du Dein Ansehen als Edelfrau vor den Augen der Welt, Dein bestes Gewand trägst Du heute und jeden Tag! – Das kümmert mich schwer – aber Gott weiß es, ich kann nicht anders! Sei getrost, theures Weib, es wird bald anders werden; bald sollst Du wieder in dem Reichthum leben, der Deine frohe Jugend umgab; goldene Ketten und Spangen, Atlas und Sammet wird sich finden zum Schmuck für mein Lieb, Du wirst –

BERTHA. Halt ein, Johannes – nicht nach Ketten, und Spangen, nicht nach Atlas und Seide steht mein Sinn, nicht die Dürftigkeit, die uns drückt, belastet mein Herz; ich bin bereit jedes Loos mit Dir zu theilen, das ein frommes Weib mit dem Manne theilen darf, dem es vor Gottes Altar Treue schwur bis zum Tod! Ach – andere Lasten ruhen auf meiner Brust! – Johannes – Johannes – gieb mir Wahrheit. Rede, sprich – was treibst Du dort in jener finstern Kammer, welche Gemeinschaft ist's, die Dich aus dem heitern Leben jagt, die Dich festhält Tag und Nacht in jenem unheimlichen Raum? dieses Räthsel löse mir, soll ich ferner leben – –

GUTTENBERG. Bertha, Bertha, was ist mit Dir geschehen? –

BERTHA. Steh mir Rede, Guttenberg, es gilt meines[16] Lebens Heil, es gilt meine und Deine Seligkeit – ich fordere Antwort von Dir! – Ich war lange verblendet; arglos und vertrauend forschte ich nie nach Deinem Treiben – doch Gott sandte mir den Warner! Johannes, was stehst Du bleich und starrst mich bebend an; spricht das Gewissen also laut in Dir?

GUTTENBERG. Großer Gott! muß ich nicht erbleichen ob dem schrecklichen Licht, das meine Seele durchblitzt? Bertha – sie haben mir Dein Herz geraubt, sie haben mich um mein Letztes betrogen! –

BERTHA. Mein Herz! Weich und bebend. O daß sie's könnten, daß sie die Liebe zu Dir mir aus der Brust reißen könnten, wie meine Ruhe, wie meine ganze Glückseligkeit! – Ach, dies Gefühl rüttelt ja an den Grundfesten meines Daseins! Der Mann, der mir Alles ist, ich sehe ihn verloren, verloren für mich, für Zeit und Ewigkeit! Guttenberg, kehre um von Deiner finstern Bahn, sie führt zum Abgrund! Rette Deine Seele, weil's noch Zeit ist! Wende Dich von dem Versucher – Sie stürzt vor ihm nieder. erbarme Dich über Dich und mich! –

GUTTENBERG will sie aufheben. Komm zu Dir selbst, Bertha –

BERTHA fährt entsetzt empor. Berühre mich nicht, ehe Du aus dem höllischen Bund tratest, Schwarzkünstler – Verlorener!

GUTTENBERG tritt entsetzt zurück, schlägt beide Hände vor's Gesicht und sinkt in einen Stuhl. Großer Gott! Pause.

GUTTENBERG. Dahin also ist's gekommen! So weit haben sie Dich gebracht, verblendetes Weib, daß Du den Mann, der Dich liebt wie seine Seele, für einen Verruchten, für einen hältst, der sich von Gott gewendet! – O, ich habe Vieles schon erduldet um meine Kunst, aber das schneidet mir in's Leben!

BERTHA bebend, im innern Kampfe. So laß von dieser schwarzen Kunst – werde wieder, was Du mir warst, ein[17] treuer, liebevoller Mann; strebe nicht nach eitlem Ruhm, nach sündigem Gewinn – kehre um –

GUTTENBERG springt auf, glühend in edlem Zorn. Nicht Ruhm, nicht Gewinn – der innere Gott, die Macht des Geistes treibt mich zu dem Werk, das ich berufen bin zu schaffen, und Keiner noch ist der Gewalt im Herzen seines Herzens entflohen!

BERTHA. Wehe mir – es ist ein böser Geist, der Dich treibt, er führt Dich zum ewigen Verderben – Sie eilt an den Tisch und nimmt die Blätter auf. Da, da, was ist dies, woher diese Blätter, eines wie das andere – Menschenhände fertigten das nicht, das ist ein Werk des Satans!

GUTTENBERG. Des Satans Werk ist Deine Verblendung, thörigtes Weib, das keine Ahnung hat von dem Riesenwerk, das allgewaltig sich in meinem Kopf gestaltet! – Er hebt die Blätter hoch empor. Das Ergebniß jahrelangen Sinnens, unermüdeten Fleißes, endloser Ausgaben, ich halte es hier in meiner Hand – es ist wenig, ist Kinderspiel gegen das, was ich schaffen will und muß – und dennoch ist's der Triumph des menschlichen Geistes! – Sieh Weib, daß Du das glauben kannst, daß Du an Satanswerke denkst, daß sich Dein Herz in abergläubischem Wahne von dem Manne Deiner Wahl wenden mag, es ist die Frucht, die reift in der Nacht, die noch die Menschheit deckt, die bleiern die Häupter gefangen hält in dichtem Dunkel! Begeistert. Ich will sie lichten diese Nacht, ich will sie herauf beschwören die Sonne, die leuchtend empor steigen soll über dem Erdball, die Schatten zerstreuend, Licht, Leben, Freiheit bringend! – Ich will das Wort lebendig machen, daß über den ganzen Erdball hin geflügelt, vertausendfacht die Wahrheit ziehe; daß sie dem Irrgläubigen den Tag der Vernunft, dem Betrübten Trost und Hoffnung, dem Unwissenden Belehrung und Erkenntniß bringe! – Ich will die Menschheit lösen aus den Banden der Dummheit, des Aberwitzes, von dem Druck heillosen Pfaffenzwangs. Der Ruhm soll nicht mehr sterben, das Wissen soll nicht mehr[18] modern in staubigen Pergamenten, gehütet von argwöhnischen Mönchsblicken! Die Menschheit soll endlich ihren Erlöser schauen wie er war – Gottes Wort, die heilige Bibel, soll über die Erde wandern, Jedem verständlich, Jedem zum Heil. – Die Kunst des Buchdrucks ist's, der ich mein Da sein weihete, und ist dieser Gedanke eine Ausgeburt des Satans? nun denn – so ist er wahr und wahrhaftig ein gefallener Engel, mag selbst im ew'gen Pfuhl die göttliche Abstammung nicht verläugnen, und ich lasse nicht von meiner Eingebung, käme sie auch von ihm!

BERTHA entsetzt. Großer Gott – er lästert, er ist wahnsinnig! Genug – genug! – Ich kann, ich will Dich nicht länger hören! Der Versucher spricht aus Deinen Worten; trat er doch selbst zu dem Erlöser des Menschengeschlechtes – wie soll ich armes Weib ihm länger trotzen! – Guttenberg – Du kehrst nicht um von Deiner Bahn?

GUTTENBERG. Im Tode nur laß ich von meinem Werke ab!

BERTHA hält sich krampfhaft an einem Stuhl fest. So gehe hin, Verlorener! Suche im Weltruhm Ersatz für die verscherzte Seligkeit! Verblendeter! glaubst Du, wenn dieses Werk des Herrn Wille gewesen, wenn er sein heiliges Wort vertausendfacht Preis geben wollte sündigen Augen, er hätte Deiner bedurft, es zu verbreiten, er hätte nicht längst einen Geist für seine Absicht erweckt? Doch Du bist verloren – was erschüttere ich die Luft mit Seufzern und Bitten! Lebe wohl, Johannes Guttenberg, unsere Lebenswege gehen auseinander – ich kann Dir fürder nicht mehr sein, was ich Dir war – Du selbst hast meinen Schwur gelöst!

GUTTENBERG erstarrend. Bertha – Du – Du wolltest – Du könntest von mir scheiden?

BERTHA legt beide Hände auf die Brust. So wahr ich hoffe, daß Gott mir meine Gemeinschaft mit Dir vergebe! –

GUTTENBERG. O Herr, Du prüfst mich schwer!

BERTHA kaum hörbar. Kehre um! –[19]

GUTTENBERG sich ermannend. Nimmermehr!

BERTHA. So lebe wohl, für ewig! – In Thränen ausbrechend. für ewig! ach! ich werde Dich auch dort nicht wiederfinden. Sie wankt mit verhülltem Gesichte ab.

GUTTENBERG steht wie betäubt, als könne er nicht glauben, was er gehört. Sie geht – wahr und wahrhaftig, ich habe sie verloren! Er schlägt die Hände vor die Augen, und steht so eine Weile sprachlos. Hinweg mit dir, weichlicher Schmerz, was rüttelst du an den Fugen meines Lebens! – Sich ermannend. Wir sind getrennt auf immer! Ihr Name trete von nun an nie mehr über meine Lippen! Er zieht eine Börse aus dem Busen und legt sie auf den Tisch. Das ist mein Letztes, doch sie soll nicht hungern! Fahre hin, Verblendete! Du bist mir gestorben – wehe mir, und ich kann Dich nicht einmal beweinen! O deckte Dich das Grab, Du lebtest mir doch! nun bist Du todt! Pause. Ich stehe allein, verlassen – gelästert – doch in mir lebt der Muth, der heilige Glaube, daß ich vollbringen werde mit Gott, was ich mit Gott begonnen! Du öffnest mir die Arme, ernste Trösterin – Wissenschaft; du ziehst mich an die keusche Brust, du mütterliche Kunst! Dorthin, wo der Gedanke zuerst vor meine Seele trat, ins Vaterland will ich mich flüchten! rasch vorwärts denn auf meiner dornenvollen Bahn, ich streite ja für Geisteslicht und Freiheit! Dies hehre Ziel, ich will's erreichen, und stünd' es mir am Rande des eig'nen Grabes! Ab.


Der Vorhang fällt.
[20]


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 15-21.
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