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[34] Wer bauen will, der schlage an,
Was ihm der Bau wol kosten kann,
Sonst sieht er nicht das Ende an.
Drei Bauhandwerker laufen einem Herrn, der hinter einem leeren Zahltische sitzt, aus der Arbeit. Verzweifelt streift dieser die Narrenkappe zurück und kraut sich die Haare. Im Hintergrunde ein unvollendetes Gebäude.
Der ist ein Narr, der bauen will
Und nicht zuvor anschlägt, wie viel
Es kosten kann, und ob er mag
Vollbringen es nach dem Anschlag.
Groß Werk hat Mancher ausersehn
Und konnte nicht dabei bestehn.
Der König Nabuchodonosor
Hob einst in Hochfahrt sich empor,
Daß Babylon die große Stadt
Durch seine Macht gebaut er hat,
Und doch kam es gar bald dazu,
Daß er im Feld lag wie 'ne Kuh.
Nimrod wollt' bauen in die Luft
Einen Thurm, zu stark für des Wassers Kluft,[34]
Und schlug nicht an, daß ihm zu schwer
Sein Bauen und nicht möglich wär'.
Es baut nicht jeder so geschickt,
Wie es Lucullus einst geglückt.
Wer nicht gern Reu' beim Bau gewinnt,
Bedenk' sich wohl, eh' er beginnt,
Denn Manchem kommt die Reu' zu spät,
Wenn Schaden ihm zum Seckel geht.
Wer großes Werk zu thun begehrt,
Muß selber erst recht sein bewährt,
Ob er gelangen mög' zum Ziel,
Das er für sich erreichen will,
Damit ihn nicht des Glückes Fall
Mach' zum Gespött den Menschen all'.
Viel besser ist es, nichts beginnen
Als Schaden, Schand' und Spott gewinnen.
Die Pyramiden kosten viel,
Das Labyrinth auch dort am Nil
Und mußten doch schon längst vergehn:
Kein Bau der Welt kann lang' bestehn!
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff (Ausgabe 1877)
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