|
[229] CXI.
Leicht wär's mit Narrheit sich befassen, Könnt' man auch leicht von Narrheit lassen,
Doch wenn dies einer auch beginne,
Wird er gar vieler Hindrung inne.
Der Dichter kniet mit entblößtem Haupte, seine Mütze in der Hand, vor einem Altare, um Gott um Verzeihung zu bitten, falls er in seinem Buche aus Irrthum oder Voreiligkeit etwas Tadelnswerthes gesagt habe. Narrenkappe und Kolben liegen neben ihm auf der Erde; hinter ihm aber steht eine Schaar unwilliger Narren, die er mit seinen treffenden Worten erzürnt hat.
Der ist ein Narr und großer Thor,
Wer einen Werkmann lohnt zuvor,
Denn der gar oft die Sorgfalt spart,
Wer nicht auf künft'gen Lohn mehr harrt.
Gar wenig wird für Geld gethan,
Das schon verzehrt ist und verthan,
Und dem Werk bald der Stillstand droht,
Wo man zuvor schon aß das Brod.
Drum, hätte man mir wollen lohnen,
Daß ich der Narren sollte schonen,
Ich hätt' mich wenig dran gekehrt,
Auch wär' das Geld jetzo verzehrt
Und nicht mehr Sicherheit gewährt,
Weil Alles, was da ist auf Erden[229]
Für Thorheit muß geachtet werden.
Hätt' ich dies Buch um Geld gemacht,
Nur wenig Lohn hätt' ich gesehn
Und hätt' es längst wol lassen stehn,
Aber dieweil es ist geschehn
Zu Gottes Ehr' und Nutz der Welt,
So hab' ich weder Gunst noch Geld
Noch Anderes gesehen an,
Was Gott mir wol bezeugen kann,
Und weiß doch, daß ich nicht mag bleiben
Ganz ungestraft in meinem Schreiben.
Von Guten will ich das hinnehmen,
Mich ihrer Rüge nimmer schämen;
Denn Gott mir das bezeugen kann,
Träf man im Buche Lügen an,
Oder was ist wider Gottes Lehre,
Der Seelen Heil, Vernunft und Ehre,
So will ich Strafe gern erdulden;
Am Glauben möcht' ich nichts verschulden
Und bitte hiermit Jedermann,
Daß man für gut es nehme an
Und leg' es nicht zum Argen aus
Noch ziehe Aergerniß daraus.
Denn darum ließ ich's nicht entstehn.
Aber ich weiß, es wird mir gehn
Gleichwie der Blume, die schön blüht,
Aus der das Bienlein Honig zieht,
Doch kommen dann darauf die Spinnen,
So suchen sie Gift draus zu gewinnen.
Das wird auch hierbei nicht gespart,
Denn Jedes thut nach seiner Art,
Und wo nichts Gutes ist im Haus,
Trägt man auch Gutes nicht hinaus.
Wer nicht gern hört von Weisheit sagen,
Wird über mich gar oftmals klagen,
Doch hört man seinen Worten an,
Was er sei für ein Gaukelmann.
Ich hab' gesehen manchen Thor,
Der sich gehoben stolz empor,[230]
Wie auf dem Libanon die Ceder,
In Narrheit höher als ein Jeder,
Doch als geharrt ich kurze Frist,
Das Prahlen ihm vergangen ist,
Man konnt' auch finden nicht die Statt,
Wo dieser Narr gewohnet hat.
Wer Ohren hat, merk' auf und höre!
Ich schweig', daß mich kein Wolf bethöre!
Ein Narr straft Manchen vor der Zeit,
Er kennt nicht dessen Freud' noch Leid,
Doch wenn er wär' des Andern Rücken,
So wüßt' er, was den thäte drücken.
Wer will, der les' dies Narrenbuch,
Ich weiß wol, wo mich drückt der Schuch,
Darum, wenn man will schelten mich
Und sprechen: »Arzt, heil' selber dich,
Denn du bist auch in unsrer Rotte!«
So weiß ich und gesteh' es Gotte,
Daß ich viel Thorheit hab' begangen
Und muß im Narrenorden prangen,
Wie sehr ich mag die Kappe rütteln,
Kann ich sie nicht vom Kopfe schütteln.
Doch hab' ich Ernst verwandt und Fleiß,
So daß ich, wie nun Jeder weiß,
Der Narren Arten kenne viel
Und Lust hab', wenn es Gott nur will,
Zu bessern mich in künft'ger Zeit,
Sofern Gott Gnade mir verleiht.
Ein Jeder achte nur auf dies,
Daß ihm nicht bleib' der Narrenspieß,
Daß nicht veralt' in seiner Hand
Der Kolben, – deß sei er ermahnt!
So schließt Sebastianus Brant,
Der Jedem zu der Weisheit räth,
Wer er auch sei, und wo er steht:
Kein guter Werkmann kommt zu spät!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
|
Buchempfehlung
Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.
68 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro