Fünfte Scene

[10] Emma. Gustav.


GUSTAV sehr elegant und doch spießbürgerlich dabei. Bon jour, ma beau! Sie entschuldigen, ich habe geklopft, Sie werden haben bemerkt! –

EMMA sehr verlegen, aber doch schnippisch. O – ja – ich – ich hörte so etwas – aber »Herein!« habe ich nicht gesagt.

GUSTAV. Sie entschuldigen, ich habe geglaubt zu hören so etwas! Aber das ist mir tout m'egal; ich wünsche zu sprechen Ihren Herrn Vater – raizende Knospe!

EMMA sieht ihn groß an. Was? Wie? Knospe?

GUSTAV ihr näher tretend, küßt ihr sehr galant die Hand. Raizende Knospe, ja, so sagte ich! Rosenknospe!

EMMA zieht rasch die Hand fort und wischt sie verstohlen an der Schürze ab. I Gott bewahre – was wollen Sie?

GUSTAV. Ihren Herrn Vater wünschte ich – wie ich zu sagen beliebte –

EMMA. Aber mein Vater ist ja seit drei Jahren todt.

GUSTAV verblüfft. Wirklich? Aber der Herr Portier hier – –

EMMA. Ah – den suchen Sie? Das ist Vaters Bruder, der mußte den alten Herrn Geheimerath, dem das Haus gehört, begleiten, als er auf's Gut flüchtete; Onkels Sohn, der Fritze, ist jetzt Portier, bis er wieder kommt, und Mutter beaufsichtigt den bösen Jungen; das ist Alles, was wir damit zu thun haben!

GUSTAV. Ist mir tout m'egal; Sie, Kleine, werden mir auch Auskunft geben können!

EMMA für sich. Kleine? Der ist 'mal beleidigend![10]

GUSTAV für sich. Wie sie rümpft das Näschen! Raizend, uf meiner Ehr', ich wollt', ich war mein Prinzipal, ich klopfte hier an, statt bei die Bell-Etage. Laut. Ich habe gehört, hier sei zu vermiethen der erste Stock.

EMMA. Davon weiß ich nichts.

GUSTAV. Sie wissen nichts? Egal! Sie wohnen hier doch so nah an der Thür, Sie kennen doch alle Personen, die hier gehen aus oder ein. Ihr näher tretend, schlau. Sagen Sie, was halten Sie von dem gewissen Baron Gleisenburg, der soll so oft machen die Visite in der Bell-Etage bei die gnädige Frau von Schönhelm? Is er jung? is er schön? is er gefährlich?

EMMA für sich. Ei, sieh einmal! Laut. Ich kenne ihn nicht!

GUSTAV verblüfft. Was? Ach, kleiner Schelm! Aber die gnädige Frau kennen Sie?

EMMA. O ja, die kenne ich, ich komme oft hinauf!

GUSTAV rasch. Nun, was sagen Sie von der? – Ist's wahr, daß sie hat geerbt so viel Geld von ihrem alten Mann, der gestorben ist voriges Jahr?

EMMA. Das weiß ich nicht, aber daß sie schön, seelengut, wohlthätig und brav ist, das weiß ich!

GUSTAV. Wirklich? Na, was glauben Sie, sollte können ein junger feiner Mann von schönsten Manieren mit sechstausend Thaler Renten bekommen einen Korb, wenn er trägt seine Hand an?

EMMA ihn von der Seite ansehend. Der junge Mann sind Sie wohl nicht?

GUSTAV. Und wenn's nun wäre mein Prinzipal?

EMMA kurz. So soll er sie selbst fragen, ich weiß es nicht![11]

GUSTAV. Sie wollen nicht sagen die Wahrheit – und Sie wissen nicht, welcher Lohn Sie erwartet, wenn Sie gestehen, ob es ist wahr, daß sich die gnädige Frau von Schönhelm hat verliebt in den gewissen Baron Gleisenburg, was meinem Prinzipal hat gestern versichert ein guter Freund von ihm auf der Börse.

EMMA spöttisch. Welcher Lohn erwartet mich dann?

GUSTAV süß. Mein Herz, das ich mich könnte vielleicht entschließen, zu legen zu Ihren schönen Füßen –

EMMA. Ha, ha, ha! da wäre es ganz am Platze.

GUSTAV Und ein paar schwere gold'ne Ohrbommeln, vor zu erhöhen Ihre Raize, holde Blüthe! Er will sie an sich ziehen.

EMMA fährt rasch nach links hinüber. Na, nu ist's genug! Nun gehen Sie geschwind Ihrer Wege, ehe meine Mutter zurück kommt – die möchte Ihnen nicht so sanft die Thüre weisen wie ich!

GUSTAV. Wo so? Hab' ich Ihnen nicht gemacht die schönsten Anträge? Er tritt ihr näher. und soll jetzt fortgehen ohne einen Kuß von diesen zarten Lippen?

EMMA hinter dem Tisch. Nehmen Sie sich vor meinen zarten Fingern in Acht, ich verstehe keinen Spaß! Es klingelt heftig zwei Mal nach einander. Ha, das ist er!

GUSTAV sehr verblüfft. Wer – er? Hätte die auch schon einen »Er«? das wäre der Teufel!

EMMA für sich. Ach, wenn er's lieber nicht wäre, sonst giebt's gewiß Spektakel.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 10-12.
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