Die 62. Histori sagt, wie Ulenspiegel zu Dreßen ein Schreinerknecht ward unnd nit vil Dancks verdient.

[174] Bald hub sich Ulenspiegel uß dem Land zu Hessen geen Dreßen für den Böhemerwald an der Elbe und gab sich uß für einen Schreinerknecht. Den nam da ein Schreiner an, der bedorfft Gesellen zu Notturfte, dan seine Gesellen hetten ußgedienet und waren gewandert.[175]

Nun ward ein Hochzeit in der Stat, da waz der Schreiner uff geladen. Da sprach der Schreiner zu Ulenspiegeln: »Lieber Knecht, ich muß zu der Hochzeit gon und würd bei Tag nit widerkumen. Thu wol und arbeit fleißig und bang die fier Bretter uff daz Kontor uff daz gnauwest zusamen in den Leim.« Ulenspiegel sagt: »Ja, welche Bretter gehören zusamen?« Der Meister legt ihm die uffeinander, die zusamen gehorten, und gieng mit seiner Hußfrawen zu der Hochzeit. Ulenspiegel, der frum Knecht, der sich allzeit mer fleiß, sein Arbeit widerwärtig zu thun dann recht, fieng an und durchboret die schönen krusen Tisch- oder Kontorbretter, die ihm sein Meister uffeinandergelegt het, an drei oder vier Enden, und schlug sie in Bretblöcher und verkidet sie zusamen. Und soud da Leim in einem grossen Kessel und steckt die Bretter darein und trug die oben ins Huß. Und stieß die oben zum Fenster uß, daz der Leim an der Sonnen trucken solte werden, und macht zeitlich Feirabent.

Des Abentz kam der Meister heim und het wol getruncken und fragt Ulenspiegeln, waz er den Tag gearbeit hät. Ulenspiegel sagt: »Meister, ich hon die vier Dischbretter uff daz gnawest zusamen in den Leim bracht ond bei guter Zeit Feirabent gemacht.« Daz gefiel dem Meister wol und sagt zu seiner Frawen: »Daz ist ein rechter Knecht, dem thu gütlich, den wil ich lang behalten«, und giengen da schlaffen. Aber des Morgens, da hieß der Meister Ulenspiegeln den Tisch bringen, den er bereit und gemacht hät. Da kam Ulenspiegel mit seiner Arbeit von der Büne ziehen. Als nun der Meister sah, daz ihm der Schalck die Bretter verderbt het, sprach er: »Knecht, hast du auch Schreinerhandtwerck[176] gelernt?« Ulenspiegel antwurt, wie er also fragt? »Ich frag darumb, daz du mir so gute Bretter verderbt hast.« Ulenspiegel sprach: »Lieber Meister, ich hab gthon, als Ihr mich hießen. Ist es verderbt, daz ist Ewer Schult.« Er ward zornig und sagt: »Du Schalcksnar, darumb heb dich uß meiner Werckstat, ich hab deiner Arbeit keinen Nutz.« Also schied Ulenspiegel von dannen und verdienet nit grossen Danck, wiewol er alles daz thet, daz man ihn hieß.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 174-177.
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