§ 10. Burgen und Städte.

[24] Aus schwäbischem Blute ist das schwäbische Kaiserhaus hervorgegangen, auf der Veitsburg bei Ravensburg der rothbärtige Friederich geboren, der einst wieder kommen soll, um die Wiedergeburt Deutschlands zu feiern; die Zeit dieses Kaisers umfaßt alle Blüthe des hl. römischen Reiches deutscher Nation, an dem Namen Hohenstaufen hat sich alle Romantik emporgewunden. Aber während dieses Geschlecht mit dem Tode Konrads des Jungen ein blutiges Ende nahm, auf wälschem Boden, dem sie von jeher den Vorzug gegeben vor germanischer Erde, stiegen aus alamannischen Gauen zwei neue Herrschergeschlechter hervor, welche von kleinen Anfängen den Ausgang nehmend, zu gewaltigen Gliedern des europäischen Staatenleibes erwuchsen. Das Haus Habsburg, den Deutschen dreimal zum Retter geworden, hat seine Wiege in der alamannischen Schweiz, das preußische Königshaus nennt den Hohenzollern seine Stammburg. Noch nicht genug. Schwäbische Welfen sitzen auf den Thronen von England und Hannover. Wäre der Schwabe nicht vor Allen berechtiget, auf seinen Namen stolz zu sein, wenn er nach den Burgen Habsburg und Hohenzollern, nach dem Hohenstaufen, nach Altdorf und Weingarten seine Blicke wendet?

Aber noch gar manche Burg stand auf schwäbischem Boden oder schaut jetzt traurig in Trümmern auf die lachende Landschaft hinaus, die sie einst beherrschte. Ihre Geschlechter deckt die Erde, darum starben auch sie ihnen nach. Mit ihnen ist[24] die Erinnerung an gar vieles Leid, an so wenig Freude, wie es denn nicht anders nach Ordnung des Menschenlebens gesetzt ist, dahingeschwunden und manche reckenkühne That, manch schwerer Sieg über das arme Menschenherz, werth des Gedächtnisses, findet keinen erzählenden Mund mehr. Geisterhaft umweht und träumend versenkt sich der Wanderer, der auf solcher Stätte steht, in jene Zeiten hinein, die ihn so wehmüthig anheimeln, und den stille gewordenen begleitet der ernste Gedanke von dannen, daß alle menschliche Herrlichkeit von heute.

Früher als die Klöster, so die Burgherrn gegründet, sind die Burgen zusammengebrochen. Doch folgten auch jene ihnen nach. Wo edle Ritter und schöne Frauen aus- und einzogen, wo fromme Mönche und Nonnen mitternächtiges Gebet für die Welt draußen zum Himmel emporsendeten, da ertönt nun das Hämmern und Schwirren der Fabriken, der Lärm der Kaserne, da seufzt in Reue der Züchtling. Doch nicht Arbeiter, nicht Landmann noch Bürger wünscht jene Zeit zurück, wo Viele einem Einzelnen mit Gut und Leib und Leben dienstbar waren. Denn was er heute erwirbt, darf er getrost sein Eigen nennen und dasselbe Recht schützt ihn nach Oben wie gegen seines Gleichen.

Deutschland war einst mächtig zur See. Der Welthandel lag in der Hand seiner Bürger. Das machte die Städte reich und Reichthum gibt Macht, und diese will unbeengt sein. Daher strebten sie nach Reichsunmittelbarkeit.

Schwaben ist mit Städten bedeckt; sie wollten frei sein. Als die Schweiz die lästige Herrschaft abgeschüttelt hatte, wären sie ihr gar zu gern beigetreten. Zwei Jahrhunderte dauerte der Kampf gegen die Landesherren. Doch zählte Schwaben die meisten Reichsstädte in deutschen Landen, im vorigen Jahrhunderte noch deren dreißig, zumeist auf würtembergischem[25] und bayerischem Gebiete belegen. Augsburg, Straßburg, Ulm bildeten die weltberühmte Dreizahl ihrer Königinnen. Auch diese Herrlichkeit ist vorüber. Doch sie stehen noch, die Städte, die gar oft mit Burgen und Klöstern in Hader gerathen, während diese verkommen sind. Ja sie scheinen zum zweitenmale – Gott gebe, daß es nicht Herbst sei – zu blühen. Sollte auch für sie eine Zeit kommen, wo es heißt: sie waren?

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XXIV24-XXVI26.
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