Vierdter Aufftritt.

Halimacus von ferne / Orsanes, Elmira.


ORSANES.

Ist denn ein Stummer Liebens-werth?

ELMIRA.

Die Tugend wird geehrt /

Und nicht der Stimmen-Schall.

ORSANES.

So liebe dann ein höltzern Bild /

Wo du was Stummes lieben wilt.

ELMIRA.

Liebstu die Stimm / so liebe Echos Wiederhall.

ORSANES.

Was kanstu von ihm hoffen?

Die Thüren stehn mir offen

Zu diesem Thron / wann mirs gefällt /

Ich habe Freunde / Macht und Geld.

ELMIRA.

Wer keine Treu besitzt / hat gar nichts in der Welt.

ORSANES.

Er kan nicht zur Regierung kommen /

Weil das Gebiethen ihm ist mit der Sprach' entnommen.

ELMIRA.

Ein Fürst gebeut durch seiner Diener Mund /

Es spricht für ihm Vergeltung bey den Frommen /

Den Bösen macht die Straff' auch seinen Willen kund.

Die stille Gravität steht Grossen besser an /

Weil das Gesetz für sie gnug reden kan.

ORSANES.

Was wil ein Fürst / der nur mit Wincken spricht?

ELMIRA.

Ein treuer Diener merckt den Willen am Gesicht'.

ORSANES.

Wohlan Halsstarrige / hilfft jetzt kein Flehen /

Ich hoff' es kömmt die Zeit /

Daß auch du deine Schuldigkeit

Gehorsamst mir wirst aus den Augen sehen.


Gehet ab.

Halimacus tritt hervor.


HALIMACUS.

Ich preise die Beständigkeit /

Die ich verspühr' / und bin bereit /

Bey meinem Printzen zu erlangen /

Daß Treu und Untreu sol verdienten Lohn empfangen /

Orsanes Schand und Hohn /

Elmira Thron und Kron.

ELMIRA.

Die Treu und Tugend ist für sich gnugsamer Lohn.


Aria.


HALIMACUS.

Wahre Treu kan nicht auff Erden /

Bey den Menschen dieser Zeit /

Nach Verdienst belohnet werden;

Und die seltne Redlichkeit /

Muß man über alles setzen /

Mehr als Cron und Zepter schätzen.


Quelle:
Reinhard Keiser: Der hochmütige, gestürzte und wieder erhabene Croesus. Hamburg [1711], unpaginiert.
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