XXIX. Vom Wahrsagen und [402] Oraculis.

Gleichwie GOtt der HErr unterschiedenmahl und auf mancherley Weise den Vätern seinen Willen offenbahret: also hat auch der Teuffel als ein Affe GOttes auf unterschiedene Weise sich seinen Ergebenen offenbahren wollen, und den Fragenden Antwort gegeben. Dahero Cicero lib. 1. de divinitat. schreibet: Daß er kein Volck gesehen habe, es sey auch noch so verstandig und gelehrt, oder so wild und wüst und barbarisch gewesen, so nicht zugegeben, es könnten zukünfftige Dinge von einigen vorher verkündiget und verstanden werden. Ob nun wohl unzehlbare Arten der verbotenen und dem Satan insgemein beygelegten Wahrsagungen seyn, so hat sie dennoch Balduinus cas. consc. lib. 3. cap. 6. in folgende Classes eingetheilet: Als 1. Astrologia oder die Stern-Kunst. 2. Stereomantia. 3. Chiromantia. 4. Physiognomia, welche nicht so gar zu verwerffen oder dem Satan zugeschrieben werden können. Was aber die übrige, aberglaubige und verworffene Wahrsagungen seyn, davon wollen wir mit wenigen[403] gedencken, als auf Vögel-Geschrey zu achten: Wann sich eine Krähe auf dem Dach unsers Hauses setzt, will der gemeine Mann daraus wahrsagen, es werden Gäste kommen. Item, wann der Mensch des Mörgens frühe ausgehet, wer ihm am ersten begegnet, von solchem wolten sie wahrsagen, ob es glücklich oder unglücklich sey, oder mit welchem Fuß der Mensch zum ersten aus dem Hauß schreitet, oder ob ihm zuerst eine Katz oder Hund begegnet.

Noch teufflerische Wahrsagungen waren die Heidnische Oracula, welche an gewissen vom Teuffel besessenen Oertern den Fragenden Antwort gegeben.1 Andere Wahrsagungen geschehen durch teufflische Beschwerungen, wovon Petrus Lepidus, ein Königlicher Procurator, erzehlet, daß eine alte Wahrsagerin, eine Jungfrau, um zu erfahren, welchen sie unter ihren Freyern zur Ehe bekommen werden, gelehrt habe: Sie solte bey jemand einen Schilling (2. Kreutzer) betteln, und dafür Gersten-Mehl kauffen, welches sie einmachen und knetten, und daraus eine Leiter mit sieben Stuffen machen müste, selbige mit gewissen Worten beschweren und unter ihr Haupt-Küssen legen, daß sie darüber einschlieff.2 Als nun dieses die Jungfrau gethan, habe sie im Traum gesehen denjenigen, der sie am meisten liebete,[404] zu ihr auf einer Leiter heran steigen, sey aber von der dritten Staffel herunter gefallen, und habe den Halß gebrochen. Ein ander aber, der sie nicht gar lieb gehabt, sey über alle sieben Stuffen zu ihr ins Bett kommen. Nicht lange hernach habe sie erfahren, daß derjenige, den sie lieb hatte, im Rennen mit dem Pferd gestürtzt sey, und den Halß gebrochen habe; den andern habe sie aber durch Zwang der Eltern heyrathen müssen.

Oben-gedachter Oraculorum, welche dem Menschen wahrsagen solten, gabe es unter den Heyden eine unsägliche Menge hin und wieder, unter welchen einige in grossem Beruff waren, davon das Oraculum Apollinis, auch Oraculum Delphicum genannt, das allerberühmteste gewesen: dieweil fast von allen Enden der Welt die neu-begierige Menschen gereiset, um sich zukünfftiger Dinge zu erkundigen, und über wichtige Anschläge einen Göttlichen Rath und Antwort zu erlangen: Es hatte solch Oraculum seinen Sitz an den äussersten Gräntzen Griechen-Landes, in der Landschafft Boetia, bey der Stadt Delphi, dahero es auch seinen Nahmen hat.3

Von dem Ursprung dieses Oraculi redet Diodorus von Sicilien im 16. Buch / als an dem Ort, wo man hernach den Tempel gebauet, in der Erde sich[405] eine grosse Klufft oder Höhle erzeigete, um welche etliche Ziegen weideten, und hin und her lieffen, geschahe es offt, daß eine dieser Klufft zu nahe kam und hinein sahe, welche bey ihrer Rück-Kehr wunderbarer Weise sprang und tantzete: und eine seltzame Stimme von sich hören ließ; wann nun der Hirte selbst hinzu lieff, und sich über diese Klufft verwunderte, wurde er gleicher Gestalt mit demselben Geist erfüllet, daß er sprang und weissagete. Das Gerücht davon erschallete überall, und wie eine grosse Menge Volck herzu kame, hat man gesehen, daß alle die, welche sich in die Klufft hinein gelassen, mit dem Wahrsager-Geist erfüllet worden, und sich den unsinnigen Leuten gleich gestellet; dahero man auch den Ort für ein Wunder der Natur gehalten, und das Oracul der Erden zugeschrieben. Als aber auch viel Leute in dieser Raserey sich unbesonnener Weise in die Tieffe hinein gestürtzt, und das Leben darbey eingebüsset, hat man verbieten müssen, daß sich hinführo niemand mehr hinzu wagen solte.

Das zweyte grosse berühmte Oraculum war das Oraculum Jovis Hammonis, welches in Africa in dem wüsten und sandigen Lybien gelegen war, und dem Jupiter Hammon gewiedmet gewesen, so die gantze Welt fast in seinen Stricken hielt, ist nach des Funccii Zeit-Rechnung[406] im 1902. Welt-Jahr im Flor gewesen, solches war ein Götzen-Bild, mit Hörnern gestaltet und einem Widder gleich anzusehen gewesen, darum wurde es auch Oraculum Arietinum genannt.4 Curt. l. 4. c. 7. Diodor. Sicul. l. 17. schreibt, dasselbe in Bocks-Gestalt und mit Edelgesteinen reich besetzte Götzen-Bild wurde in ein güldenes und mit vielen silbernen Schaalen überall umhängtes Schiff gesetzet, und durch ein unbekanntes Lied, welches von etlichen Frauen und Jungfrauen nach Landes Art gesungen wurde, zur gewissen und unfehlbaren Antwort genöthiget.5 Es gab aber seinen Willen nicht mit verständiger Stimme, sondern entweder mit Wincken oder andern Zeichen zu verstehen. Strab. l. 17. Geogr. Und weilen die Zeichen mehrentheils dunckel waren, Alex. ab Alexandro lib. 6. cap. 2. so musten die Priester und Götzen-Pfaffen dieselbe eröffnen und erklären, welche aber bisweilen selbst nicht verstunden, was Jupiter wolte angekündiget haben. Unterdessen so brachten sie nach ihrem Gutdüncken etwas hervor, damit sie das Volck in dem Aberglauben unterhalten, und in diesem ihrem Götzen-Dienst bevestigen möchten. Nahe bey dem Götzen-Bild war ein Brunn von wunderbarer Würckung, dann bey der Sonnen Aufgang war dessen Wasser laulicht, auf dem Mittag, da der Tag am heissesten, kalt, bey herannahendem[407] Abend warm, und mitten in der Nacht gantz heiß.6 Diodor. Sicul. l. 17. Curt. l. 4. c. 7. Veccius füget hinzu, daß auf dem Grunde dieses Brunnens Gold gefunden worden, und das Wasser darinnen die Krafft gehabt habe, daß es den Krancken die Gesundheit, und andern den Wahrsager-Geist mitgetheilet habe, auch sey alles, ja selbst die allerleichtesten Dinge, darinnen zu Grunde gegangen.

Dieses Oraculum, unangesehen es weit abgelegen gewesen, ist dannoch bey nahe durch die gantze Welt berühmt worden, daß selbst Könige, Fürsten und grosse Potentaten beschwerliche Reisen dahin vorgenommen, und dasselbige um Rath gefraget haben. Alexander Magnus hat dasselbe mit grosser Lebens-Gefahr besuchet, dann weil alles Wasser, welches er in Schläuchen auf Cameelen mit sich führen lassen, nunmehro auf der Hin-Reise ein Ende genommen, hätte er mit seinem gantzen Kriegs-Heer in denen trockenen, wüsten und unfruchtbaren sandigten Orten, bey einer unerträglichen Hitze, aus Mangel des Wassers, für Durst sterben müssen, wo er nicht durch einen milden Regen wäre erquicket worden, welcher die halb-erstorbene Soldaten wieder erfrischet hätte. Auch würden sie nimmer dahin gekommen seyn, wann nicht etliche Raben vor dem Lager hergeflogen und ihnen den rechten Weg gewiesen hätten. Reuter pag.[408] m. 726. ex Diodor. Sicul. lib. 17. Curt. lib. 4. cap. 7.

Das dritte grosse Oraculum wurde genannt das Oraculum Dodonæi, welches, nach Funccii Rechnung / im 3325ten Welt-Jahr bekannt worden, ist nach Dodona, einer alten und berühmten Stadt der Molossen in Epiro, genannt.7 Dann nahe bey Dodona war ein Wald, dem Jovi geheiliget, worinnen, durch des Teuffels und der Priester Betrug, mit grosser Verwunderung zukünfftige Dinge verkündiget, und den Fragenden Antwort ertheilet wurde. Plin. l. 17. cap. 25. Es meynen etliche, daß Jupiter selbst in diesem Walde geantwortet, und unter den Bäumen, als in Tempeln, gewohnet habe. Der GOtt Jupiter redete nun entweder aus einer Eiche, oder aus einer Buche, dann von beyderley Art Bäumen wurden in dem Wald gefunden, und durfften, weil sie heilig gehalten waren, von niemand abgehauen werden. Man sagt auch, daß in dem Walde zu Dodona zwey Säulen gewesen, auf deren einer ein ehern Becken oder Kessel, über der andern ein Bild eines Knabens, gestanden, der eine eherne Geissel oder Stecken in der Hand gehabt, und so offt der Wind scharff gewehet, habe er mit der Peitschen dermassen das Becken berühret, daß es eine geraume Zeit einen Klang von sich gegeben. Andere aber sagen, daß etliche eherne Becken also um das [409] Oracul gehangen, daß sie einander berühret, wann nun eines von denenselben einen Klang von sich gegeben, sey der Klang wegen der Gleichlautigkeit durch die andern Becken hindurch gedrungen, und lange Zeit gehöret worden. Es sollen auch ferner zwo schwartze Tauben daselbst verwahret worden seyn, die dem aberglaubischen Volck mit deutlicher menschlicher Stimme auf ihr Fragen Antwort ertheilet hätten. Andere aber meynen, daß diese sogenannte Tauben Wahrsager-Weiber gewesen, weil die Thessalischen Völcker sowohl die Wahrsagerinnen, als die Tauben, πε?ε?αdα? zu nennen pflegeten. Vide Pausan. l. 10. Alex. ab Alexandr. genial. dier. Dann es sollen, wie Herod. l. 2. c. 55. berichtet, zwo Tauben aus Egypten geflogen, oder zwo Wahrsagerinnen da herausgegangen seyn, davon eine nach Lybien, die andere nach Dodona gekommen seye, und daselbst des Jupiters Oraculum gestifftet haben.

Dieses Oraculum hat den Lacedæmoniern, als es von ihnen wegen des Sieges befraget worden, Antwort gegeben, daß sie in der Leuctrischen Schlacht mehr um ihr Leben, als um den Sieg, solten bekümmert seyn.

Das vierdte grosse Oraculum war das Oraculum Trophonii, nach der Meynung des gelehrten Bocharti von einem Syrischen Wort, Tauropho, welches[410] eine Niederschlagung des Gemüths und plötzliche Erschröckniß bedeutet, zumahlen alle diejenige, welche sich in diese Höhle einliessen, das Oracul um Rath zu fragen, mit grossem Schröcken wieder zurück kamen.8 Welche wollen auch bewähren, daß diejenige, so aus dieser Höhlen wieder zurück kommen, niemahls mehr solten gelachet haben, sondern hätten die gantze Zeit ihres Lebens traurig und ernsthafft ausgesehen. Alexand. ab Alexandr. lib. 6. c. 10. genial. dier. Dahero man in einem Sprichwort von einem sauersehenden und störrischen Menschen sagt, daß er in der Höle Trophonii geweissaget habe. Dieses Oraculum gabe in einer tieffen, finstern und wüsten Höle bey Lebadia in Bocotia einem Fragenden aus der Erden seine Antwort.

Pausanias schreibt im neundten Buch:9 Daß Agamedes und Trophonius zu ihrer Zeit fürtreffliche Baumeister gewesen, welche des Hyriei, oder wie andere wollen, des Angiä Schatz-Kammer so künstlich gebauet, daß sie einen Stein aus der Mauer hinweg nehmen, und nachdem sie so viel Geldes, als ihnen beliebet, hinweg genommen, wieder unvermerckt haben hinein setzen können. Als nun darüber Hyrieus irre wurde, da er sahe, daß sein Geld täglich abnahm, und nicht begreiffen konte, wie solches zugehen möchte: zumahl das Siegel über der Thür[411] allzeit unverletzt von ihm gefunden worden, und er auch selbst den Schlüssel darzu verwahrete, hat er rings um das Geld herum etliche Stricke legen lassen, womit diejenige, die sich nur würden hinein machen, alsbald könnten gefangen werden; wie auch geschehen: Dann als Agamedes nach seiner Gewohnheit wieder hinein gieng, wurde er dergestalt verstrickt und veste gehalten, daß er keinen Fuß weiter fortsetzen konte. Trophonius aber, da er dieses gesehen, hat dem Agamades, seinem Mit-Gesellen, das Haupt abgeschnitten, damit er hiedurch nicht möchte verrathen oder bekannt gemacht werden.

Pausan. l. 9. schreibt: Es ist dieses Oracul in Bœotia folgender massen bekannt worden: Als es etliche Jahr in Bœotia nicht regnete, und also aus Mangel des Wassers die Länder unfruchtbar blieben und keine Früchte hervor brachten, hat man aus allen Städten einige nach Delphos gesandt, zu erfragen, ob sie dieses Ubels könnten erlassen werden.10 Pythia, die Wahrsagerin des Apollinis, befahl ihnen, sie solten nach Lebadia gehen, und Trophonium anhören, was derselbe hierin rathen würde. Da sie aber den Ort, allwo der Wahrsager-Geist sich aufhielte, nicht finden konten, hat einer mit Nahmen Saon, aus Acrephnia bürtig, gerathen, man sollte dem Bienen-Schwarm, welcher eben damahls vor ihnen[412] herflog, nachfolgen, und den Ort bemercken, wo derselbe sich niederlassen würde; denn an dem Ort, wo derselbe sich werde hinsetzen, würden sie gewißlich dasjenige finden, nach welchem sie sucheten. Als sie nun den Bienen immer in ihrem Flug nachfolgeten, und dieselbe sich endlich auf einen Baum niederliessen, kamen sie zu einer Höhlen, und funden an demselben Ort einen Wahrsager-Geist, von welchem sie nicht allein diejenigen Dinge erlerneten, um welcher willen sie dahin gesandt waren, sondern auch die Gesetze und Gebräuche, wie sie ihm forthin dienen und um Rath ersuchen und ansprechen sollten.

Der Geist nun desselben Orts, wurde Trophonius genannt, weil nach Anzeigung des Delphischen Oraculi der Geist Trophonii sich daselbst aufhalten solte.11 Er wurde auch genannt, Jupiter Trophonius, weil Jupiter durch denselben daselbst die Antwort ertheilete, und der Tempel, welcher nachmahls über dieser Höhle gebauet worden, ihme zugeeignet und geheiliget worden sey. Boissard. l. de. divin. & Classen. l. 2. c. 5. §. 4. de orac.

Derselbige hatte nun seinen Sitz in einer Höhlen, welche von Natur und Kunst tieff in die Erden gemachet war, so daß, wer sich dahinein lassen wolte, auf einer Leiter in dieselbe herunter steigen muste.[413]

Welcher nun dahinein steigen wolte, der muste erstlich sich etliche Tage vorher mit Wasser waschen, welches aus dem Fluß Hercynna geschöpffet werden muste.12 2.) Unterschiedliche Opffer herzubringen, den Geist zu versöhnen, wie dann ein solcher auch noch zur selbigen Stunde, als er sich in die tieffe Grufft hinein lassen wolte, einen Widder bey der Höhlen aufopfferte, und Agamedem, des Triphonii Gesellen, zum öfftern anrieff. Im mittelst aber besichtigte der Aruspex die Eingeweide in den Opffern, und weissagete daraus, wie Trophonius gegen ihm gesinnet, ob er versöhnet oder noch erzürnet sey. 3.) Musten zween Knaben aus der Stadt, welche man Hermas, das ist, Mercurios nannte, und ungefehr 13. Jahr alt waren, mit Oel gesalbet, und bey dem vorigen Fluß Hercynna, allwo ihn des Nachts die Priester, die das Opffer verrichtet, hingeführet hatten, abgewaschen werden. 4.) Muste er trincken aus dem Fluß Lethe, damit er alles vergesse, was er sich erinnern konnte, gleichwie er hernach aus dem Fluß Mnemosyne tranck, daß er behalten konte, was er allda gesehen. 5.) Muste er ein Bildniß, welches von dem Kunstreichen Dædalo geschnitzt und gemacht war, Göttlich verehren und anbeten.

Wann er nun solches alles verrichtet, ließ er sich in die Höhle entweder gantz nacket hinein, oder zog auch zuvor einen weissen[414] oder Purpur-farbenen Rock an, zierte sich mit einer heiligen Haube, und legete Sohlen unter seine Füsse, damit er also gantz heilig möchte erscheinen, und von dem Geiste gütig aufgenommen werden. Er nahm auch etliche Kuchen und Fladen mit, zu dem Ende, damit er die unterirdischen Geister versöhnen, und wieder unbeschädigt aus der Höhlen heraus gehen möchte. Vid. Philostr. l. 4. c. 8. de vita Apollon. Er pflegete auch wohl einen Spieß mit sich zu nehmen, damit er sich in der Gruben wider die Schlangen und ander Ungezieffer beschützen könnte, wie Clasenius aus Zenodoto erzehlt, l. 2. c. 5. §. 16.

Wann er nun in der Höhle war, fiel er auf seine Knie, und stellete sein Anliegen mit klaren und hartlautenden Worten vor, erwartend aus dem, so er entweder sahe oder hörete, die Känntniß seiner Sache. Nach erlangter Antwort, wurde er gleichsam als mit einem gewaltigen Winde aus der engen Höhlen wieder heraus gestossen, dergestalt, daß er mit seinen Füssen zuerst hervor kam: denn keiner von allen, der sich in diese Höhle hinein gelassen, ist darin geblieben oder getödtet worden, als nur ein Knecht von der Guardi des Demetrii, weil derselbe ohne gewöhnlichen Gottesdienst hinunter gestiegen war, und zwar nicht zu dem Ende, daß er etwas erforschen möchte, sondern, weil er gedachte[415] aus selbiger eine herrliche Beuthe an Gold und Silber heraus zu hohlen. Derselbe wurde darinnen jämmerlich getödet, und sein Leichnam ist nicht durch die heilige Thür, sondern an einem andern Ort heraus geworffen worden.

Nachdem sich nun der Rathfrager nach seiner Wiederkunfft einigermassen erhohlet, muste er, wie schon gemeldet, (1.) aus dem Fluß Mnemosyne trincken, damit er nicht vergessen möchte, was er von dem Oraculo gelernet. (2) Wurde er genau examinirt, damit er alles bekennen und nichts verschweigen möchte von dem, was da vorgefallen war. (3) Wurde er wieder in die Kammer der bonæ fortunæ, oder boni genii, geführet, in welcher er sich vor seinem Hineinsteigen in die Höle etliche Tage aufgehalten hatte. Und (4) muste er endlich alles, was er gesehen und gehöret, auf ein Täffelein schreiben und übergeben. Vid. de his omnibus prolixe Pausaniam lib. 9.

Noch ist übrig zu gedencken des Oraculi Amphiarai, welches war zu Oropos in Griechenland / vid. Tertullian. lib. de anima cap. 46. an der Gräntze zwischen Attica und Baeotia, solches gab nicht allein in gewöhnlicher Griechischer, sondern auch in andern frembden Sprachen, den Leuten Antwort, oder offenbahrete sich ihnen des Nachts in einem Traum, wenn sie sich zu dem Ende in dessen Tempel auf einer Haut[416] hatten schlaffen geleget.13 Es hat seinen Nahmen von Amphiarao, dem Sohn Oeclei und Hypermestræ, welcher bey seinem Leben ein fürtrefflicher Prophet und Traum-Deuter gewesen, und nach seinem Tod unter die Zahl der Götter gebracht worden. Cic. I. 1. de divinitat. c. 40. Pausan. l. 1.

Der Ort, allwo dem Menschen Antwort ertheilet, wurde Harma genannt, weil, nach Bocharti Meinung, der Ort, allwo Amphiaraus von der Erden verschlungen worden, dergestalt verflucht gewesen, daß noch die Vögel auf den Seulen, mit welchen dieser Platz umgeben und gleichsam umzäunet gewesen, haben sitzen, noch die wilden Thier das Graß zwischen den Seulen haben anrühren und essen können. Bochart. Geogr. sacr. p. 1. c. 6.

Dieses zu verstehen, will ich hieher setzen, was die Scribenten sonst hievon berichten:14 Als Ereocles, der Thebaner König, und sein Bruder Polynices wegen der Regierung uneinig worden, und wider einander streiten wolten, gedachte ein jeder Ampharaum zu sich hohlen zu lassen, weil sie alle beyde vermeineten, daß bey seiner Gegenwart der Krieg glücklich werde ausfallen, Amphiaraus als er dieses erfuhr, versteckte sich an einen verborgenen Ort, denn er wuste wohl, daß er nach Andeutung des Oraculi sein Leben[417] darbey zusetzen würde; und wuste um diese Sache niemand mehr, als allein Eryphyle, die Tochter Talai, die er zum Weib genommen hatte: denn derselben hatte er sich kund gethan, und darbey verbotten, daß sie ihn nicht verrathen solte, noch von Polynice Geschenck nehmen.15 Als aber ihr Bruder Adrastus ihr ein güldenes Halßband verehret, hat das untreue und Geld-geitzige Weib ihren Mann verrathen, daß er hervor gezogen, und dem Läger zu folgen gezwungen worden. Als er nun mit den andern wider Thebas hingezogen war, ist er desselben Tages, als es nunmehr aus Treffen gehen sollen, durch eine plötzliche und erschröckliche Erdbebung von der Erden eingeschlungen worden. Vid. Reuter / ex Apollodor. l. 3. de Deor. orig. & Hygin. fab. 73.

Die Griechen haben ihm allda einen schönen und herrlichen Tempel aus lauter Marmorstein künstlich aufbauen lassen; auch war ihm allda eine Marmorsteinerne Säule aufgerichtet, in welcher er in Gestalt eines bewaffneten Soldaten abgebildet war, weil er mit in den Thebanischen Krieg, wiewohl ohn allen seinen Willen, war eingewickelt worden.16 Nahe bey diesem Tempel war ein Brunnen, in welchem sie sich nicht wuschen, reinigten, oder sonst Göttliche Dinge verrichteten, sondern allein Gold und Silber nach ihrer Väter Weise hinein wurffen, ihr danckbares Gemüth[418] zu erzeigen, insbesonder, wann sie kranck gewesen, und nun wieder ihre vorige Gesundheit erlanget hatten. Paus. l. 1.

Wer bey Amphiarao eine Antwort ersuchete, der wurde erst eingeweihet, hernach opfferte er einen Widder, schlieff über der Erden auf dessen Haut, und erwartete des Nachts im Traum die Antwort, welche von den Priestern nach vorgehenden gebührlichen Ceremonien ausgeleget wurde; damit aber die Priester zu Auslegung des Gesichts geschickt seyn möchten, musten sie sich einen Tag der Speise, und 3. Tage des Weins enthalten. Philostr. l. 2. c. 4.

Was nun von diesen gesammten Oraculis zu halten, ist billig die Frage: Ob nicht alles, was darin vorkommet, entweder unwahr oder ertichtet, oder lauter Betriegerey der listigen und durchtriebenen Priester gewesen?17 Oder ob nicht auch der Teuffel darinnen seine Würckung gehabt, und in den gegebenen Antworten seine Person gespielet habe? Einige, als von Dalen de Oraculis, und D. Becker in seiner bezauberten Welt / meinen, daß dasjenige, so in den vermeinten Götter-Sprüchen der Heyden vorkommt, entweder ertichtet sey, oder daß die verschlagene Priester die Geheimniß der Rathfragenden, auf vielerley Weise hätten erforschen, und also die Antwort[419] leicht geben können. Wir aber nehmen mit vielen andern Gotts-Gelehrten das zweyte an, und glauben, daß würcklich in vielen derselben Eingebungen des Teuffels gewesen: wie dann gewiß, daß der Teuffel in den Heydnischen Wahrsagungen gewürckt, und läßt sich an GOttes Wort nicht im wenigsten zweiffeln, wann wir nehmen die Wahrsagerin zu Endor, die falschen Propheten des Königs Achabs, die Magd zu Philippis, die einen Wahrsager-Geist gehabt, welcher hernach von Paulo aus ihr getrieben worden, wodurch wir sattsam überzeuget seyn.

Man kan auch mit Grund nicht sagen, daß alles lauter Betrug der Priester gewesen, die die Geheimnissen der Rathfragenden auf vielerley Weise erforschen und also die Antwort leicht hätten geben können: dann es würden viel Heydnische Könige, Fürsten und andere grosse Männer sich derselben nicht bedienet haben, wann sie nicht etwas mehr denn menschlich bey den Oraculis gespühret, und etwas ungemeines darinnen erkannt hätten; Fürnehmlich, da die Antworten der vermeinten Götter-Sprüchen offters sehr hart, grausam, gantz gottloß, abscheulich, und also tüchtig waren, einen Abscheu vor denselben zu erwecken. Die Priester würden gewißlich auch nicht so frech heraus gesprochen haben, weil sie sich leicht die Rechnung machen können, daß bey Entdeckung des Betrugs,[420] sie eines grausamen, elendigen und schmähligen Todes hätten gewärtig seyn müssen. Auch ist nicht wohl zu glauben, daß solche grobe Betrügereyen, welche man in den vermeinten Götter-Sprüchen zu seyn vorgibt, so viele hundert Jahr hätten können verborgen bleiben, wie man an den Betrügereyen, welche in der ersten Christen-Zeit aufgerichtet worden, völlig wahrnehmen kan. Es mag ein Betrug offtmahls so lange Stand halten, als der Stiffter desselben lebet, nach seinem Tode wird aber derselbe bald zum Vorschein kommen, indem die Nachfolger oder die neuen Priester, die auf die abgestorbenen Alte folgen, nicht allzeit darein zugleich einwilligen, oder gleich listig und den Betrug zu unterhalten tüchtig sind. Und ist auch wohl zu mercken, daß bey den Götter-Sprüchen solche Dinge geschehen, die nicht wohl natürlicher Weise durch List und Betrug hätten geschehen können. Zum Exempel: daß die Pythia, oder die Wahrsagerin bey dem Oraculo zu Delphis, so bald sie auf dem Dreyfuß gesessen, in Raserey verfallen, und dannoch in solcher Tollheit auf die vorgelegete Fragen Antwort geben können; Daß bey dem Oraculo des Trophonii die Rathsfragende aus zwey Brunnen haben trincken müssen, da sie durch Würckung des ersteren alles vergessen, was sie gethan, und gewust; und Krafft des andern alles in ihrem Gedächtniß behalten,[421] was sie daselbst gesehen, und gehöret hatten; und daß in etlichen Götter-Sprüchen, als des Æsculapii, die Offenbahrungen und Antworten in dem Schlaff geschehen. Folglich dann so bleibet vest, daß in vielen Heydnischen Götter-Sprüchen der Satan seine Würckung gehabt habe.

Alle diese Heydnische Oracula aber seynd nach Verlauff vieler Jahre sehr geschwächet und verachtet worden, so, daß sie endlich gäntzlich aufgehöret und verstummet seyn. Cicero lib. 2. de divin. schreibt: Daß nicht allein zu seiner Zeit, sondern auch vorhero keine Oracula zu Delphis mehr gegeben worden.18 Und Strabo Geograph. lib. 9. zeuget: daß nicht allein das berühmteste Oraculum zu Delphis, sondern auch viel andere aufgehöret. Von dem Delphischen Oraculo saget er: Jetzt wird der Tempel gering geachtet, der zuvor in so grossen Ehren gewesen ist. Und lib. 7. spricht er: Das Dodoneische Oraculum ist einigermassen verlassen, wie auch die andern alle. Dieses weiset auch an Plutarchus in seinem Buche / de defectu Oraculorum, und wann er nach derselben Ursache sich erkundiget, so saget er: daß etliche die Veränderung aller Dinge anführen; andere, weil Griechenland nicht mehr so häuffig von den Völckern besuchet worden; andere, dieweil die Menschen[422] mit ihrer Boßheit sich der Göttlichen Oraculen unwürdig gemachet; andere, dieweil die Dæmones verstorben, welche den Wahrsagern die Oracula eingeben; andere, dieweil die Ausdämpfung der Erden, womit sie eingenommen worden, daß sie zukünfftige Dinge haben weissagen können, ausgetrocknet gewesen, und ihre Krafft verlohren: dieses letztere wird von Cicerone verlachet, wann er spricht: Man saget, daß durch das Alter die Krafft der Oerter, durch welcher Ausdämpffung die Wahrsagerin Pythia die Oracula ausgesprochen, vergangen seye. Man solte vermeinen, daß man von Wein oder gesaltzenem Fleisch rede, welche durch das Alter ihre Krafft verliehren, hier aber redet man von der Krafft eines Ortes, welcher nicht natürlich, sondern Göttlich ist, wie kan der vergehen?

Die wahre und fürnehmste Ursache aber, daß die Oracula der Heyden so unversehens vestummet, ist die Zukunfft Christi unsers Herrn ins Fleisch gewesen, welcher den Teuffel, der in den vermeinten Götter-Sprüchen geherrschet, zerstöhret, und seiner Macht beraubet hat. Und da die Sonne der Gerechtigkeit auf dem Erdboden leuchtete, muste die Macht der Finsterniß verschwinden; Und zu dem Ende kam Christus auf die Erden, daß er die Wercke des Teuffels verstöhren solte.[423]

Wir wollen noch einige aus Herrn S.H. Reuters in seinem umschränckten Reich des Teuffels / p.m. 776. seq. und anderer Autoren Schrifften, Phantastische Wahrsagereyen anführen: Als was Antonius Torquatus in dem 15. und 16. Seculo in Ungarn mit seiner Wahrsagerey ausgerichtet, und was für Unwesen daraus erfolget, ist aus den Historien genüglich bekannt gemachet: Er stellete dem König Matthias Corvinus im Jahr 1480. vor, daß die Ottomannische Pforte aufs allerlängste im Jahr 1596. gäntzlich würde übernhauffen geworffen werden, und die Türckey in der Ungarn Gewalt verfallen.19 Wie nun die Ungarn zufolge dieser Weissagung mit den Türcken einen unnöthigen Krieg anfingen, in Hoffnung, sie würden den Sieg davon tragen, hat Soliman mit einem mächtigen Krieges-Heer die gantze Ungarische Krieges-Macht erschlagen und bey Mohaz 1526. einen vollkommenen und Nahm-kündigen Sieg erhalten, da Ludovicus, der letzte König von der Jagellonischen Familie, sein Leben zusetzen müssen; und ist bekannt, daß der Türck immer mächtiger in Europa gewesen, als vom Jahr 1526. bis zum Jahr 1683. vid. Magn. Gabr. Block, von nichtigen Wahrsagungen §. 37.

Johann Hilten / ein Teutscher Baarfüsser-Mönch /hat eine Prophezeihung[424] im Jahr 1487. ans Licht geben und geweissaget, daß der Türck in 1600. in Teutschland und Italien regieren, Gog und Magog im Jahr 1606. über gantz Europa herrschen, und daß das Jüngste Gericht unfehlbar im Jahr 1657. kommen solte.20 Vid. Melch. Adam, in Vit. Theolog. p. 5.

Camerarius erzehlt, Medit. histor. cent. 1. cap. 41. daß ein gewisser Pfarrherr / ein ziemlich-gelehrter Mann und Rechenmeister, in einer Predigt angekündet hätte: Der Welt Ende wäre vorhanden, und Tag und Stunde gesetzt, an welchen solches alles geschehen solte, nach Anleitung dieser Worte: VIDeb Vnt, In qVeM pVpVgerVnt, sie sollen sehen / in welchen sie gestochen haben.21 Wie nun ein grosser Theil von den Einfältigen solches glaubte, so macheten sie sich gute Tage, und verzehreten all ihr Gut mit Schwelgen und Sauffen. Wie die angesetzte Stunde heran nahete, versammleten sie sich alle in die Kirche, und erwarteten mit grosser Andacht das Ende der Welt, worzu oben-berührter Pfarrer sie mit einer beweglich- und darzu schickenden Predigt unabläßig bereitete und erweckte. Ehe noch die Predigt zum Ende, entstunde ein grausames Wetter mit Donnern und Blitzen, daß auch jeder vermeynete, die Welt solte selbigen Augenblick vergehen;[425] wie aber der Sturm fürüber war, blieb alles in seinem vorigen Wesen und Stande. Da die arme und der Schrifft unerfahrne Menschen solches mercketen, wurden sie über ihren Pfarrherrn so erbittert, daß sie ihn gewiß ermordet, wann er sich nicht verstecket, und dieselbe von andern verständigen Männern wieder wären zurecht bracht worden. Vid. Gabr. Block /§. 39.

Der Frantzos / Jean Desmarets, ist über die massen kühn und unverschämt gewesen, indem er nicht wie die Oracula, oder seines gleichen im Dunckeln und mit zweydeutigen Rätzeln und Worten, sondern offenbar und deutlich, verkündet, daß der König in Franckreich, Ludovicus XIV. den Mahomet und alle dessen Secten ausrotten solte.22 Er bezeichnete in seiner Mutter-Sprache Zeit und Ort, die Personen und die Art, mit allen ihren Umständen, als: Daß der Pabst und der König in Spanien, welche damahls lebeten, als Desmarets dieses kund machete, dem König Ludovicus in Avignon begegnen und alle Könige und Fürsten sich daselbst versammlen und berathschlagen solten, auf was Weise dieses grosse Werck am besten vorgenommen und vollführet werden könte; daß alle Christen zu der Römischen Kirchen fallen würden; daß der König Ludovicus, als das Haupt aller Christen,[426] das Christliche Kriegs-Heer anführen, die Türcken und alle Muhametaner, zu Wasser und Land, übern Hauffen werffen und verstöhren solte. Von sich selbst sagete er: Daß er wäre der Prophet Eliacim Michael, und solte zur Gesellschafft bekommen die hundert und vier und viertzig tausend Seelen von den Kindern Israel, davon in der Offenbahrung Johannis Cap. VII. 4. geredet wird, die er dem König in Franckreich zustellen solte, daß derselbe sie gebrauchen könte, den Befehl auszurichten, welchen er von GOtt durch ihn bekommen würde. Idem §. 39. 40. Dieses verfassete Desmarets in einem Buche, unter dem Titel: Avis au Saint Esprit au Roy; oder: Des Heil. Geistes Rath / dem König gegeben. Daß aber Desmarets ein Phantast gewesen, hat die Erfahrung bezeuget, daß man demselben vielmehr gerade zuwider von aller Zeit her bemühet gewesen, zu der Türcken und Heyden Lust und Vortheil, die Christen selbst, leider! auszurotten und zu verwüsten; scheinet also nicht, daß der König in Franckreich zu der Türcken Untergang helffen werde.

Oben angeführter Autor schreibt pag. 782. Als ich vor etlichen Jahren in Holland studirte, wurde mir folgende Copey einer Prophezeyung eingehändiget: Es sind in Italien zwey neue Propheten[427] auferstanden, welche nach Boulogne kommen, und weil sie einen solchen Geist haben, der vom Ende der Welt und Buße prediget, haben sie grosse Furcht verursachet, weil sie sich Aposteln nennen, sie sind solche Männer, daß man ihres gleichen nicht gesehen, beyde sehr alt, und sehen einander so gleich, als Brüder, haben einerley Kleider, gehen barfuß und mit blossem Haupt, sagen: GOtt sey sehr erzürnet über Boulogne, und wann sie sich nicht bekehre, werde die Stadt in drey Monaten untergehen.23 Der Magistrat hat schon verbotten solche Dinge zu reden / aber sie haben das Gebott verlachet, und gesaget: Sie seyen Propheten, von GOtt gesandt; worüber man sie ins Gefängniß geleget. Einige des Magistrats haben aus Curiosität mit ihnen gesprochen, denen sie auf Hebräisch, Griechisch und Lateinisch in allen Sprachen geantwortet. Sie sagen den Leuten an, ob sie Böses oder Gutes gethan haben: sie führen ein strenges Leben, essen nichts als Brod, und trincken Wasser, sagen: sie kämen aus Damasco und Galilæa, von welchem Ort sie expressè von GOtt gesandt worden, den unbußfertigen Leuten ihren Untergang zu predigen; es sey ein jeder 700. Jahr alt, und versichern, daß das Ende der Welt Anno 1719. kommen werde. Die Jesuiten haben sie in Ketten schliessen lassen, um sie nach[428] Rom zu führen, darüber sie sich sehr erfreuet, aber da in Gegenwart jedermanns die Ketten wie Weber-Faden zerrissen. Sie sagen weiter: Daß der Krieg Anno 1711. in der gantzen Welt brennen werde. Constantinopel und der Groß-Türck werden 1712. zu JEsu Christo bekehret werden. Anno 1714. werden alle Nationen den rechten Glauben annehmen. Anno 1715. werde eine verklärete Person aufstehen. Anno 1716. werde Africa untergehen. Anno 1717. werde durch die gantze Welt ein erschrecklich Erdbeben seyn. Anno 1718. werde die Erde in grausamen Schröcken seyn. Anno 1719. werde JEsus zu Gericht kommen.

Zum Beschluß dieses Capitels wollen wir aus Gabriel Block § 21. noch eine solche falsche Wahrsagerey allhier mit anmercken: Als Ferdinandus, König in Neapolis, nicht konte überredet werden, die Juden aus dem Neapolitanischen Reich zu jagen, auf diese Weise, wie sein Verwandter, der König Ferdinandus von Arragonien, in Spanien, gethan hatte, fing ein ungelehrter Leye-Bruder, Franciscus Hispanus genannt, öffentlich an, und sagete: Daß er von einem Engel Offenbahrung[429] hätte, daß solches Ferdinandi Neapolitani Verhalten GOtt mißfalle, und der Göttlichen Straffe zu entgehen, müste der König unverzüglich seines Bluts-Verwandten rühmlichem Exempel nachfolgen; aber sobald er sahe, daß er mit seinen Predigten nichts schaffete, ließ er eine erdichtete Prophecey in eine bleyene Taffel eingraben, in S. Cataldi Nahmen, welche bleyene Taffel er hernachmahls unter eine alte Kirchen-Mauer in Oranto vergraben ließ; drey Jahr hernach wurde ein anderer Priester subornirt, welcher öffentlich verkündete, wie er Offenbahrung und Befehl von St. Cataldo bekommen, eine Taffel auszugraben, an der oder der Stelle, welches auch geschahe.24 Auf beregeter Taffel wurden also etliche Sprüch-reiche Befehle gefunden von der Juden Ausrottung, mit besonderer Verwarnung an den König Ferdinand, bemeldete Schrifft nicht zu lesen, ohne in Gegenwart seiner getreuesten und verständigsten Ministren. Welches alles, wie es der König nicht achtete, der ohne Zweiffel von dieser Practique Wind bekommen, griffen die Münche wieder zu ihrem vorigen Handwerck, mit Predigen und Schwermen, so greulich und überall, daß gantz Italien, insonderheit aber der Römische Hof, darüber bestürtzt wurde. Vide Jovium Pontonum lib. 2. Serm. cap. ult.

Marginalien

1 I. Geschicht.


2 Beschwerung / so teufflisch / wird zum Wahrsagen gebrauchet.


3 1. Oraculum zu Delphis.


4 2. Oraculum Iovis Hammonis.


5 Oraculum Arietinum, wo selbiges anzutreffen gewesen.


6 Wunder-Brunn.


7 3. Oraculum Dodonæi.


8 4. Oraculum Trophonii.


9 I. Geschicht.


10 Wie dieses Oraculum erfunden worden.


11 Ursprung dessen Nahmens.


12 Wie solch Oracul venerirt worden.


13 5. Oraculum Amphiarai, wie sich solches offenbaret.


14 II. Geschicht.


15 Vom Tod des Amphiarai.


16 Was ihm nach seinem Tod für Ehre bezeiget worden.


17 Was von den Ausspruchen der Oraculen zu halten.


18 Wann und wie diese Oracula untergangen und ein End genommen.


19 König Matthias in Ungarn wird durch falsches Wahrsagen verleitet.


20 Falsche Prophezeyhung eines Baarfüsser-Mönchs.


21 Pfarrer verkündet fälschlich den Jüngsten Tag.


22 Falsche Wahrsagung Desmarets von Ausrottung des Turckischen Reichs.


23 Wunderbare Wahrsager zu Boulogne, und derer befundenen Lügen.


24 Ein Münch propheceyet König Ferdinand mit Betrug.


Quelle:
Bräuner, Johann Jacob: Physicalisch= und Historisch= Erörterte Curiositaeten. Frankfurth am Mayn 1737, S. 402-430.
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