Die 48. Histori sagt, wie Ulenspiegel sich zu einem Schneider verdingt unnd under einer Bütten näget.

[139] Als Ulenspiegel kam gen Berlin, da verding er sich für ein Schneiderknecht. Als er nun uff die Werckstat saß, da sagt der Meister: »Knecht, wilt du neigen, so nei wol und näg, daz man es nit sicht.« Ulenspiegel sagt ja und nimbt die Nadel und Gewant darmit und kreucht under ein Bütten und stept ein Nat uber ein Knie und begund, so darüber zu neigen. Der Schneider stund und sah daz an und sprach zu ihm: »Was wilt du thun, das ist seltzam Neiwerck.«[140] Ulenspiegel sprach: »Meister, Ihr sagten, ich solt neien, daz man es nit seh, so sicht es niemant.« Der Schneider sprach: »Nein, mein lieber Knecht, hör uf und nei nit mer also, und begin zu neien, das man sehen kann.« Das wärt ein Tag oder drei, darnach kam es uff die Nacht. Der Schneider ward müd und wolt zu Bet gon. Da lag ein grauwer Baurenrock halb ungeneit, den warffe er zu dem Ulenspiegel und sagt: »Seh hin, mach den Wolff recht uß und gang darnach ouch zu Bet.« Ulenspiegel sagt: »Ja, gond nur hin, ich wil ihm recht thun.« Der Meister gieng zu Bett und dacht nit daran. Ulenspiegel nimt den grauwen Rock und schneit den uff und macht daruß ein Kopff alß ein Wolff, darzu Leib und Bein und spert das mit Stecken vonein, daz es sahe einem Wolff gleich, und gieng ouch zu Bet.

Des Morgens stund der Meister uff und wecket Ulenspiegel ouch und fint disen Wolff im Gaden ston. Der Schneider verwundert sich, doch er sah wol, das es gemacht waß. Mit dem kumt Ulenspiegel darzu. Da sprach der Schneider: »Waß Teufels hast du daruß gemacht?« Er sprach: »Ein Wolff, als Ihr mich hiessen.« Der Schneider sagt: »Solchen Wolff meint ich nit, nur den grawen Baurenrock, den nant ich ein Wolff.« Ulenspiegel sagt: »Lieber Meister, das wüßte ich nit, hät ich aber gewüßt, das Euwer Meinung also wär gewesen, ich hät lieber den Rock gemacht dan den Wolff.« Nun, der Schneider was des zufriden, es was beschehen.

Also schickt es sich uber fier Tag, das der Meister eins Abents müd waz und hät gern zeitlich geschlaffen, doch ließ er sich duncken, das es noch zu frü wär, das der Knecht solt zu Beth gon. So lag da ein Rock, der waz gemacht bis an die Ärmel. So nimpt der Schneider den Rock und die ledigen Ärmel und warff die zu Ulenspiegel und sagt: »Würf die Ärmel an den Rock und gang darnach zu Beth.« Ulenspiegel sagt ja. Der Meister gieng zu Beth und Ulenspiegel[141] hienge den Rock an den Hacken und zundt zwei Liecht an, uff jede Seit des Rocks ein Liecht, und nimpt ein Ärmel und wurfet den daran, und gat uff die ander Seit und würfft den auch daran. Und wann zwei Liecht waren ußgebrant, so zundet er zwei ander an und warff die Ärmel an den Rock die Nacht uß bis morgens. Da stund der Meister uff und kam in daz Gaden, und Ulenspiegel kort sich an den Meister nitt und warff also mit den Ärmlen für ussen. Der Schneider stunde und sah das an und sprach: »Waz Tüffels machst du nun für ein Gauckelspil?« Ulenspiegel sprach ernstlichen: »Das ist mir kein Gauckelspil, ich hab dise gantz Nacht gestanden und hab dise schelligen Ärmel an disen Rock geworffen, und sie wöllen daran nit kleben. Es wär wol besser gewesen, daz Ihr mich hätten heissen schlaffen gon, dann daz Ihr mich sie hiesen anwerffen, und Ihr wußten doch, daz es verloren Arbeit waz.« Der Schneider sprach: »Ist das nun mein Schult? Wißte ich, daz du daz also verston woltest? Ich mein das nit also, ich meint, du soltest die Ärmel an den Rock nägen.« Da saget Ulenspiegel: »Das hab der Tüffel den Lon. Pflegen Ihr ein Ding anders zu sagen, dann Ihr das meinen, wie künten Ihr das so eben reimen? Hät ich die Meinung also gewißt, ich wolt die Ärmel wol gut haben angenägt und hät auch ein par Stunden geschlaffen. So mögen Ihr nun den Tag sitzen und nägen und wil auch geen ligen und schlaffen.« Der Meister sagt: »Nein, nit also, ich wil dich nicht für ein Schläffer halten.« Und warden also miteinander zancken, das der Schneider in dem Zanck Ulenspiegeln ansprach umb die Liechter, er solt ihm die Liechter bezalen, die er ihm darüber verbrant hät, indem Ulenspiegel sein Ding zusamenraspelt und wandert darvon.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 139-142.
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