Die 11. Historie, wie Ulenspiegel zu einem Pfarrer verdingt und wie er ihm die gebraten Hüner von dem Spiß aß.

[32] In dem Land zu Brunschwick da ligt ein Dorff, in dem Stifft zu Megdburg, geheissen Budensteten. Da kam Ulenspiegel in des Pfaffen Huß. Der Pfaff dingt ihn für ein Knecht, aber er kant ihn nit, und sprach zu ihm, er solt gute Tag und ein guten Dienst bei ihm haben und solt essen und trincken das best, als gut als sein Kellerin. Und alles das, daz er thun müst, thät er mit halber Arbeit. Ulenspiegel[33] sprach ja darzu, er wolt sich wol darnach richten, unnd sähe, daz die Pfaffenkellerin nur ein Aug het. Und die Kellerin, die nam gleich zwei Hüner ab und steckt sie an den Spiß, ze braten, und hieß Ulenspiegel nidersitzen und sie braten. Ulenspiegel waz bereit und want die Hüner umb. Und da sie nun schier gebraten warn, da gedacht er: »Der Pfaff sprach doch, da er mich dingt, ich solt essen und trincken als gut als er und sein Kellerin, und daz möcht an disen Hünern felen, und so würden des Pfaffen Wort nit war sein, und ich eße auch von den Hönern nit. Ich wil so weiß sein, uff daz sein Wort war bleiben«, und brach daz ein vom Spiß und aß es on Brot. Also da es Imbißzeit wolt werden, so kumpt des Pfaffen Kellerin (die waz einäugig) zum Feur und wolt die Hüner betreiffen; so sicht sie, daz nur ein Hun am Spiß waz. Da sagt sie zu Ulenspiegel: »Der Hüner waren doch zwei, wa ist daz ein hinkumen?« Ulenspiegel sprach: »Fraw, thon Euwer ander Aug auch uff, so sehent Ihr die Hüner alle beid.« Und da er der Kellerin daz ein Aug also verwiß, da ward sie gar zornig und zurnt uber Ulenspiegel und lieff zum Pfaffen und sprach zu ihm, wie daz sein hübscher Knecht sie also verspot hät mit ihre ein Aug. Und so sie zu ihm lugt, wie er briete, so find sie nit mer dan ein Hun. Der Pfaff gieng zum Feur in die Küchen und sprach zu Ulenspiegel: »Waz hast du meiner Magt ze spotten; und ich sih wol, daz nur ein Hun am Spiß steckt und sein ihr doch zwei gesei.« Ulenspiegel sprach: »Ja ihr sein wol zwei geweßen.« Der Pfaff sprach: »Wa ist dan das ander gebliben?« Ulenspiegel sagt: »Daz stecket doch da! Thund auff Euwere beide Augen, so sehent Ihr wöll, daz ein Hun am Spiß steckt. Also sagt ich zu Euwer Kellerin auch. Da ward sie zornig.« Da ward der Pfaff lachen und sprach: »Daz kan mein Magt nit, daz sie beid Augen ufthu, wann sie hat nur eins.« Ulenspiegel[34] sprach: »Herr, daz saget Ihr, ich sprichs nit.« Der Pfaff sagt: »Daz ist gschehen und bleibt dabei, aber daz ein Hun ist hinweg.« Ulenspiegel sagt: »Ja, daz ein ist hinweg und daz ein steckt noch. Ich hab daz andre gessen, als Ihr dan gesprochen hon, ich solt es ja so gut essen und trincken als Ihr und Euwer Magt. So waz mir leid, daz Ihr solten gelogen hon, daz Ihr die Hüner all beid solten gessen hon, daz mir nüt davon worden wär. Uff das Ihr nun nit der Wort ze Lugner würden, da aß ich das ein Hun gar uff.« Also der Pfaff waz des zefriden und sprach: »Mein lieber Knecht, daz ist mir umb ein Braten ze thun, aber thu fürter nach dem Willen meiner Kellerin, daz sie gern sicht.« Ulenspiegel sprach: »Ja, lieber Her, waz Ihr mich heissen.« Darnach was die Kellerin Ulenspiegel hieß, das er thun solt, das thet er halber. Wenn er solte ein Eimer mit Wasser holen, so bracht er ihn halber fol, und wan er zwei Höltzer solt holen an daz Feur, so bracht er eins. Solt er dem Stier zwei Gebund Hewß geben, so gab er ihm nur eines, solt er ein Maß Wein bringen, so bracht er ein halbe Maß, und dergleichen in vil Stücken, also das sie das merckte, das er ihr daz zu Widerdrieß thät. Und wolt ihm doch nüt sagen und verclagt ihn vor dem Pfaffen. Da sprach der Pfaff zu Ulenspiegeln: »Lieber Knecht, mein Magt claget uber dich, und ich bat dich doch, das du thun soltst alles, das sie gern sehe.« Ulenspiegel sprach: »Ja, Herr, ich hab auch anders nüt gethon, dann wie Ihr mich geheissen hond. Ihr sagten, ich künd Euwer Ding mit halber Arbeit thun und Euwer Magt sehe gern mit beiden Augen und sieht doch nur mit einem Aug und sie sieht nur halber. Also thet ich halb Arbeit.« Der Pfaff ward lachen, und die Kellerin ward zornig, und sie sprach: »Herr, wann Ihr den leckerschen Schalck wölt länger behalten für ein Knecht, so wolt sie von[35] ihm lauffen.« Also must der Pfaff Ulenspiegel über seinen Willen Urlaub geben. Doch so halff er mit den Bauren hantieren, wann der Meßner oder Sigrist desselben Dorffs was kurtzlich tod. Und nachdem als die Bauren keins Meßners kunten entberen, da ward der Pfaff mit den Buren zu Rat, das sie Ulenspiegeln annamen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 32-36.
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