Die neund Historie sagt, wie Ulenspiegel in einen Imenstock krouch unnd zwen bei Nacht kamen unnd den Imenstock wolten stelen, unnd wie er macht, das sich die zwen raufften und ließen den Imenstock fallen.

[26] Uf ein Zeit, da begab sich, daz Ulenspiegel mit seiner Muter gieng in ein Dorff uff die Kirweiung. Und Ulenspiegel tranck sich, daz er truncken ward und gieng und sucht ein End, da er frölich schlaffen möcht und ihm nieman nüt tät.[27] Also fand er da hinden in dem Hoff ein Huffen Imen ston, und dabei lagen vil Imenstöck, die ler waren. Also kroch er in ein leren Stock, der näst bei den Imen lag, und meint, er wolt ein wenig schlaffen, und schlieff von Mittag an, biß das es schier Mitternacht ward. Unnd meinet sein Mutter, er wär wider heim zu Hauß gegangen, da sie ihn niendert kunt sehen.

Also in derselben Nacht kamen zwen Dieb und wolten ein Imen stelen und sprachen da zesamen: »Ich hab allweg gehört, welcher der schwerst Imenstock ist, der ist der best.« Also hüben sie die Körb und Stöck uff, je einen nach dem andern, und da sie kamen zu dem Stock, da Ulenspiegel in lag, der was der schwerste. Da sprachen sie: »Daz ist der best Im«, und namen ihn uff ihr Hälß und trugen ihn von dannen. In dem erwacht Ulenspiegel und hort ihre Anschläg, und es was gantz finster, das einer den anderen kum sehen mocht. Also greiff Ulenspiegel uß dem Stock und greiff den Fordersten bei dem Har und gab ihm einen guten Rupff. Der war da zornig uff den Hindersten unnd meinte, er hät ihn also bei dem Har gezogen, und ward ihm fluchen. Der Hinderst sprach: »Getreompt dir oder gast du im Schlaff? Wie solt ich dich bei dem Har ropffen, ich kan doch kum den Imenstock mit meinen Händen halten!« Ulenspiegel lacht und gedacht: »Das Spil wil sich recht stellen«, und beitet, biß sie aber ein Ackerlängen giengen. Da gibt er dem Hindersten auch einen guten Rupff bei dem Har, das er sich rümpffte. Der ward da noch als zornig und sprach: »Ich gang und trag, das mir der Halß kracht, und du sprichst, ich zieh dich bei dem Har! Unnd du zuchst mich bei dem Har, daz mir die Schwart kracht!« Der Forderst, der sprach: »Das lügst du dein Halß fol! Wie solt[28] ich dich bei dem Har ziehen, ich kan doch kum den Weg vor mir sehen. Auch wüß das fürwar, du zühest mich bei dem Har!« Und giengen also zancken, mit dem Stock für an zu kiffen undereinander. Nit lang darnach, da sie am grösten Zanken waren, so zücht Ulenspiegel den Fordersten noch einist, daz ihm der Kopff an den Imenstock gnöpfft. Da ward er so zornig, das er den Imenstock fallen ließ und schlug den Hindersten finsterling mit den Füsten nach dem Kopff. Der Hinderst verließ den Imenstock auch und fiel dem Forderen in das Har, also das sie ubereinanderdummelten. Und einer verließ den andern und wißt nit, wa der ander beleib, und verloren sich also in dem Finster und Hessen den Imenstock ligen. Also lugt Ulenspiegel gantz uß dem Korb, und da er sach, das es noch finster was, da schloff er wider hinder sich unnd bleib darin ligen, bis es heller Tag ward. Da kroch er uß dem Imenstock und weßt nit, wa er was. Also gieng er einen Weg uß, da kam er zu einer Burg, da verdingt er sich für einen Hoffjungen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 26-29.
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