Die 34. Historie sagt, wie Ulenspiegel geen Rom zoch und den Babst besach, der ihn für ein Ketzer hielt.

[100] Mit durchtribner Schalckheit was Ulenspiegel geweihet. Als er dann alle Schalckeit versucht het, da gedacht er an das alt Sprichwort: »Gang geen Rom, frummer Man, kum herwider nequam.« Also zoch er geen Rom. Da pflantzt[101] er sein Schalckeit auch und zoch zu einer Witwin ein zu Herberg. Da sach sie, das Ulenspiegel ein schön Man was, und fragt ihn, wa er her wär. Ulenspiegel sprach, er wär uß dem Land zu Sachßen und wär ein Osterling unnd wär darumb geen Rom kummen, das er mit dem Bapst zu Worten wolt kummen. Da sprach die Fraw: »Fründ, den Babst mögen Ihr wol sehen, aber mit ihm zu reden, das weiß ich nie. Ich bin hie erzogen und geboren und von den obersten Geschlechten und hab noch nie zu Worten mit ihm mögen kummen, wie wollen Ihr dann das so bald zuwegen bringen. Ich gäb wol hundert Ducaten darumb, das ich mit ihm reden möcht.« Ulenspiegel sprach: »Liebe Wirtin, ob ich die Schickung funde, das ich Euch für den Babst brächt, das Ihr mit ihm zu Red kämen, wolten Ihr mir die hundert Ducaten geben?« Die Fraw waz goch und gelobt ihm die hundert Ducaten bei ihren Eeren, wann er das zuwegen brächt. Aber sie meint, es wär ihm unmüglich, das er solichs thun möcht, dan sie wußt wol, das es vil Müe und Arbeit müst hon. Ulenspiegel sprach: »Liebe Wirtin, wann es nun also geschieht, so beger ich die hundert Ducaten.« Sie sprach ja, aber sie gedacht: »Du bist noch nit vor dem Bapst.« Ulenspiegel wartet daruff, dann allweg in vier Wochen, so müst der Bapst eins Meß lesen in der Capellen, die da heißt Hierusalem zu Sant Johans Latronen. Als nun der Bapst die Meß gethon het, da trange sich Ulenspiegel in die Capel, als nah er zu dem Bapst kummen mocht. Und als er die Stilmeß hielt, da kort Ulenspiegel dem Sacrament den Rücken. Das sahen nun die Cardinäl. Und als der Bapst den Segen uber den Kelch thet, da kort sich Ulenspiegel aber umb. Als nun die Meß auß waz, da sprachen sie zu dem Bapst, das soliche Person, ein schöner Man, der bei der Meß[102] wär gewesen, und hät also sein Rucken geen dem Altar gekert under der Stilmeß. Der Bapst sprach: »Das ist not, daz man darnach frag, wann das trifft die heiligen Kirchen an. Und solt man den Unglauben nit straffen, daz wär gegen Got schad. Und hat der Mensch solichs gethon, so ist zu förchten, das er in Unglauben ist und kein guter Cristen ist.« Und bestelt damit, das man ihn für ihn bringen solt. Sie kamen zu Ulenspiegeln und sprachen, er müst für den Bapst kumen. Da gieng Ulenspiegel von Stund mit ihn für den Babst. Da sprach der Babst, waz er für ein Man wär. Ulenspiegel sprach, er wär ein guter Christenman. Der Bapst sprach, was er für ein Glauben hät? Ulenspiegel sprach, er hät den Glauben, den sein Wirtin hät, und nante sie bei dem Nomen, die dan wol bekant was. Also schuff der Babst, das die Fraw solt für ihn kummen. Da fragt der Pabst die Fraw, was sie für ein Glouben hät. Die Fraw sprach, sie gloubt den Cristenglouben und was ihr die heilig Cristlich Kirch gebüt und verbütet, sie enhät anders keinen Glouben. Ulenspiegel stund darbei und begund zu gneigen mit vil Gefertes und sprach: »Allergnädigster Vatter. Du Knecht aller Knecht, denselben Glouben gloub ich auch, ich bin ein gut Christenmann.« Der Babst sprach: »Warumb kerst du dan den Rucken dem Altar in der Stilmeß?« Ulenspiegel sprach: »Allerheiligster Vatter, ich bin ein armer grosser Sünder unnd zoch mich des mein Sünd, das ich das nit würdig wär, biß das ich mein Sund gebichtet hab.« Da was der Babst des zufriden, verlies Ulenspiegel und gieng da uff seinen Palast. Und Ulenspiegel gieng in sein Herberg und mante sein Würtin umb die hundert Duckaten, die müst sie ihm geben. Und bleib Ulenspiegel vor als nach und ward von der Römischen Fart nit vil gebessert.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 100-103.
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