Achter Auftritt.

[91] Die Vorigen. Saint-Lambert. Zwei Gardisten.


LAMBERT herantretend. Sie stirbt!

CHOISEUL. Ich habe sie gemordet! – Ha! – Aber ich werde siegen!

DUBARRY aus seinem Entsetzen erwachend. Er hat mich betrogen!

POMPADOUR an Narziß gelehnt, matt. Ihr hattet auf meine Krankheit gerechnet, Herzog, die war ein zuverlässiger Bundesgenosse. Ein feines Stückchen, d'Amboise, ein rechtes Liebeszeichen.

CHOISEUL. Liebe? – Die Eitelkeit muß man sich abgewöhnen, wenn man ein großer Mann sein will!

POMPADOUR. Gut, sehr gut! – Ihr seid ein würdiger Schüler von mir, aber nur – ein Schüler! O, die Pompadour ist eine Riesin – sie stirbt nicht an der Schande – denn es wäre eine Entehrung der menschlichen Natur, sich vor euch, sich in diesem Zeitalter zu schämen! – Ich will leben, ich muß leben um dieses Armen willen. Ich[91] hab' ihm eine ewige Schuld zu zahlen, und ich werd's, und müßt' ich selbst das Paradies entvölkern und den Himmel zur Erde reißen, daß sie mit mir zu seinen Füßen lägen! Sie will Narziß umarmen.

NARZIß packt sie wild. Ha! Und wenn ihr beide mir zu Füßen läget, du und das Paradies, ich würde euch zertreten! Er schleudert sie in den Sessel.

POMPADOUR tut einen Schrei, dann wimmernd. Erbarmen!

NARZIß ehern. Du hast mich verlassen, treuloses Weib, du hast geschwelgt im Glück, indes ich gebettelt, du hast dich selbst, die Gott geschaffen zu seinem Abbild, zerfetzt und geschändet um das hohle Phantom von Ruhm und Macht, das sei dir verziehen, denn du bist bestraft mit ehrlosem Alter. Aber daß du, du diese Pompadour gewesen bist, sein konntest, das sei dir nicht verziehen! Begreifst du nicht, Hyäne, daß in mir das zerlumpte, verzweifelte, wahnsinnige Vaterland dich angrinst, das du an Leib und Seele dem Götzen deines Ichs geschlachtet? – Ich trete vor dich als die Menschheit, deine Zeit! Sieh her, das hast du aus ihr gemacht! – Was willst du uns geben für unsre Lumpen, unsre Tränen, für die gebrochne Unschuld, die verfaulten Seelen? Was? Gibst du's uns wieder?! Er rüttelt sie. – Der Tag des Gerichts bricht herein, die Posaunen schreien, die Sonnen erbleichen, und die Sterne verwehn, und der Tod reitet über die Erde und mähet und mähet, denn ihm sind zu eigen gegeben die armen Menschen um deiner, deiner Sünde willen, und wenn du dahinfährst und trittst unter die Schar der Verdammten, da jauchzen die Teufel, hahahaha, denn ihre Erlösung ist kommen und sie werden rein und zu Engeln vor deiner Schuld. Sie entsetzen sich, sie entfliehen vor dir, und du wirst zurückbleiben in den Gefilden des Entsetzens und allein sein!!

POMPADOUR einen wahnsinnigen Schrei ausstoßend, dann sich emporbäumend. Nun denn, nach mir die Sündflut!! – Sie bricht zusammen und stirbt.

ALLE nähertreten, dumpf. Sie ist tot![92]

CHOISEUL. O, daß man seine Tat nicht messen kann!

NARZIß ohne das Geschehene zu beachten, in gesteigertem Wahnsinn. Hahahaha! Ja, die Sündflut! – Es regnet Feuer vom Himmel und Galle und Tränen! Aus den Sümpfen des Elends und Verbrechens steigt das entmenschte Geschlecht und heult durch die Straßen nach Blut! Blut! Blut! Hussa! Hurra! Und unter Gelächter rollen die hauptlosen Leichen in den Kot, von Mutter und Kind, Freund und Feind. Auf dem leeren Throne Gottes sitzt die grinsende Vernunft dieser Welt, die Vernunft, die wahnsinnig worden, und rechnet und zählt, denn sie braucht noch fünftausend Leichen, daß sie leben kann, und da steigt die Sündflut indes, dringt bis zur Hölle, und da, hahahaha! treffen wir beide uns wieder! Er stößt einen Schrei aus, bricht zusammen und stirbt.

CHOISEUL. Der Wahnsinn hat ihn getötet.

QUINAULT voll rührender Hoheit. Und aus der Sündflut steigt in neuer Schöne die geläuterte Menschheit und betet wieder zu ihrem versöhnten Vater im Himmel. Dann wird's keinen Narziß mehr geben!

LAMBERT vortretend. Ihro Majestät die Königin betrat soeben die Gemächer des Königs!

CHOISEUL. Ha! – Folgen Sie mir, meine Herren Minister! Indem er sich wendet, fällt der Vorhang.[93]

Quelle:
Albert Emil Brachvogel: Narziß. Leipzig [o.J.], S. 91-94.
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