Leben und Tod Richards des Zweiten

[375] Allererst tritt eine schimpfende Partei auf, Bolingbroke, und Mowbray, die einander des Hochverrats anklagen, daß eim alle Finger schwitzen. Es ist entsetzlich, wann die Menschen, die armen Erdenwürmer, ihres elenden Worts wegen, Leib und Seele aufs Spiel setzen, Himmel und Erden zu Zeugen herbeirufen und oft den lieben[375] Gott beschwören, daß er ihr Zeuge sein soll. O es ist ein brutales Ding um die Menschen. Oft um nichts, nur weil sie ein einziges Wort nicht widerrufen wollen, kosts Leib und Leben. Hier war ein König nicht vermögend, diese ergrimmten Lords zu besänftigen, bis er sie verbannte. Mowbray mag in der Verbannung gestorben sein, aber Bolingbroke wurden seine Güter eingezogen. Diese und andere Ungerechtigkeiten erregten große Gährungen in England. Bolingbroke fand bald einen gewaltigen Anhang. Richard ginge wider die Walliser ins Feld. Unterdessen bemächtigte sich Bolingbroke des Königreichs. Dem König wurde alleweil Botschaft gebracht, wo ihn je eine stärker angriff als die andere. Richards Reden und Verhalten, von dem ersten Gerücht bis zu seiner Arretierung und seinem Tod, dünken mich sehr schön, machten mir viel Gedanken. Freilich ist der Fall groß von einem Thron herab ins Kot. Ein nichts bedeutender Weltbürger kann nicht so hoch abfallen, und je tiefer einer fallt, desto weher wirds tun. Doch ist schon mancher nur aus dem Kot in Dreck gefallen und hat jämmerlich genug geheult. O Richard, es muß schmerzen, so tief fallen; aber mancher arme Tropf hat in seinen Ideen mehr als du hattest, und fallt in seinem Leben nicht nur einmal, sondern manch-tausendmal von seiner Herrlichkeit ins tiefste Elend. Und du hattest noch das Vergnügen, tausend Beispiele ähnlicher Fälle gefallener Fürsten zu lesen. O mancher sich in Elend krümmende Wurm gäbe, was er hätte, wann er so viel Vorgänger abgemalt vor sich sehen könnte. Eben, das ist sein größtes Leiden, wann er[376] glaubt, der Einzige zu sein von Anfang her, dem es so begegnet, daß er so unbemerkt, unbedauert in seinem Elend allein zabbeln müsse. O Richard, du konntest sehr schön über deinen Fall moralisieren, – das kann ein armer Tropf nicht – aber du konntest doch das Wehtun nicht hindern, du mochtest dir auch den Pomp und Pracht samt dem menschlichen Leben so eitel und hinfällig vorpredigen als du wolltest. Stolzer Bolingbroke! wie himmelweit mögen deine und Richards Gedanken voneinandern sein – aber dein Heraufsteigen ist gefährlicher als Richards Herabsteigen. Erbärmlich ist der Abscheid zwischen dem König und der Königin. Auch eine erbärmliche Szene, wo York seinen Sohn Aumerle selber als Verräter entdeckt und verklagt und die Mutter da auf ihren Knien Gnade schreit. Da müssen auch unruhige Köpfe Englands Söhne sein.

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 3, Basel 1945, S. 375-377.
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