Sechste Scene

[65] Krabbe. Eweline.


KRABBE in einem grünen Frack mit langen Schößen und großen Messingknöpfen, hellen Beinkleidern, mit Kappenstiefeln, schiebt sich in großer Verlegenheit zur Thür herein und bleibt, den Hut in der Hand drehend, im Hintergrund stehen. Bitte ganz gehorsamst um Entschuldigung – daß ich – obschon ich die Ehre habe von Ihnen nicht gekannt zu sein – und zu so später Abendstunde – jedoch – obschon – Mit einem tiefen Athemzug. ja!

EWELINE ein Lächeln unterdrückend, verbindlich. Sie sind entschuldigt durch die Wichtigkeit des Auftrags, den Sie, wie Sie versichern, von dem Herrn Baron von Gleisenburg – Sie stockt.

KRABBE näher kommend, sichtlich erfreut, einen Faden zu finden. Ja, ja, ganz recht, von dem, oder – wenn es erlaubt wäre zu bemerken, nicht eigentlich von – sondern wegen

EWELINE sieht ihn groß an. Ich verstehe Sie nicht![65]

KRABBE schmunzelnd. Wird sich schon machen; bitte nur um eine ganz kleine Geduld – denn sehen Sie, ich bin zwar ein Mann, der vielfach mit dem schönen Geschlecht in Berührung kommt, denn ich bin der erste Droguist zu Glognitz, habe auch zu Weihnachten Pfefferkuchen und Lichte, wonach Sie sich wohl vorstellen können, daß ich fleißig mit dem andern Geschlechte verkehre – sintemalen dieses jedoch in überwiegender Mehrzahl von Köchinnen, Kindern und alten Weibern repräsentirt wird, so ist man denn doch ein Weniges genirt, mit einer so schönen Dame wie Sie, die Einem gleichsam beim ersten Anblick vor lauter Glanz die Augen verblendet! Für sich. Na, das war doch wohl schön gesagt!

EWELINE lächelt, geschmeichelt. Ei, ich sehe, daß man in der Provinz so galant sein kann wie in Berlin!

KRABBE rasch. O, noch viel galanter, denn hier sagen's die Leute bloß, dort aber meinen sie's – und ich kann Sie versichern, Sie schmachtend anblinzelnd. daß Sie eine Staats-Frauensperson sind und über die Maßen hübsch anzusehen.

EWELINE deutet auf's Sopha. Bitte, wollen Sie nicht Platz nehmen? Für sich. Drolliger alter Kauz, aber gar nicht unangenehm! Setzt sich auf's Sopha und deutet auf einen Stuhl neben sich.

KRABBE sich sehr geziert nähernd. Danke gehorsamst! Werde so frei sein! Für sich, indem er sich auf eine Kante des Stuhls setzt, den Hut auf den Boden zwischen die Beine stellend. Herr Gott, hat die ein Paar Augen im Kopfe, die könnte meiner Alten gefährlich werden!

EWELINE verlegen werdend. Aber Herr Krabbe – darf ich jetzt nicht um Ihr Anliegen bitten?

KRABBE tief seufzend. Ja, das Anliegen! Ich will kurz sein; – sehen Sie, ich habe einen Sohn –

EWELINE. Ich weiß!

KRABBE. Sie wissen? Ah so, gewiß von dem Baron von Gleisenburg –[66]

EWELINE. Richtig; die jungen Leute sind Freunde!

KRABBE wie oben. Ja, leider Gott!

EWELINE. Leider? Wenn Ihr Sohn so brav ist wie sein Freund, so sind Sie zu beneiden.

KRABBE verblüfft. Wie der? Wie der junge Baron? O ja, so brav ist er freilich; aber Gott bewahre jeden ordentlichen Vater vor solchen tollen Burschen, die machen ja Streiche – »Freiheit«, »Gleichgültigkeit«, »Holstein-stammverwandt!«

EWELINE lachend. Ach ja so, so meinen Sie das? Das ist ja aber ganz allerliebst, junge Leute müssen für etwas schwärmen!

KRABBE. Einverstanden, aber die Zwei schwärmen nicht für etwas, die schwärmen für gar Manches! So hat mein Sohn hier im Hause eine Schwärmerei –

EWELINE ihn unterbrechend. Ach ja, davon habe ich heute gehört! Er liebt die kleine Emma hier unten, und daran thut er sehr wohl, das Mädchen ist grundbrav. Sie könnten den jungen Tollkopf nicht leichter zur Vernunft bringen, als wenn Sie ihm ernste Pflichten auferlegten.

KRABBE. Hm, so? Das meint der alte Herr Baron auch; er wollte meinen Julius geschwind unter den Pantoffel bringen, damit seinem Sohn die Lust, nach Holstein zu laufen, vergehe, denn die Zwei lassen nicht von einander; wenn der Eine heirathet, geht der Andere nicht allein, folglich – –

EWELINE rasch, sehr beunruhigt. Der junge Baron will nach Holstein?

KRABBE. Freilich, ich meinte aber, Ihr näher tretend. derselbe Zweck würde ja erreicht, wenn der Baron heirathete.

EWELINE lauernd. Das wird er gewiß nicht wollen?[67]

KRABBE pfiffig. Das kommt wohl nur auf Sie an!

EWELINE. Auf mich?

KRABBE wie oben. I freilich! der Baron Julius ist ja bis über die Ohren in Sie verliebt!


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Vatersorgen. Berlin 1849, S. 65-68.
Lizenz:
Kategorien: