62. Wohnungsplane
1760.

[236] Als ich nun so den Handelsherr spielte, dacht' ich: Liebchen sollte nun keine Einwendung mehr gegen meine Anträge machen können. Aber, weit gefehlt! Das verschmitzte Geschöpf wollte meine Ergebenheit noch auf andre Weise probiren. Nun, was ohnehin in meinen eigenen Planen stuhnd, mochte schon hingehn. Als ich ihr daher eines Tags mit grossem Ernst vom Heurathen redete, hieß es: Aber wo hausen und hofen? Ich schlug ihr verschiedene Wohnungen vor, die damals eben zu vermiethen stuhnden: »Das will ich nicht«, sagte sie; »in meinem Leben nehm' ich keinen, der nicht sein eigen Haus hat«! »Ganz recht«! erwiedert' ich – Aber hätt's nicht auch in meinem Kopf gelegen, ich wollt's probiert haben. Von der Zeit an also fragt' ich jedem feilgebotenen Häusgen nach; aber es wollte sich nirgends fügen. Endlich entschloß ich mich, selber eins zu bauen, und sagte es meiner Schönen. Sie war's zufrieden, und bot mir wieder Geld dazu an. Dann eröffnete ich meine Absicht auch meinem Vater; der versprach ebenfalls, mir mit Rath und That beyzustehn, wie er's denn auch redlich hielt. Nun erst sah' ich mich nach einem Platz um, und kaufte einen Boden um ungefehr 100. Thaler; dann hie und da Holz. Einiche Tännchen bekam ich zum Geschenke. Nun bot ich allen meinen Kräften auf, fällte das Holz, das[236] meist in einem Bachtobel stuhnd, und zügelte es (der gute Aeti half mir wacker) nach der Säge; dann auf den Zimmerplatz. Aber Sagen und Zimmern kostete Geld. Alle Tag' mußt ich dem Seckel die Riemen ziehn, und das war dann doch nur der Schmerzen ein Anfang. Doch bisher gieng alles noch gut von statten; der Garnhandel ersetzte die Lücken. Meiner Dulcinee rapportirt' ich alles fleissig, und sie trug an meinem Thun und Lassen meist ein gnädiges Belieben.

Den Sommer, Herbst und Winter durch macht' ich alle nöthige Zubereitungen mit Holz, Stein, Kalk, Ziegel und s.f. um im künftigen Frühjahr mit meinem Bau zeitig genug anfangen, und je eher je lieber mit meiner jungen Hausehre einziehen zu können. Nebst meinem kleinen Handel pfuscht' ich, zumal im Winter, allerley Mobilien, Werkgeschirr, u.d. gl. Denn ich dachte, in ein Haus würde auch Hausrath gehören; von meiner Liebste werd' ich nicht viel zu erwarten haben, und von meinem Vater, dem ich itzt ein, freylich geringes, Kostgeld bezahlen mußte, noch minder. Ueberhaupt war also wohl nichts unüberlegter, als dergestalt, blos einem Weibsbild, und – ich will es gern gestehen – dann auch meiner Eitelkeit zu lieb, um eine eigene Hofstätte zu haben, mich in ein Labyrinth zu vertiefen, aus welchem nur Gott und Glück mich wieder herausführen konnten. Auch lächelten mich ein Paar meiner Nachbarn immer schalkhaft an, so oft ich nur bey ihnen vorübergieng. Andre waren offenherziger, und sagten mir's rund ins Gesicht: »Ulrich, Ulrich! du wirst's schwerlich aushalten können.« Einige[237] indessen hatten vollends die Gutheit, mir nach dem Maaß ihrer Kräfte, bloß auf mein und des Aetis Ehrenwort, thätlich unter die Arme zu greifen.

Uebrigens war dieß Tausend Siebenhundert und Sechzig ein vom Himmel ausserordentlich gesegnetes rechtes Wunderjahr, durch ein seltenes Gedeihen der Erdfrüchte, und namhaften Verdienst, bey äusserst geringem Preiß aller Arten von Lebensmitteln. Ein Pfund Brodt galt 10. Pf. ein Pfund Butter 10. Kr. Das Viertel Apfel, Birn und Erdäpfel konnt' ich beym Haus um 12. Kr. haben, die Maaß Wein um 6. Kr. und die Maaß Branz um 7. Bz. Alles, Reich und Arm, hatte vollauf. Mit meinem Bauelgewerb wär's mir um diese Zeit gewiß recht gut gegangen, wenn ich ihn nur besser verstanden, und mehr Geld und Zeit darein zu setzen gehabt hätte. – So floß mir dieses Jahr ziemlich schnell dahin. Mit meiner Schönen gab's wohl manchmal ein Zerwürfnis, wenn sie etwa meine Lebensart tadelte, mir Verhaltungsbefehle vorschreiben wollte, und ich mich dann – wie noch heut zu Tag – rebellisch stellte; aber der Faden war allemal bald wieder angesponnen – und bald wieder zerbrochen. Kurz wir waren schon dazumal miteinander zufrieden, bald unzufrieden – wie itzt.[238]

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 236-239.
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