Einleitung.

[353] Ich befand mich ernst am spanischen Hofe zu Madrid, und im Gespräch mit einer sehr achtbaren Dame, fragte mich diese: Qual era mayor fuego d'amor, el de la biuda, el de la casada, o de la hija moça: »Wer hat das meiste Liebesfeuer: die Witwe, die Verheiratete oder das junge Mädchen?« Nachdem ich ihr meine Meinung gesagt, äußerte sie die ihrige mit folgenden Worten: »Lo que me parece d'esta cosa es que, aunque las moças con el hervor de la sangre se disponen á querer mucho, no deve ser tanto como lo que quieren las casadas y biudas, con la gran experiencia del negocio. Esta razon debe ser natural, como lo seria la del que, por haver nacido ciego de la perfection de la luz, no puede cobdiciar de ella con tanto deseo como el que vio, y fué privado de la vista.« »Ich denke über die Sache so: Wenngleich die Mädchen mit ihrem heißen Blut sehr zur Liebe geneigt sind, lieben sie doch nicht so sehr wie die verheirateten Frauen und die Witwen, weil diese eine größere Erfahrung in der Sache besitzen. Und der Grund ist sehr natürlich, denn auch ein blind Geborener sehnt sich nicht so nach dem Lichte wie einer, der es genossen und[353] dann das Augenlicht verloren hat.« Dann fügte sie hinzu: Con menos pena se abstiene d'una cosa la persona que nunca supo, que aquella que vive enamorada del gusto pasado: »Und viel leichter enthält sich jemand einer Sache, die er nicht kennt, als wenn er sie geliebt und genossen hat.« Das sind die Gründe, die diese Dame für jenen Gegenstand anführte.

Der verehrungswürdige und gelehrte Boccaccio stellt unter den Fragen in seinem »Phillocoppo«, in der neunten, die folgende: In welche von den dreien soll man sich am meisten verlieben, um am glücklichsten zum Ziel zu kommen: in die Verheiratete, die Witwe oder das junge Mädchen? Boccaccio antwortet durch den Mund der Königin, die er redend einführt: So sehr es auch gegen Gott und das Gewissen verstößt, eine verheiratete Frau zu begehren, so leicht ist es, bei ihr zum Ziele zu kommen, weniger beim Mädchen und der Witwe, denn solche Liebe ist gefährlich, da das Feuer desto heller brennt, je mehr man es anfacht, andernfalls erlischt es. Auch nehmen alle Dinge durch den Gebrauch immer mehr ab, nur die Wollust nicht, die dadurch nur zunimmt Aber die Witwe, die lange Zeit ohne Liebe gewesen, fühlt sie kaum mehr und kümmert sich nicht mehr darum, als ob sie garnicht verheiratet gewesen sei; sie wird mehr durch die Erinnerung als durch die Begierde erhitzt. Die Jungfrau dagegen, die noch garnicht weiß, was es ist, sehnt sich mit Wärme danach. Die Verheiratete, viel hitziger als die andern, wünscht oft zum Genuß zu gelangen, weshalb sie häufig von ihrem Gatten mit Worten oder Schlägen gestraft wird. Um sich aber zu rächen (denn es gibt kein rachsüchtigeres Wesen als das Weib), und zwar nur um der Rache willen, betrügt sie ihn und findet darin eine Befriedigung. Da es langweilig wird, immer dasselbe zu essen, so lassen selbst die großen Herren[354] und Damen oft die leckersten Bissen stehen und nehmen etwas andres zu sich. Was die Mädchen betrifft, so kostet es zu viel Zeit und Mühe, sie zum Willen des Mannes zu bekehren, und wenn sie lieben, so wissen sie garnicht, daß sie lieben. Bei den Witwen aber gewinnt das Feuer leicht wieder seine alte Macht, indem man sofort wieder ihre Begierde nach dem erweckt, was sie so lange vergessen hatten; dann sehnen sie sich danach und bedauern die versäumte Zeit und die langen Nächte in dem einsamen Bett.

Auf diese Beweisgründe der Königin antwortet ein gewisser Edelmann Namens Farramonte. Er läßt die verheirateten Frauen bei Seite und gibt ohne großen Widerspruch zu, daß sie leicht zur Liebe zu bewegen sind. Er spricht von den Mädchen und Witwen und behauptet, das Mädchen sei in der Liebe herzhafter als die Witwe; denn die Witwe, die in der Vergangenheit die Geheimnisse der Liebe gekostet hat, liebt niemals herzhaft, sondern zögernd und bedächtig, wechselt schnell ihre Neigung und weiß eigentlich nie recht, wem sie sich um des Vorteils und der Ehre willen hingeben soll. Dem Mädchen dagegen sind alle diese Dinge unbekannt; sie sehnt sich nur nach einem Freunde, den sie ganz in ihre Gedanken schließt, nachdem sie ihn auserlesen; ihm sucht sie in allem zu gefallen und hält die Beständigkeit in der Liebe für eine Ehrensache. Mit der größten Glut ist sie der Dinge gewärtig, die sie noch nicht gesehen, gehört und empfunden; ja, sie sehnt sich mehr danach als die andern Frauen, denen das alles nichts Neues ist. Sie ist ganz von dem Wunsche beherrscht, all diese neuen Dinge zu sehen; sie erkundigt sich bei den Erfahrenen, und das vermehrt ihre Glut. Nun wünscht sie die Vereinigung mit ihm, der der Herr ihrer Gedanken ist, und solches Feuer ist bei der Witwe nicht mehr zu finden, denn sie hat es schon hinter sich.

Nun nimmt die Königin bei Boccaccio wieder das Wort, und um die Streitfrage zu Ende zu bringen, schließt sie: daß die Witwe viel mehr als das Mädchen auf das Vergnügen bei der Liebe bedacht ist, da das Mädchen seine[355] Jungfrauschaft hüten will, worin dessen ganze zukünftige Ehre besteht. Und dann, die Mädchen sind von Natur furchtsam, und außerdem wenig geschickt im Auffinden passender Gelegenheiten. Das ist bei der Witwe nicht der Fall, die in dieser Kunst schon sehr geübt und unternehmend ist. Übrigens fürchtet die Jungfrau den ersten Ansturm, denn bei manchen ist er zuweilen mehr schmerzhaft als angenehm; das haben die Witwen nicht mehr zu fürchten, und der stürmischste Belagerer ist ihnen gerade der liebste. Deshalb ist die Witwe viel freier in der Liebe als das Mädchen, das sein Kostbarstes hingeben soll und immer daran denkt. Folglich, schließt die Königin, ist es besser, sich an die Witwe, statt an das Mädchen zu wenden, denn jene ist viel leichter zu gewinnen.

Quelle:
Brantôme: Das Leben der galanten Damen. Leipzig [1904], S. 353-356.
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