Sechste Scene

[94] Vorige. Günther von Nollingen. Vier Bewaffnete.


NOLLINGEN. Im Namen des Kaisers – Ihr seid mein Gefangener.

SONNENBERG tritt vor. Ich? – Ihr träumt wohl, Günther von Nollingen?

NOLLINGEN. Ich träume nicht, aber Ihr träumtet, als Ihr keck Eure Verrätherei spannet unter den Augen des Kaisers, und wähnen konntet, unentdeckt zu bleiben. – Ergreift ihn!


Die Bewaffneten umringen den Junker, der das Schwert zog, und drängen ihn auf die entgegengesetzte Seite, so, daß Nollingen allein in der Nähe der Rasenbank steht, welcher er jedoch den Rücken wendet.


SONNENBERG. Der ist des Todes, der sich naht! Wie, Du Hochverräther,[94] Du wagst es, mich des Verbrechens zu zeihen, das Du begingst? Beim Himmel! das krönet Deine Thaten.

NOLLINGEN. Entwaffnet den Frechen! Der Junker wird entwaffnet, dann ihm näher tretend halb höhnisch, halb ängstlich. So ist also jenes wichtige Dokument in Deinen Händen? Du stahlst es, gib es heraus.

SONNENBERG. Das Dokument? Ich hab' es nicht!

NOLLINGEN. So früh schon solltet Ihr es untergebracht haben? Das macht einem Andern glauben. Er tritt auf ihn zu, reißt ihm das Kollet auf, der Junker fährt bestürzt zurück, und schlägt die Hände wie abwehrend vor die Brust. Nichts!

RÖSEL welche während der ganzen Scene lauschend den Kopf hinter dem Piedestal hervorstreckte, greift bei den letzten Worten hastig nach dem Barett, stößt es leise herab, faßt die Pergamente, und verbirgt sich rasch wieder hinter dem Piedestal. Dieß Alles muß so geschehen, daß das Publikum sieht, was vorgeht, und die Aufmerksamkeit der Spielenden ausschließend auf den Junker gerichtet scheint.

SONNENBERG halb staunend, halb freudig. Nichts, wahrhaftig nichts! – Sieht mit einem[95] Blicke Röschens Thun, und sagt, ohne wieder hin zu blicken. Das Dokument ist in guter Hand!

NOLLINGEN. Führt ihn zum Kerker; es werden sich wohl Mittel finden, Euch das Wort des Räthsels zu entpressen.

SONNENBERG im Abgehen. O ja, ich weiß es, daß dem Ritter von Nollingen solche Mittel gar wohl bekannt, und er sehr flink ist, sie zu gebrauchen, doch – macht Euch darauf keine Hoffnung. Ihr habt schon einmal die Erfahrung gemacht, wie fester Sinn durch zwei Foltergrade trotzen, und dann noch dem Feinde entrinnen kann – hofft bei dem Sohne des Reichsmarschalks Ludwig von Sonnenberg so festen Muth zu finden, als bei irgend einem armen Arzte des ganzen römischen Reichs.


Ab mit den Bewaffneten.


NOLLINGEN. Was war das? Ist er mit dem Satan im Bunde? Sollte er auch um die Geschichte wissen? Er hat die Dokumente – kein Zweifel mehr; ich muß entdecken, wo er sie verbarg; nie darf der Kaiser sie erblicken. Doch – wie diesen Trotz beugen? Wie immer auch – es gilt das Höchste! Nollingen, dein Leben steht auf dem Spiele. Dießmal schone nichts. Er folgt den Abgegangenen.[96]


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 94-97.
Lizenz:
Kategorien: