Achte Szene

[72] Giesecke – Siedler – Sülzheimer.


SÜLZHEIMER von rechts hinten. Aber Herr Giesecke, Sie beschämen mich wirklich!

GIESECKE. Ja, wieso denn, junger Freund?

SÜLZHEIMER. Wie Sie um mich besorgt sind. Erst gestern haben Sie mir den schönen Cognac geschickt, und jetzt wieder die feinen Zigarren. Sie verwöhnen mich ja geradezu!

GIESECKE. Aber das ist doch nicht der Rede wert! Als Sohn meines alten Geschäftsfreundes!

SÜLZHEIMER. Mein Vater schätzt Sie aber auch sehr, Herr Giesecke!

GIESECKE. Trotz des Prozesses?

SÜLZHEIMER. Gott, da Sie ihn verloren haben!

GIESECKE. Nimmt er ihn mir nicht mehr übel! Das ist hübsch von ihm! Aber da Sie sehen, wie gut ich's mit Ihnen meine, da wundert es mich bloß, daß Sie so verschlossen gegen mich sind!

SÜLZHEIMER. Inwiefern, Herr Giesecke?[72]

GIESECKE. Warum sind Sie nicht im Mondschein mit mir spazieren gegangen?

SÜLZHEIMER. Im Mondschein?

GIESECKE. Sie haben doch den Rechtsanwalt einen Blick in Ihr Herz tun lassen. – Ich sehe so was auch sehr gern!

SÜLZHEIMER zu Siedler. Aber Doktor! Sie haben geplaudert!

SIEDLER. Vor Herrn Giesecke habe ich kein Geheimnis!

GIESECKE. Und das sollten Sie auch nicht haben!

SÜLZHEIMER. Ja, wenn ich nur meiner Sache gewiß wäre! Aber ich weiß noch nicht, ob ich den rechten Eindruck gemacht habe.

GIESECKE. Ich bitte Sie, – ein Mann von Ihren netten Manieren!

SÜLZHEIMER sich verbeugend. Sie sind zu gütig!

GIESECKE. Und diesem angenehmen Äußern!

SÜLZHEIMER dankend den Hut lüftend. Sie sind aber wirklich zu liebenswürdig!

GIESECKE ihm den Hut wieder auf den Kopf drückend. Behalten Sie lieber auf!

SÜLZHEIMER. Sehen Sie?!

GIESECKE. Es ist ja richtig, Er lüftet ein wenig den Hut Sülzheimers und drückt ihn dann schnell wieder tief in die Stirn. ... ein bißchen wenig Haare haben Sie ja, aber was will das sagen! Gerade die bedeutendsten Männer haben die kahlsten Köpfe! Wenn Sie nur deshalb so ängstlich sind? ...

SÜLZHEIMER. Ach, das nicht allein. Aber es ist doch zu schwer, die richtigen Worte zu finden.

GIESECKE. Aber, Menschenskind, Sie werden doch schon in Ihrem Leben einer jungen Dame gesagt haben, daß Sie ihr gut sind.

SÜLZHEIMER. Ach ja, das ist schon einmal vorgekommen, auf dem Kasino-Ball in Sangerhausen. Da hatte ich aber auch ein paar Gläser Sekt getrunken, das macht Mut.

GIESECKE. Wenn's bloß daran liegt, also schmettern Sie hier auch ein paar Gläser – ich werde Ihnen sofort eine Flasche schicken.

SÜLZHEIMER. Aber, Herr Giesecke, das kann ich ja gar nicht annehmen!

GIESECKE. Wo es sich um Ihr Glück handelt, kann es doch darauf nicht ankommen.

SÜLZHEIMER. Nein, wirklich, ich muß sagen, ich bin ganz gerührt! Wenn nur auch mein Vater einverstanden ist?[73]

GIESECKE. Dafür stehe ich ein. Alles bereits brieflich mit ihm geordnet.

SÜLZHEIMER. Daran haben Sie auch schon gedacht? Aber wie soll ich Ihnen nur danken. Ihm die Hand drückend. Sie sind ja zu mir wie ein zweiter Vater.

GIESECKE. Das ist das richtige Wort! Daran wollen wir jetzt festhalten! Und nun schicke ich Ihnen den Champagner! Im Abgehen. Doktor Siedler, haben Sie gehört: »Zweiter Vater!« Ich glaube, det Jeschäft is richtig! Ab in den Speisesaal.

SÜLZHEIMER zu Siedler. Wirklich ein zu lieber Mensch. Wenn ich jetzt nur müßte, wie Fräulein Hinzelmann über mich denkt?

SIEDLER. Da gibt es nur ein Mittel: Sie müssen sie fragen. Und wenn es Ihnen gelingt, wenn Sie ihr heute noch das Jawort abschmeicheln – ich versichere Sie, damit würden Sie mir eine große Freude machen!

SÜLZHEIMER. Nein, welchen Anteil auch Sie an mir nehmen! Wahrhaftig! Ihn umarmend. Sie sind wie ein Bruder! Ich halte nie geglaubt, daß es so viel selbstlose Freundschaft gibt!


Quelle:
Oskar Blumenthal und Gustav Kadelburg: Im weißen Rössl. Berlin 16[o.J.], S. 72-74.
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