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[40] Choiseul. Saint-Lambert.
CHOISEUL. Ein seltener Besuch, Kapitän, um so schmeichelhafter, als er von einem treuen Diener Ihrer Majestät der Königin abgestattet wird.
LAMBERT. Exzellenz, das ist allerdings nicht – jeder.
CHOISEUL. Das weiß ich wohl! Ihr Gesuch?[40]
LAMBERT. Ich habe kein Gesuch, Exzellenz, ich habe eine Frage, und zwar im Namen Ihro Majestät der Königin.
CHOISEUL. An Ihrem Benehmen, Kapitän, hätte ich wohl merken können, daß Sie die Königin sendet. Zur Sache, wenn's beliebt.
LAMBERT. Exzellenz, als ich hierher kam, war mir die Frage Nebensache, was Pflichttreue gegen meine Herrin mich wohl kosten könne. Ich sehe Ihnen ins Auge, ein Edelmann dem anderen, und will hoffen, daß der Herzog von Choiseul, der Mann, der Frankreichs Geschick in Händen hält, vor dem simplen Saint-Lambert nicht erbleichen möge.
CHOISEUL. Was soll das heißen, mein Herr?
LAMBERT. Die Königin weiß, daß man damit umgeht, die Marquise de Pompadour – dem König – anzutrauen!
CHOISEUL außer Fassung. Was? – O mein Gott!
LAMBERT. Ha, sehen Sie mich nur fest an! – Es ist also doch wahr? – O, weiß man doch, daß der Dispens aus Rom schon da ist, und man wird es der armen Fürstin überlassen, ihr kärgliches Jahrgehalt am Hofe ihres entthronten Vaters in Lothringen zu verzehren! – Antworten Sie, Herr Herzog, antworten Sie mir, im Namen der Königin, ist dem so?!
CHOISEUL bleich, stotternd. Aber bei der Hölle, woher wissen Sie das?! Wodurch wollen Sie diese Behauptung rechtfertigen?!
LAMBERT. Der Staatsmann kann doch nicht sein Gefühl so ganz verbergen. – Ich weiß genug. – Pause. Er sammelt sich. Ich rede nicht zu Ihnen von dem Schimpf, der Demoralisation, die Frankreich durch diese Frau erduldet, aber wollen Sie denn diese Totenmaskerade mit dem Fluche des Jahrhunderts, mit dem Falle des Regentenhauses, mit dem gebrochenen Herzen der königlichen Frau erkaufen? – O hindern Sie dies entsetzliche, schamlose Bündnis, hindern Sie es, Herr Herzog, oder – Sie verdienen nicht mehr den Degen eines französische Edelmanns zu tragen!![41]
CHOISEUL kalt und stolz. Sie sind verwegen bis zum Wahnwitz, Kapitän! Es ist Ihr Glück, daß ich nur die Königin höre, nicht Sie! Es gibt nur einen Herrn, dem ich diene, dem ich mein Herz, meine Ehre, mein Gewissen selbst zum Opfer bringe – Frankreich! – – Wärmer. Zeigen Sie mir, junger Hitzkopf, den Pfad, den ich gehen soll, das unglückliche, zusammenbrechende Vaterland zu retten, ich will ihn gehen; zeigen Sie ihn mir! – Oder wissen Sie einen besseren Steuermann für dieses Staatsschiff?
LAMBERT. Ich bin Ihr Gegner, Herr Herzog, aber ich habe dennoch die Überzeugung, daß nur Choiseul Frankreich retten kann.
CHOISEUL. Meint das die Königin auch?
LAMBERT. Herr Herzog, stände ich sonst hier?
CHOISEUL. Wenn nun die Pompadour stirbt? – Was dann? – Der König will beherrscht sein, beherrscht von einer Frau. Hätte ich die Gewißheit, daß das die Königin imstande wäre – in dieser Stunde noch würde ich der Eure!
LAMBERT schüchtern, aber warm. Ich hoffe, sie wird es!
CHOISEUL. Törichter Knabe! Mit Hoffnungen heilt man nicht die Wunden eines Reichs, wäscht man kein beflecktes Zeitalter rein!
LAMBERT mit brechender Stimme. Ich bin zu Ende, Exzellenz, leben Sie denn wohl! Er übergibt ihm ein Schreiben. Dies mag Ihnen meine Sendung beglaubigen. Er geht die Augen bedeckend langsam nach der Tür.
CHOISEUL erschüttert. Mein Gott! Er nimmt das Schreiben, öffnet es und liest, rasch. Von der Königin selbst! – An mich? – – – Halt, Lambert, halt!!
LAMBERT rasch zurückkommend. Exzellenz!
CHOISEUL nachdem er gelesen, in furchtbarem Kampfe. Sagen Sie der Königin – Choiseul werde – sich morgen entscheiden, ob noch – zu helfen sei!
LAMBERT freudig bewegt. Morgen? – O, Sie wollen sich für die Königin erklären?![42]
CHOISEUL. Lambert, mein Wort kann ich Ihnen nicht geben. – Morgen nach der Audienz in Versailles mag mich Ihro Majestät erwarten. – Wenn ich nicht kommen sollte –! – – Gehen Sie, Lambert, gehen Sie!!
LAMBERT geht mit stummer Gebärde durch die Mitte ab.
CHOISEUL in heftigem Schmerz.. O du beneideter Choiseul! Scylla und Charybdis umdräuen dich! – Entweder die ewige Schmach, vielleicht den Untergang des Königshauses – oder den Sturz – ja vielleicht den – Tod des Weibes, dem du alles, alles verdankst! – Fürsten hat sie sich huldigen, die Talente des Jahrhunderts zu ihren Füßen schmachten, Reiche vor sich gebeugt gesehen, und verächtlich gelächelt! Dich, d'Amboise, hat sie geliebt und erhoben, wie keinen mehr auf der Welt! – Und wenn alles zusammenbricht, nein, nein – ich kann das nicht tun! Das nicht! – Pause. – Aber welcher Unsinnige hat das Geheimnis an die Königin verraten? – Und dieser Narziß, dieser Unbekannte! – – Ich muß wissen, wer Narziß ist! Er schellt.
LAKAI tritt ein.
CHOISEUL. Der Polizeipräfekt von Paris soll kommen, sofort! – Ruft Beaulieu, den Sekretär, in mein Kabinett!
LAKAI geht durch die Mitte ab.
CHOISEUL geht rechts ab.[43]
Verwandlung.
Wohnung der Mademoiselle Quinault.
Kleiner eleganter Salon. Links eine und in der Mitte zwei Türen. Links Sofa, davor ein Tisch mit Papieren, Putzartikeln usw. Zwischen beiden Türen des Hintergrundes ein Ripptisch, auf dessen Sims Karitäten und Rippes, u.a. ein porzellanener Chinese mit beweglichem Kopf Pagode, ferner eine Pendule steht. Rechts ein Fenster, in dessen Nähe ein Sessel, aber gegen das Sofa gewendet.
Ausgewählte Ausgaben von
Narziß
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