Fünfter Akt.

[54] Conventsaal. In der Mitte im Hintergrund eine offene Thüre, vor welcher ein Posten patroullirt. – Die Bühne stellt rechts die Gallerie-Tribüne des Conventsaals dar, zu welcher man ganz rechts einen Treppenabsatz aus dem Conventssaal hinanführen sieht. Die Gallerie ist mit Säulen abgetheilt. In der Mitte eine kleine halbvergitterte Loge mit dem Wappen der Republik. In der Loge Josefine und Madame Tallien. – Auf der linken Seite der Bühne sieht man die erste Reihe des Conventssaals. Davor eine breite Schranke, hinter welcher, Tisch und Stuhl des Präsidenten, in der Mitte der Bühne. Beim Aufgehen des Vorhanges sieht man Barras auf dem Präsidentenstuhl in nachdenklicher Stellung. Daneben Carnot, Papiere in der Hand, eifrig lesend. – Auf der wenig besetzten ersten Reihe des Eonvents sieht man Talleyrand. – An der Schranke Junot vorn links mit zwei Grenadieren als Wachthabender. – Auf der Gallerie nur wenige Personen. Von links her, wo der Convent zu denken ist und von woher die Stimmen in der Debatte laut werden, monotones Gemurmel wie von halblaut Durcheinanderredenden.


BARRAS zu Carnot. Noch nichts?

CARNOT zuckt die Achseln. Die Sache muß längst entschieden sein!

BARRAS winkt Junot. Bringen Sie uns Kunde! Junot durch die Mittelthür im Hintergrund ab. Also die heutige Geschäftsordnung ...


Gemurmel links im Convent. – Von rechts auf der Gallerie erscheint Bonaparte, wie etwas suchend. Erblickt Josefine und verbirgt sich halb hinter einer Säule. Die Gallerie füllt sich allmählich mit Leuten, darunter später auch Talma.


DUROC erscheint rechts auf der Gallerie, stößt an Bonaparte. Du auch hier? Die Empörer ...

BONAPARTE halblaut. Ständ' ich an ihrer Spitze! Wie wollt' ich die Seifensieder wegblasen! Der Rest liefe noch nach Jahren![55]

DUROC. Aber ... der Fahneneid!

BONAPARTE. Ich bin nicht wählerisch. Convent oder Volk, mir gleich! Beiden in die Rippen fuchteln!


Hinter der Scene dumpfe Kanonenschläge. Junot tritt hastig auf durch die offene Mittelthür.


JUNOT. Adjutant Murat verlangt stürmisch Einlaß.

BARRAS. Ah, der kommt aus dem Gefecht. Der bringt Nachricht. Sofort herein! Pause.

MURAT erscheint durch die offene Mittelthür. Er ist ohne Czako, athemlos.

BARRAS. Sie sind athemlos. Fassen Sie sich!

TALLEYRAND'S STIMME. Sie sind der Adjutant des Kommandanten?

MURAT losbrechend. Der Teufel sei sein Adjutant ... ich nicht.

RUFE. Was geht denn vor?

MURAT. Verrätherei und Felonie!


Große Bewegung hinter der Scene.


BARRAS. Ruhe! Hören wir ihn. Reden Sie!

MURAT. Auf der großen Straße Vivienne Barrikaden und Kettensperrung! Na denk' ich: Gewehr rechts zur Attaque! Marsch, marsch! Reitet die Barikaden um! Ein guter Hieb haut jeden Knoten durch ... Bewahre! Menou nimmt Gewehr bei Fuß und unterhandelt. Hin- und Hergeschwätz! Waffenstillstand! Bewegung.

BARRAS. Schändlich! ... Aber diese Schüsse, die wir hörten ...

MURAT bitter lachend. Blinder Lärm! Friedliche Böller! Um unserm Rückzug einen Hohn nachzuschicken, schießen die Rebellen Victoria.

VIELE STIMMEN. Das Vaterland ist in Gefahr.

CARNOT erhebt sich. Ich beantrage sofortige Entsetzung.

BARRAS. Dekret! Ist's angenommen?

STIMMEN. Einstimmig.

TALLEYRAND'S STIMME. Man stelle den Elenden vor ein Kriegsgericht!

BARRAS. Murat, Sie haben sich um das Vaterland wohlverdient gemacht. Schaffen Sie uns jetzt Ihren General zur Stelle ... sofort, hier vor die Schranken des Hauses![56]

MURAT. Er folgt mir auf dem Fuß, um sich persönlich zu verantworten.

STIMMEN hinter der Scene. Einlaß für den Kommandanten. Bewegung.

BARRAS. Ruhe und Würde, meine Bürger! Empfanget ihn mit unheildrohendem Schweigen. Ruft. Man lasse ihn passiren.


Menou durch die offene Mittelthür. Der Posten präsentirt.


MENOU verwirrt. Hochweise Bürger des Convents, glaubet mir ...

EINE STIMME. Keine schönen Redensarten!

EINE ANDERE STIMME. Seht, Freunde! So sehen Verräther aus.

CARNOT. Sie haben unser Vertrauen mißbraucht.

MENOU. Ich protestire gegen Verdächtigung. O Bürger, die Aufrührer sind stark!

RUFE. Feigling!

MENOU würdevoll. Man kränke nicht meine soldatische Ehre!

MURAT höhnisch. Man rufe sein Streitroß!

MENOU. Bürgerkrieg ... ein schweres Wort! Das Blut der Mitbürger vergießen ... ach, das erweckt moralische Bedenken!


Gelächter.


BARRAS spöttisch. Wir ehren Ihr Zartgefühl. Sie sind abgesetzt, mein Bester.

TALLEYRAND'S STIMME. Man stelle ihn unter Bewachung. Man verklage ihn auf Leben und Tod. Er ist verdächtig.

VIELE STIMMEN. Er ist verdächtig.

MENON gebrochen. O Bürger, nein, verdächtig bin ich nicht.

CARNOT. Er sei also in Anklagezustand versetzt? Bejahungen und Beifall. Läutet. Lieutenant Junot, nehmen Sie den General bis auf Weiteres in Gewahrsam!

JUNOT. Im Namen der Republik! Ihren Degen, Bürger Menou.

MENOU ihn übergebend. Ich bin verloren. Er bleibt im Hintergrund an den Schranken, zwischen Junot und den zwei Grenadieren.

TALLEYRAND'S STIMME. Präsident, das Wort!

BARRAS. Bürger Talleyrand hat das Wort.

TALLEYRAND an die Schranken tretend. Liebe Brüder, wer ist der Würdige, der an seine Stelle tritt? Mögen die Konsuln[57] zusehn, daß der Staat nicht Schaden erleide! Vielleicht wird unser verehrter Kriegsminister ...

CARNOT ablehnend. Ich war nie aktiv.

TALLEYRAND. Ja, wen haben wir denn sonst noch? Etwa General Berruyer?

BARRAS. Der morsche Greis?

CARNOT. Unbrauchbar.

TALLEYRAND. Oder Carteaux?

CARNOT. Hat sich vor Toulon genug blamirt.

TALLEYRAND. Weiß denn Jemand sonst irgend Einen? Pause. Schweigen. Unsere Generale steh'n ja alle vor dem Feind. Heftiges Durcheinanderreden.

MURAT der bisher mit Junot plauderte, mit Zeichen der Ungeduld, entfernt sich hastig durch die Mittelthür.

TALLEYRAND. Wer bleibt uns denn also in dieser Gefahr?

BONAPARTE sich plötzlich erhebend und an die Brüstung tretend. Ich! Großer Tumult hinter der Scene. Ruf: »Wer, was?«

JOSEFINE auffahrend. Der Korse! Man hört die Glocke des Präsidenten.

BARRAS. Zur Ordnung! Ruhe! Wer hat da gerufen?

BONAPARTE aufrecht stehen bleibend. Ich, der General Bonaparte!


Hinter der Scene Rufe durcheinander: »Bonaparte?« »Wer ist das?« »Ein ganz obscurer Mensch!« Eine Stimme: »Kann man ihm vertrauen?«


BARRAS. Männer des Convents, ich bitte um Ruhe. ... Uns ist soeben ein Vorschlag gemacht. Prüfen wir ihn! Mir ist der Bonaparte bekannt. Er bekleidet den Grad eines Brigadegenerals von der Artillerie. Zu Carnot. Wenigstens ist der ungefährlich.

TALLEYRAND. Warum ist er nicht bei der Armee?

BARRAS. Hm. ja, wegen Vergehen gegen die Subordination.

STIMMEN. Man höre den Kriegsminister!

CARNOT. Wegen Ungehorsams und Widersetzlichkeit.


Das Durcheinander beginnt wieder.


TALLEYRAND. Schlechte Bürgschaft für ein Kommando.

CARNOT. Talleyrand hat Recht.

EINE STIMME. Man sehe ihn an! Der junge Mann sieht sehr unmilitärisch aus.

VIELE durcheinander. Gar kein Schneid, Unvortheilhafte Erscheinung![58]

MADAME TALLIEN. Ohne alle soldatische Grazie. Sieh' ihn Dir an, Josefine!

JOSEFINE mit eigener Betonung. Ja, ich sehe ihn mir an.

TALLEYRAND ruft. Wie ist's mit dem Ungehorsam?

BONAPARTE. O Bürger, ihr kennt mich nicht!

TALLEYRAND ironisch. Wir wollen Dich eben kennen lernen.

CARNOT. Ist nicht mal Franzose. Was kann aus Korsika Gutes kommen!

BONAPARTE geschickt einfallend. Ja, als Sohn jener freien Insel hab' ich mit der Muttermilch jene hehre Gesinnung eingesogen, die Euch, o Volksvertreter, beseelt!

STIMME. Hat einen guten Vortrag! Sitzt Metall in der Stimme.

ANDERER. Nur fehlt die oratorische Schulung.

CARNOT barsch. Das lernt man nicht im Feldlager. ... Nur weiter im Text!

BONAPARTE. Nehmt mein Leben, aber schenkt mir eure Achtung!

STIMMEN. Bravo! Ein unverdorbener junger Mensch!

BONAPARTE. In herber Dürftigkeit lebe ich meinen Studien. Nur Begeisterung für Freiheit und Menschheit lebt in meiner Seele. Ihr werdet in mir jene Entschlossenheit finden, welche mit Aufopferung des eigenen Ich's zu dienen weiß.


Pause. Dann lautes »Hört ihn!« »Bravo!« und Händeklatschen.


EINE STIMME. Diese Rede macht einen guten Eindruck.

EIN ANDERER. Ein antiker Geist!

EIN DRITTER. Ein junger Römer!

TALLEYRAND. Die treffliche Rede dieses ausgezeichneten jungen Mannes ...

BARRAS dazwischen. Bürger Talleyrand, Sie haben nicht immer das Wort. ... Wünscht der Convent, daß zu sofortiger Abstimmung geschritten werde?

VIELE STIMMEN. Ja, ja!

BARRAS läutet. Zur Abstimmung! Lärm hinter der Scene.

JOSEFINE erhebt sich und winkt Bonaparte mit dem Taschentuch zu. Wir gratuliren, Bürger Kommandant.

TALLEYRAND der sich links an den Schranken seit einiger Zeit entfernt hat, erscheint rechts auf dem Treppenabsatz und eilt stürmisch auf Bonaparte los. Gestatten Sie, edler Bürger, daß ich der Erste bin,[59] der Ihnen warm die Hand drückt und sich Ihrer Freundschaft empfiehlt! Kennen Sie mich?

BONAPARTE trocken. Wie sollte ich nicht! Der Herzog und Bischof Talleyrand ...

TALLEYRAND. Erkennen Sie in mir den Bürger Talleyrand, den Verehrer aller guten Patrioten, welche Ihnen ähnlich sehen.

BONAPARTE immer trocken und überlegen. Welche mir ähnlich sehen.

TALLEYRAND. Ich ahne in Ihnen eine verwandle Seele!!

BONAPARTE mit einem kurzen Blick. Ich auch.

TALLEYRAND begeistert, indem er Bonaparte's Hand an's Herz drückt. Sie sind der französische Washington.

BONAPARTE. Und Sie der dazu gehörige Franklin.


Hinter der Scene lebhaftes Durcheinanderrufen: »Gewählt, gewählt!«


JOSEFINE sich plötzlich aus ihrer Loge beugend. General!

BONAPARTE rasch zu ihr herantretend. Was befehlen Sie, Bürgerin Beauharnais?

JOSEFINE über die Brüstung gebeugt, ihm zuflüsternd. Sehen Sie dort den armen General Menou! Wenn Sie ein gutes Wort für ihn einlegten!

BONAPARTE ruhig. Sie haben befohlen.

BARRAS läutet mit der Präsidentenglocke. Ich bitte um Ruhe ... Der Bürger Bonaparte ist mit überwiegender Majorität gewählt.

STIMMEN. Bravo, bravo!

EINE STIMME. Man rufe ihn! ... Vor die Schranken des Hauses!

VIELE STIMMEN. Vor die Schranken!

BONAPARTE. Ich komme.

JOSEFINE halblaut ihm zurufend. Vergessen Sie nicht!

BONAPARTE. Ich vergesse nichts und Niemanden. Man sieht ihn auf dem Treppenabsatz verschwinden. Duroc folgt Bonaparte. Talleyrand bleibt beobachtend auf der Gallerie.


Rufe hinter der Scene: »Was bringen Sie wieder?« »Laßt ihn durch!« »Es ist Murat!«

Murat stürzt durch die offene Mittelthür vor den Präsidententisch. Im selben Augenblick erscheint Bonaparte hinter den Sesseln der Direktoren.


VIELE STIMMEN durcheinander. Reden, reden!

MURAT. Die Aufrührer ... man schätzt sie auf 40000 ...[60] alle Anzeichen sprechen dafür, daß sie den Konvent selbst attaquiren wollen.


Großer Tumult hinter der Scene und auf den Gallerien.


VIELE STIMMEN durcheinander. Wer rettet uns?

GAPARIN'S STIMME. Bonaparte.

BONAPARTE mit starker Stimme, um den Präsidententisch herumtretend. Hier ist er. ... Zur That! Bürger Präsident, wieviel Geschütz?

BARRAS. Wir haben 5000 Mann und ...

BONAPARTE barsch. Ich frage nicht, was ich schon weiß. Sich umschauend. ... Joachim Murat, ich rufe Dich.

MURAT salutirend. Hier, mein General.

BONAPARTE bei Seite zu ihm. Kennst Du den kürzesten Weg nach Sablons?

MURAT. Gewiß, was soll ich dort?

BONAPARTE. Vierzig Kanonen stehen dort parkirt. Schreibt auf ein Blatt seines Notizbuches. Hier die Ordre. Bringst Du die Kanonen?

MURAT fest. Ich bringe sie. Eilig ab durch die Mittelthür.

CARNOT der wie die Uebrigen Bonaparte gespannt beobachtet. Welchen Auftrag gabst Du ...

BONAPARTE barsch. Das geht Dich nichts an. ... Ordonnanzen her! Rasch, rasch! Wird's bald? Man hört den Ruf im Hintergrund sich fortflanzen »Ordonnanzen«. Hauptmann Duroc!

DUROC salutirend. Meister!

BONAPARTE. Ich übergebe Dir das Kommando der Artillerie im Hof der Tuilerien. Du stellst sofort eine Batterie gegenüber der Kirche St. Roche auf. Hier Ordre an die dort stehenden Infanterie-Offizie re. Schreibt. »Der Cul de Sac Dauphine, wo die Straße St. Honoré mündet, ist stark mit Scharfschützen zu besetzen.«


Mehrere Ordonnanz-Offiziere erscheinen durch die Mittelthür.


CARNOT dem eine Ordonnanz einen Zettel überreicht hat, erhebt sich. Bürger, eine schlimme Nachricht. Die Insurgenten haben das linke Ufer der Seine besetzt. Andere Massen wälzen sich auf dem rechten Ufer durch die Straße l'Echelle heran. Sie wollen direkt den Conventssaal umzingeln.


Allgemeiner Tumult im Hintergrunde: »Rette sich, wer kann!«


EINE STIMME. Heben wir die Sitzung auf![61]

EINE ANDERE. Die Waffen niederlegen!

EINE DRITTE. Der Convent ziehe sich nach St. Cloud zurück!


Barras läutet umsonst mit der Glocke.


BONAPARTE mit dem Fuß aufstampfend. Eine Memme, wer das sagt! ... Lieutenant Junot!

JUNOT salutirend. Chef!

BONAPARTE schreibt. Hier Ordre an den Vorsteher des Zeughauses! Man schaffe achthundert Gewehre in den Convent, um ihn zu bewaffnen. Will ein Franzose seine Ehre wahren, so vertheidigt er sie. Lieber sterben, als den Tod fürchten.


Junot ab. Pause.


JOSEFINE halblaut, begeistert. Beim Himmel, dieser Mann ist schön.

EINE LAUTE STIMME. Bravo, Korse!


Allgemeines Bravo und Händeklatschen.


CARNOT hebt sich, streng. Aber Kommandant, Du überschreitest Deine Befugnisse! Lieutenant Junot ist von mir, dem Kriegsminister, zur Bewachung General Menou's bestimmt.

BONAPARTE mit lauter Stimme. General Menou, Sie übernehmen das Kommando der Reserve!

MENOU verwirrt. Ich?

BARRAS UND CARNOT auffahrend. Sind Sie toll, Bonaparte?

BONAPARTE. Bin ich Kommandant oder nicht? Zum Convent gewandt. Ein tüchtiger Offizier, den ich nicht entbehren kann. Ich bürge für ihn.


Pause.


VIELE STIMMEN. Man lasse ihn frei!

BARRAS winkt den Grenadieren, Menou freizulassen.

VIELE STIMMEN. Es lebe Bonaparte!


Bonaparte blickt langsam nach oben.


JOSEFINE von oben mit dem Taschentuch wehend. Er lebe!

EIN ORDONNANZOFFIZIER eilig durch die Mittelthür an die Schranken eilend. Präsident, ein Parlamentär der Sektionen erschien am Thor und übergab dies Schreiben. Sie drohen mit ihrer enormen Uebermacht und verlangen unbedingte Waffenstreckung.

BARRAS will das Schreiben nehmen. Ich ... ich ...

BONAPARTE es ihm vor der Nase wegnehmend und in Stücke reißend. Das die Antwort! Man jage den Parlamentär mit Flintenschüssen davon. ... Vorwärts, es wird Ernst. Eine Karte[62] von Paris her! Nein, nicht nöthig. Hab' sie im Kopf. ... Ordonnanzen! Diktirt. An den General Carteaux. Schreiben Sie! »Die Neue Brücke besetzen. Vierhundert Mann mit vier Geschützen. Die gleiche Stärke an der Brücke Tournant und den Rest am Eingang der Avenuen vertheilen.« Fort! ... »An den General Berryuer. An der Königsbrücke Kanonen aufpflanzen und mit drei Bataillonen Posto fassen.« Fort! Wie erklärend, zum Convent hingewandt. Den Feind auf beiden Ufern trennen! Die Ordonnanzen ab durch die Mittelthür.

CARNOT. Und wenn er uns auf die Flanken fällt?

BONAPARTE. Innere Linie ... neues Gesetz ... Davon versteht ihr Alten nichts. Zu Menou. Reserve auf dem Revolutionsplatz! Aufsparen, bis ich disponire. Menou links ab. Man schlage den Sturmmarsch! ... Antreten im Tuilerienhof! ... Strengster Befehl: kein Schuß abgefeuert, bis Massen herankommen: Dann Generalsalven von allen Seiten!


Die Befehle werden hinter der Scene undeutlich wiederholt.


CARNOT. Nachtgefecht?

BONAPARTE gelassen. Wir fechten unter den Sternen.

JUNOT durch die Mittelthür hereinstürzend. Man umzingelt uns! Gewehrfeuer hinter der Scene und Wirbel des pas de charge.

BONAPARTE mit schmetternder Stimme. Ich durchbreche das Centrum.

STIMMEN durcheinander. Zehnfache Uebermacht!

BONAPARTE. Friert euch? Ich will euch einheizen ... mit Kartätschen. Ich bin da und zu Allem bereit.


Heftiges Getöse hinter der Scene.


TALMA laut. Muth, verzagtes Geschlecht! Er predigt Dir mit Feuerschlünden!

STIMMEN. Es lebe der Retter!

TALLEYRAND auf der Gallerie, zu Josefine. Und wer rettet uns vor ihm?

JOSEFINE träumerisch. Wer rettet uns vor ihm?

BARRAS. Der Feind dringt vor ... die Schlacht geht verloren! Geschrei, Lärm, Schüsse, Trommeln.


Man hört eine Glocke laut vier Uhr schlagen.


BONAPARTE lauscht darauf. In fünfzig Minuten Murat hier ... die Schlacht ist gewonnen!


Musik der Marseillaise hinter der Scene. Allgemeiner tumultuarischer Aufbruch.
[63]

ALLE. Es lebe die Republik!

BONAPARTE allein unbeweglich, mit verschränkten Armen. »Der Tag des Ruhms bricht an!«

Die Schranke links wird in der wilden Erregung niedergebrochen, so daß im Folgenden direkt von links Personen auftreten können.

Vorhang fällt.[64]


Zwischenvorhang.


Gleiche Dekoration. Hinter der Scene Musik der Marseillaise. Der Vorhang geht auf: Morgenröthe und zunehmender Sonnenglanz. Bonaparte steht allein inmitten des Conventsaals am

Präsidententisch, ein Fernrohr in der Hand, Säbel und Trikolorenschärpe umgeschnallt in die Ferne blickend. Hinter der Scene lauter Siegesjubel. – Duroc mit einem Redakteur hastig von links her.


REDAKTEUR dringend zu dem unbeweglich stehenden Bonaparte. Ich bin Redakteur des »Merkur« und bitte um Notizen über Ihren Lebenslauf.

BONAPARTE. Wenden Sie sich an meinen Adjutanten! Weist auf Duroc.

REDAKTEUR kriechend. Mein Blatt steht Ihnen fortan unbedingt zur Verfügung!

BONAPARTE kurz befehlend. Dann immer nur von mir reden!


Redakteur unter Verbeugung links ab.


DUROC lacht. Die Presse! Wo das Aas ist, sammeln sich die Raben. Jetzt bist Du »durch«! Die Rubikon ist überschritten.

BONAPARTE immer kalt, gelassen. War nur ein winziger Bach. Reißende Ströme hat Cäsar zu durchschwimmen, eh' er sein Ziel erreicht.

DUROC. Welches Ziel?

BONAPARTE. Gleichviel! Vabanque-Spiel!


Murat mit Soldaten von links, gefangene Sanskulotten hereintreibend.


MURAT auf die Gefangenen deutend. Anführer der Rebellen!

BONAPARTE. Die Hände! Man zeigt sie. Pulver? An die Mauer! Winkt, sie abzuführen. Die Gefangenen mit Murat und Soldaten ab. Unser Verlust? Wieviel Pferde?[65]

DUROC. Fünf Offiziere gefallen und ...

BONAPARTE. Wieviel Pferde? Menschen sind leicht ersetzt, die Bespannung nicht.

JUNOT eilig von links. Hoher Besuch! Talleyrand!

BONAPARTE. Weshalb so hoch?

JUNOT. Zum Minister des Auswärtigen ernannt.

BONAPARTE. Führ' mir den Auswärtigen vor! Junot ab. Aha, das Direktorium mausert sich. Wo steckt denn Barras ... und der Convent? Nach Hause gelaufen?

DUROC. Schlotterichte Zivilisten! Das ängstigt sich 'ne Gänsehaut über den Advokatenrücken!

TALLEYRAND kommt von links, die amtliche Trikolorenschärpe umgebunden wie Bonaparte. Beide lüften den Hut. Duroc ab. Gratulire, Bürger General.

BONAPARTE. Gratulire, Bürger Minister. Beide ganz vorn.

TALLEYRAND. Ich verschaffe mir die Ehre, Ihnen sofort Huldigung auszudrücken. Hm, ich begrüße die Schärpe des Chefgenerals mit besonderem Vergnügen, sie hebt die spartanische Einfachheit Ihres Gewandes. Man fühlt sich lasterhaft sybaritisch neben Ihnen. Offen gesagt, Liebster ... Sie wissen, meine Offenheit ist berühmt ... die sanskulottische Ruppigkeit ist nicht mehr Mode. Kleider machen Leute.

BONAPARTE. Es giebt Leute, welche Kleider machen. Man schneidet die ... Ministerröcke Andrer zu!

TALLEYRAND. Hm! Sie haben Ihre Aufgabe mit einer Rücksichtslosigkeit angefaßt ...

BONAPARTE höhnisch. Aus Rücksicht für Sie, der durch meine Kugeln in's Ministerium flog!

TALLEYRAND. O, ich darf wohl sagen, ich bin Ihr wärmster Vertheidiger. Ja, redete ich Barras zu, dieser biedre Kriegergeist paßt nicht für bürgerliche Zwistigkeiten. Er muß hinaus in die Ferne, wo die Drommeten schmettern zu Frankreichs Ruhm ...

BONAPARTE. Sie haben die erste Stufe der Staatskunst erklommen, Sie sind beinah' ein Staatsmann: Sie lügen sehr gut.

TALLEYRAND. General! Lächelt. Doch ... wir sind ja unter uns. Ernst. Franzosen sind doch kein Schlachtvieh. Sie haben die Plätze mit Kartätschen gefegt, mit dem Diensteifer eines Straßenkehrers. Das war schlimmer als ein Verbrechen, das war ein Fehler.

BONAPARTE heftig. Menschen sind Zahlen. Wer die Kastanien[66] aus dem Feuer holt, verbrennt sich die Finger. Aber ich habe Eisenhandschuhe und die packen fest zu. Schauspielernd. Ich habe die Freiheit gerettet, die Freiheit bedarf meiner noch. Ein Enthusiast wie ich haßt alle Fuchsschliche, Patriot vom Wirbel bis zur Zehe.

TALLEYRAND nimmt eine Prise. Sie stellten vorhin eine Theorie über die Staatskunst auf. Ich ... gebe das Kompliment zurück.

BONAPARTE. Ha! ... Doch wir sind ja unter uns. Dicht vor ihn hintretend. Täuscht euch nicht, ihr Bastarde des Alterthums, ich stamme aus Plutarch. Auch meine Toga trägt den historischen Zipfel: Krieg oder Frieden?!

TALLEYRAND verbeugt sich. Diplomatie der Grobheit! Mit verändertem Ton. In Revolutionen muß man Hammer oder Amboß sein. Hm! Die persönliche Größe, weit entfernt die Gleichheit anzutasten, ist vielmehr ihr schönster Trumpf.

BONAPARTE. Der Sinn dieser Phrase, aus dem ... Talleyrand'schen in's ... Bonaparte'sche übersetzt?

TALLEYRAND lächelt fein. Ich melde dem Direktorium, daß ich in Ihnen einen erzgegossenen Cato fand, dem nur ein Ideal vor Augen schwebt: die Pflicht.

BONAPARTE barsch. Man halte mich ja nicht für einen Dummkopf!

TALLEYRAND sich tief verneigend. Vor meiner Verkennung sind Sie sicher! Ab nach links.

BONAPARTE niedergeschlagen düster. Man liebt die That und haßt den Thäter. Basta. Ich gehe nach Korsika. In's Weite starrend, halb visionär. Noch giebt's Reiche zu erobern im eigenen Innern. Wäre Homer minder groß, wenn er seine Ilias verbrannt hätte?

TALMA während des Letzten mit Josefine oben in der Loge erschienen laut. Das hätte die Republik sich auch nicht träumen lassen: Im Convent das Hauptquartier eines Generals!

BONAPARTE ohne sich umzuwenden. Ich habe kein anderes.

TALMA. Frau v. Beauharnais hat Dir etwas mitzutheilen ... ich ziehe mich diskret zurück.


Ab oben nach rechts. Bonaparte fährt auf, wendet sich, sieht Josefine oben sitzen.


JOSEFINE etwas befangen. Mein Herz drängt mich, Ihnen sofort zu danken, daß Sie dem armen Menou Ihren Beistand[67] liehen ... Bonaparte schweigt. Noch eine Bitte: Würden Sie meinen Salon durch Ihre Gegenwart auszeichnen?

BONAPARTE ruhig. Bedaure. Ich gehe nach Korsika.

JOSEFINE sieht auf. Das Spiel aufgeben?


Sie verläßt die Loge und geht zu ihm nach unten.


BONAPARTE. Fortuna ist ein Weib. Wer sie heut' verfehlt, der hoffe nicht, sie morgen wiederzufinden. Von seinen Worten betroffen, auf Josefine blickend. Der hoffe nicht, sie wiederzufinden?!

JOSEFINE lächelt. Wie genau Sie die Frauen kennen! ... Meistern Sie doch das Glück! Wer weiß, ob nicht ich Ihnen gute Botschaft bringe. Ich komme von Barras ...

BONAPARTE bitter. Natürlich! Gleichgültig. Was giebt's denn Neues in diesen hohen Regionen?

JOSEFINE langsam, ihn beobachtend. Leichthin. Carnot hat General Scherer aus Italien abberufen.

BONAPARTE. O! Meine Armee! Meine hundert Pläne! Auf und ab rennend wie ein Verzweifelter. Und ich hier, eine lebendige Lüge ... o ich hasse dies Paris!

JOSEFINE gemessen. Es ist nicht Ihr Vaterland.

BONAPARTE. Ich habe keins. Die Erde ist mein Vaterland. Nur frei muß ich sein, frei ... lieber Ziegen hüten in Korsika.

JOSEFINE fein. Ach, Sie sagen mit Cäsar: Lieber der Erste im Dorfe, als der Zweite in Rom.

BONAPARTE. Und der Erste ein Barras! Ha! Wir verstehen zu hassen, wir Korsen.

JOSEFINE halblaut. Nicht zu lieben?

BONAPARTE sieht sie an. Wollen Sie wissen, warum ich Frankreich verlasse?

JOSEFINE verlegen, ahnungsvoll. Ich werde Ihnen rathen, so gut ich vermag.

BONAPARTE energisch. Werden Sie? Nun wohlan, Madame, ich liebe Sie.

JOSEFINE erregt. Wie? Sie? Mich? Gefaßt, lacht leise. Sie machen eine Liebeserklärung wie einen Staatsstreich. Nicht viel Federlesens!

BONAPARTE grimmig. Das kam über mich wie ein Naturgesetz. Aber ich stampfe es nieder und bringe das Weltmeer zwischen mich und meine Leidenschaft. Mein Stern war ein Irrlicht. Ich glaube nicht mehr an mich.[68]

JOSEFINE halblaut. Aber ich glaube.

BONAPARTE. Zirpt nur weiter wie die Motten um's Licht, ... das Meer zwischen mich und meine Flammen! Das kühlt.

JOSEFINE lächelt. Aber das sind ja lauter Monologe, unverständliche. Ich dachte, die Liebe wäre ein ... Dialog? Wenn Sie über das Weltmeer rennen, kann ich ja gar nicht zu Worte kommen.

BONAPARTE. Ein Weib, das in den Armen eines Barras lag ...! Er will sich nach links entfernen.

JOSEFINE in heftige Bewegung. Ein Irrthum und eine Beleidigung. Ich war nie die Geliebte des Barras.

BONAPARTE erregt. Warum sind Sie an ihn geschmiedet wie eine Galeerensklavin?

JOSEFINE. Beim Sturz der Schreckensmänner fand ich mich allein in der Welt, mein Vermögen Nationaleigenthum, als Aristokratin geächtet. Da nahte mir Barras mit dem Vorschlag, in seinen Salons die Honneurs zu machen. Er sprach davon, die höfische Geselligkeit des Ancien Regime zu erneuern, den rüden Ton der Jakobiner ein für allemal zu verbannen. Da er aber unvermählt sei, bedürfe er einer Dame, um mit Takt die Gastfreundschaft der Tuilerien zu leiten, einer Aristokratin, um die Gegensätze zu versöhnen. Und so bin ich ...

BONAPARTE lächelt. Zeremonienmeisterin der Republik.

JOSEFINE. Bonaparte, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Ich leugne es nicht, ich liebe den Luxus, die Toiletten, die Feste. Und dennoch war ich oft versucht, das Alles im Stich zu lassen und Gott weiß wovon zu leben. Wie schwer es fällt, unter diesen Umständen eine honnette Frau zu bleiben, können Sie sich kaum vorstellen. Ich muß lavieren. Seine Geliebte bin ich nicht und werde es niemals sein.

BONAPARTE. Ich gehe nicht nach Korsika. Fest, auf sie zutretend. Empor aus diesem Schlamm, empor zur Höhe!

JOSEFINE. Wie kann ich das?

BONAPARTE. Als mein Weib! Pause. Wer den Demant der großen Liebe fand, der geizt nicht um Pfennige der Alltagsmoral.

JOSEFINE verwirrt. Ich schwöre, ... ich war ... ich bin ...

BONAPARTE. Was Du warst, begrub ich. Du bist meine ... Illusion![69]

DUROC eilig von links. Dekret vom Direktorium!


Ueberreicht ihm ein versiegeltes Schreiben, ab.


JOSEFINE rasch. Ich weiß. Das war's, worum ich Barras bat.

BONAPARTE finster. Ihn ... für mich? Ohne den Brief zu lesen.

JOSEFINE. Sie erhalten den Oberbefehl einer Armee.

BONAPARTE außer sich. An der Spitze einer Armee! Welcher Armee?

JOSEFINE. Denken Sie nach!

BONAPARTE. Italien! Liest. Der Würfel ist gefallen.

JOSEFINE rasch neckisch. Mein Wurf, meine ... Sie stockt.

BONAPARTE ergänzend, langsam. Deine ... Mitgift? Was wird die meine sein? Ich habe nichts als meinen Degen. Aufflammend. Ich will Dir einen Ruhm bringen, so leuchtend, so glühend, daß seine Strahlen auch Dich verklären sollen.

JOSEFINE träumerisch. Auch mich verklären sollen? ... Du sonderbarer Kauz mit Deiner lächerlichen Sicherheit!

BONAPARTE umschlingt sie mit wilder Leidenschaft. Deine Augen machen mich unwiderstehlich. ... Heut' die Hochzeit, morgen in's Feld!

JOSEFINE. Heut? Aber ... ich sagte noch nicht ... Ja!

BONAPARTE. Doch! Du blicktest es, Bürgerin Bonaparte. ... Man muß der Mann seines Schicksals sein.

JOSEFINE an ihn geschmiegt. Und auch ein wenig der Mann seiner Frau. Wie ungalant. Morgen schon fort?

BONAPARTE. Und Du hier allein? Barras ... Dumpf. Fürchte den Dolch Othellos!

JOSEFINE. Ist er drollig! So bleib!

BONAPARTE finster. Wir tragen Macbeths Dolch im eigenen Busen. Er funkelt vor uns her ... zu Mord oder Selbstmord, zu Sieg oder Untergang! Kalt, trocken. Ein Danaergeschenk ... man will mich los sein. An der Armee scheint nichts mehr zu verderben, eine meuternde Lumpenbande, ein verlorener Posten. Ballt die Faust. Ah, ich will euch, ihr Rechenmeister!

JOSEFINE. Was willst Du thun?

BONAPARTE. Alles. Falsch ist die Algebra der Wirklichkeit, ihr fehlt das unbekannte X ... da oben. Blickt visionär in die Höhe.

JOSEFINE scheu, zweifelnd. Höhere Mathematik?!

BNAPARTE vor sich hin. Mailand ... die Alpen ...[70] querdurch nach Wien! Schmettre, Fanfare, bis an's Ende der Erde!

JOSEFINE. Die Ouverture einer Heldenoper? Wirst Du sie dann noch hören, meine arme Stimme?

BONAPARTE in's Weite starrend. O, sie klingt süß, die Stimme meiner Legionen ... so süß wie Deine Stimme!

JOSEFINE. »Legionen«?! Bist Du schon Imperator?

BONAPARTE. Ich bin, der ich bin.


Durch die Mittelthür stürzen Murat, Duroc, Junot herein, mit geschwungenem Degen, jubelnd.


MURAT. Hoch die Armee von Italien! ... General-en- Chef, ich melde mich zum Dienst!

JUNOT. Wir Alle! Auf nach Italien!

DUROC. Endlich die Sonne!

MENOU durch die Mitte mit lärmenden Soldaten, die eine Fahne schwingen. Gratulire ... gratulire! ... Sieh' Dein Feldzeichen!

BONAPARTE zur Fahne hin. O Trikolore, Du birgst in Deinen Falten den Donner künftiger Schlachten, den blitzenden Keil des Jupiter! ... Nichts mehr vom gallischen Hahn! Das ist ein Prahler, der auf dem Miste kräht: ich, Franzosen, ich bringe euch den Adler! Jubelnde Zustimmung, Trommelwirbel.

MURAT. Vorwärts mit Trommelschall! Unser Sturmmarsch soll Europa über den Haufen rennen!

JUNOT. Was will denn dies Oesterreich? Wir werden es von der Landkarte wischen!

MENOU. Wir werden Rußland hinter die Wolga werfen!

JUNOT. Nieder mit England! Es werde ausgemerzt!

JOSEFINE begeistert. Auf der Adler zur Sonne der Weltherrschaft! Sie umarmen sich enthusiastisch im Hintergrunde.

BONAPARTE kalt, unbeweglich vorn zu Josefine. Phantasten! So sind die Menschen! Da sehen sie schon den Zauberpalast ... »Tausend und eine Nacht!« Ja, in tausend Nächten wird man ihn zimmern ... Stein auf Stein, vulkanischer Granit, bis in die Wolken!

JOSEFINE angstvoll auf ihn starrend. Thurmbau zu Babel?! Mir graut.

BONAPARTE fest. Nimrod, der Gewaltige des Herrn ... der Löwe jagt, die Zeit der Marder ist vorüber.

MURAT zu Bonaparte heran, eifrig, halblaut. Und reingekehrt mit solchem Besen Degen schüttelnd. die ganze Bude hier![71]

DUROC ebenso. Die Fuhrmannskneipe, wo man um Trinkgelder balgt!

MENOU ebenso, geziert. Die Lotterbuben, die subalternen Wühler! Barras ... der taugt zu gar nichts als zum Steuereinnehmer!

JUNOT. Amtswohnung in Cayenne ... auf der Teufelsinsel!

BONAPARTE verächtlich vor sich hin. So sind die Menschen. Der Erfolg ist ihr Gott. Doch nicht der meine. Weiter nach vorn.

JOSEFINE rechts neben ihm. Die Republik? Ein Märchen! Es war einmal. Zermalme, erwürge sie, die »große« Revolution!

BONAPARTE kalt, unbeweglich, ganz vorn an der Rampe. Das wirft den Ocean mit Steinen! Die kaum des Forschers Senkblei je erreicht, was wisset ihr von Meeretiefe und was, ihr Blinden, wisset ihr von Mir? Ich weiß, woher ich kam, wohin ich gehe ... Die Revolution und Ich, wir sind nur eins. Das Weltgesetz das ist das Weltgericht. Laut, sich aufrichtend. Ein Größerer denn ich ist über mir: wer sich von Ihm gerufen fühlt, kann nicht widerstehen. Er steht ruhig da in blendendem Sonnenglanz.

Quelle:
Karl Bleibtreu: Weltgericht. [Berlin-] Charlottenburg [o.J.], S. 54-72.
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